Rätselhafte Zeitgenossen von Mammut & Co

Riesenfaultiere

Riesenfaultier © DiBgd aus der englischsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Sie wurden sechs Meter lang, wogen fünf Tonnen und stapften vermutlich sogar auf zwei Beinen durch die Eiszeitlandschaften: Riesenfaultiere gehören zu den ungewöhnlichsten Geschöpfen, die seit dem Aussterben der Dinosaurier auf der Erde lebten – und zu den rätselhaftesten.

Zwar hat man in den letzten 200 Jahren schon viele Fossilien von Megatherium, Eremotherium & Co gefunden. Über das Aussehen und Verhalten der mächtigen Urtiere war dennoch lange Zeit nur wenig bekannt.

Hangelten sich die Riesenfaultiere genauso langsam durch die Bäume wie ihre modernen Vettern und Kusinen? Waren sie gefährliche Bestien oder harmlose Vegetarier? Warum starben die Riesenfaultiere vor ungefähr 10.000 Jahren plötzlich aus? Oder konnten sie sogar – wie manche Kryptozoologen felsenfest glauben – doch irgendwo im Geheimen bis heute überleben?

Antworten auf diese und viele andere Fragen zu den Riesenfaultieren haben Wissenschaftler erst in den letzten Jahren gefunden. Sie öffnen ein Fenster in die Vergangenheit und geben einen Einblick in eine längst ausgelöschte Welt…

Dieter Lohmann
Stand: 10.02.2012

Wie Forscher den Riesenfaultieren auf die Spur kamen

Fossilien im XXL-Format

Jeder, der die Ice Age-Filme gesehen hat, kennt auch Sid. Zusammen mit dem Mammut Manni und der Säbelzahnkatze Diego zieht das ebenso trottelige wie nervige Riesenfaultier durch die Eiszeitwelt Nordamerikas – und schafft es nur mit ihrer Hilfe so gerade eben zu überleben.

Obwohl die Filmfigur auf einem realen Vorbild, dem Riesenfaultier Megalonyx jeffersonii, beruht, hat Sid nur wenig gemein mit seinen „echten“ Verwandten. Diese eiszeitlichen Vettern und Kusinen der heutigen Faultiere sind bis heute nur in Teilen erforscht. Immerhin haben Paläontologen und Evolutionsforscher mittlerweile zumindest Teile der Evolutionsgeschichte der geheimnisvollen Riesenfaultiere rekonstruiert. Danach existierten ihre ersten Vertreter schon vor deutlich mehr als 30 Millionen Jahren auf der Erde.

Ihre Blütezeit erlebten die Riesenfaultiere jedoch vor allem in den letzten drei oder vier Millionen Jahren. Damals breitete sich die Tiergruppe von ihrem Ursprung in Südamerika in die Karibik und später auch nach Nordamerika aus. Dies belegen viele Fossilien, die in den letzten gut 200 Jahren ausgegraben wurden.

Georges Cuvier als Pionier

Einer der ersten weltweit, die sich näher mit den Riesenfaultieren beschäftigten, war ein französische Naturforscher:

Paris im Jahr 1796. Georges Cuvier widmet sich schon seit einiger Zeit der Anatomie von Lebewesen und untersucht sie in mühsamer Detektivarbeit auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten hin. Der Wissenschaftler ist Anhänger der sogenannten Katastrophentheorie. Nach dieser wurde die Tier- und Pflanzenwelt mehrmals innerhalb der Erdgeschichte durch Naturereignisse wie sintflutartige Überschwemmungen vernichtet und wieder neu erschaffen.

Georges Cuvier (1769-1832), der Begründer der modernen wissenschaftlichen Paläontologie. © James Thomson / gemeinfrei (historisch)

Ein „großes Tier aus Amerika“

Über einen Mittelsmann hat Cuvier soeben Abbildungen eines ungewöhnlichen Skeletts erhalten, das ihn schon auf den ersten Blick fasziniert. Die gewaltigen Knochen sind rund zehn Jahre zuvor in Argentinien am Rio Lujan gefunden und später von dem Zoologen Juan Batista Bru de Ramon in Madrid zusammengefügt worden.

Dem erfahrenen französischen Forscher und Mitbegründer der modernen Paläontologie fallen sofort deutliche Parallelen zum Schädel- und Skelettbau der modernen Faultiere auf. Deshalb macht sich Cuvier sogleich an die erste wissenschaftliche Beschreibung des eigenartigen Lebewesens. 1796 gibt er ihm auch bereits einen Namen: Megatherium americanum. Das bedeutet so viel wie „großes Tier aus Amerika“.

Belege für vernichtete Welten

„Für Cuvier waren Fossilien wie Megatherium Belege für vorzeitliche, durch Katastrophen vernichtete Welten. Die Tiere jüngerer Perioden konnten zwar denen der älteren ähnlich sein, waren aber dennoch nicht aus diesen hervorgegangen, da sich Arten seiner Ansicht nach nicht veränderten“, schreiben Wighart von Koenigswald, emeritierter Professor der Universität Bonn und Simone Hoffmann von der Stony Brook University in New York in einem Beitrag für die Paläontologische Gesellschaft.

Dieter Lohmann
Stand: 10.02.2012

Megatherium americanum

Ein Lebewesen der Superlative

Wie mächtig „sein“ Riesenfaultier Megatherium americanum zu Lebzeiten tatsächlich war und wann es die Erde bevölkerte, wusste Georges Cuvier noch nicht – das haben erst Untersuchungen von Forschern in den Jahrzehnten danach ergeben. Einer davon war Charles Darwin. Im Rahmen seiner Forschungsreise mit dem Schiff „Beagle“ landete er im Jahr 1832 auch in Argentinien. Genauer gesagt in der heutigen Provinz Buenos Aires – und erlebte dabei eine große Überraschung.

Charles Darwin © Maull and Fox / gemeinfrei (historisch)

Knochen von „großen Ungeheuern“

„Ich wanderte weiter bei Punta Alta (Bahia Blanca), um nach Fossilien zu suchen, und zu meiner großen Freude fand ich den Schädel eines großen Tieres, eingebettet in weichem Gestein. Ich benötigte fast drei Stunden, um den Schädel herauszuholen“, vermerkte er später in seinem Reisetagebuch.

Darüberhinaus stieß er vor Ort noch auf zahlreiche andere versteinerte Knochen und ein nahezu perfekt erhaltenes und vollständiges Skelett von „großen Ungeheuern“, wie er penibel notierte. Der britische Naturforscher ordnete den uralten Schädel zunächst einem Nashorn zu. Später fielen ihm jedoch Ähnlichkeiten zwischen seinen Funden und den Knochen und dem Körperbau der modernen Faultieren und Gürteltieren auf. Dies brachte Darwin ordentlich ins Grübeln.

Darwin gerät ins Grübeln

Konnte es sein, dass es sich bei den Fossilien um Relikte von überdimensionalen, längst ausgestorbenen Urahnen der modernen Faultiere handelte? Waren diese womöglich sogar deren unmittelbare Vorfahren? War es möglich, dass Arten doch nicht unveränderlich sind, wie viele Wissenschaftler damals glaubten, sondern sich wandelten? Alle diese Überlegungen flossen später in seine Beiträge zur Evolutionstheorie mit ein, die die Biologie revolutionierte.

Darwins Funde auf dem Friedhof der Riesenfaultiere konnten später Arten wie Megatherium americanum, Scelidotherium oder Mylodon darwinii zugeordnet werden. Auf der Basis dieser und viele später entdeckter Fossilien haben Wissenschaftler mittlerweile einige Rückschlüsse auf das Aussehen und Verhalten von Riesenfaultieren gezogen.

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Eher Dinosaurier als Faultier

So weiß man heute, dass Megatherium americanum über drei Meter groß und bis zu sechs Meter lang war. Das Riesenfaultier besaß zudem mächtige Krallen an Händen und Füßen und ähnelte eher einem Dinosaurier aus der Kreidezeit als den heute lebenden Faultieren, die in den Baumkronen der tropischen Regenwälder Mittel- und Südamerikas leben. Datierungen der Knochen mit der Radiocarbon-Methode ergaben zudem, dass Megatherium americanum etwa von 1,8 Millionen Jahren vor heute bis etwa zum Ende der letzten Eiszeit viele Regionen Südamerikas bewohnte.

So schwer wie fünf Smart-Autos

Ebenso gewaltig wie die Statur des Riesenfaultieres war auch das Gewicht des Urzeitkolosses. Bis zu vier Tonnen brachten sie nach Schätzungen von Paläontologen auf die Waage. Sie waren damit fast so schwer wie ein Afrikanischer Elefant oder fünf Smart-Pkw.

Dieter Lohmann
Stand: 10.02.2012

Megatherium americanum beherrschte den aufrechten Gang

Leben auf zwei Beinen

Hoffmann-Zweifingerfaultier © Julia Kerschbaum / GFDL

Ihr Leben steht auf dem Kopf: Langsam, aber traumwandlerisch sicher hangeln sich alle sechs heute lebenden Arten von Faultieren kopfüber nach unten hängend durch die Baumkronen der Tropischen Regenwälder. Dies konnten Megatherium americanum und andere Riesenfaultiere nicht: Sie waren viel zu schwer, um sich längere Zeit in Bäumen aufhalten zu können.

Stattdessen hatten sie sich im Laufe der Evolution erstaunlich gut an ein Leben auf dem Boden angepasst. So bewegte sich etwa Megatherium americanum nicht im Vierfüßler-Gang vorwärts, sondern richtete sich häufig auf die Hinterbeine auf und konnte offenbar längere Strecken aufrecht gehen. Indizien für diese Fortbewegungsart haben Wissenschaftler zumindest im Jahr 1987 nahe dem kleine Ort Pehuen-Có an der Atlantikküste Argentiniens gefunden.

Prähistorische Fußspuren in Pehuen-Có © MoMiA07 / gemeinfrei

Verräterische Fußspuren

Neben vielen anderen fossilen Fußspuren entdeckten sie dort auch Abdrücke, die höchstwahrscheinlich von Megatherium americanum stammen. „Jeder Fußabdruck ist fast einen Meter lang“, beschreibt die Wissenschaftlerin Teresa Manera von der Universidad Nacional del Sur in Bahía Blanca in der Zeitschrift „Geo“ die enormen Ausmaße der Funde. Im Gestein erhalten geblieben sind jedoch fast nur Relikte von den Hinterbeinen, die Hände kamen den Forschern zufolge nur hin und wieder sporadisch zur Unterstützung zum Einsatz.

Die wertvollen 12.000 Jahre alten Fossilien bestätigen damit eine lange Zeit als abstrus geltende Theorie zum zweibeinigen Gang der Riesenfaultiere, die der österreichische Paläontologe Othenio Abel bereits im Jahr 1912 aufgestellt hatte.

Langsamer als ein Jogger

Besonders schnell kam das Riesenfaultier auf diese Art und Weise wohl nicht vorwärts. Dies ergaben im Jahr 2003 Berechnungen von Wissenschaftlern anhand der vorliegenden Daten zur Anatomie der Urzeitwesen. Ein zügiger menschlicher Wanderer oder Jogger hätte Megatherium – das Faultier erreichte maximal eine Geschwindigkeit von vier Kilometer pro Stunde – wohl locker überholt und abgehängt.

Fleischfresser oder Vegetarier?

Lange Zeit unter Wissenschaftlern umstritten war auch die Ernährungsweise des Riesenfaultiers. Zwar hielten es die meisten für einen reinen Pflanzenfresser, der auf den Hinterbeinen stehend mit seinen Krallen nach Ästen fischte, um sie anschließend abzuweiden.

Einige Forscher widersprachen dieser Theorie jedoch vehement und vertraten eine komplett gegenteilige Ansicht. So gingen Richard Fariña und Ernesto Blanco von der Universidad de la República in Montevideo davon aus, dass Megatherium seine Krallen nicht für das Sammeln von vegetarischer Kost oder als Abwehrwaffe nutzte, sondern um aktiv Beute zu machen. Potenzielle Opfer waren ihrer Ansicht nach sogenannte Glyptodonten, längst ausgestorbene riesige Verwandte der heutigen Gürteltiere.

Die Wissenschaftler gründeten ihre Theorie auf eine Untersuchung des sogenannten Olecranons. Dabei handelt es sich um den Teil der Elle, an dem die Sehne des Oberarmmuskels – Musculus triceps brachii – ansetzt. Die Vermessung des Olecranons ergab, dass dieser bei Megatherium erstaunlich klein war. Je kürzer dieser Knochenteil ist, desto schneller kann sich jedoch der Arm bewegen – eine Fähigkeit die typischerweise Räubern zugeschrieben wird.

Fariña und Blanco vermuteten deshalb, dass das Riesenfaultier die bis zu 1.400 Kilogramm wiegenden Glyptodonten zunächst mit seiner Körperkraft umwarf. Anschließend stieß es seinen Opfern die Klauen in den weichen Unterbrauch, um sie zu töten.

Zähne widerlegen Raubtier-Hypothese

Heute jedoch gilt diese Raubtier-Hypothese als widerlegt. Wichtige Beweise dafür brachte eine detaillierte Analyse von fossilen Megatherium-Zähnen. „Die Kanten sind […] nicht scharf genug, um Fleisch zu zerschneiden. Deswegen ist es unwahrscheinlich, dass Megatherium auf Fleischnahrung spezialisiert war“, fassen Wighart von Koenigswald vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn und Simone Hoffmann von der Stony Brook University in New York die Ergebnisse zusammen.

Die Riesenfaultiere selbst hatten nach Ansicht von Wissenschaftlern aufgrund ihrer Größe und der gefährlichen Krallen kaum Fressfeinde zu fürchten. Lediglich vor Säbelzahnkatzen oder Urzeit-Hunden mussten sie sich in Acht nehmen.

Dieter Lohmann
Stand: 10.02.2012

Eremotherium eomigrans

Ein Koloss der besonderen Art

Eremotherium © Postdlf / GFDL

So imposant Megatherium americanum auch war, es gab im Laufe der Erdgeschichte vermutlich ein Riesenfaultier, das selbst diesen Koloss noch um einiges übertraf. Entdeckt wurden die ersten fossilen Überreste von Eremotherium eomigrans – so der wissenschaftliche Name des Tieres – von Geologen der Universität von Florida (UF) bereits im Jahr 1986. Nach und nach kamen im Kalkstein der Haile Steinbrüche im Norden des US-Bundesstaats Knochen dann sogar mehr als zwölf Skelette zum Vorschein.

Erst 14 Jahre später stellte sich jedoch heraus, dass diese zu einer bis dahin unbekannten Riesenfaultierart gehörten. Nach Angaben der Wissenschaftler um David Webb lebte die prähistorische Kreatur vor rund 2,2 Millionen Jahren und erreichte erstaunliche Ausmaße: Eremotherium eomigrans wog erstaunliche fünf Tonnen und reichte über fünf Meter in die Höhe. „Das ist ein riesiges, wundervolles Tier, das keinem der heute lebenden gleicht und dessen gewaltige Größe fast an einen Dinosaurier erinnert“, fasst Webb die Ergebnisse der Studie zusammen.

Fossiler Eremotherium-Schädel © User:Postdlf / GFDL

Mehr Finger und mehr Krallen

Die Art zeichnete sich den Paläontologen zufolge aber noch durch eine andere Besonderheit aus: Sie war erstaunlich primitiv. Die Forscher schließen dies aus den Hand- und Fußskeletten der Tiere. Als evolutionär fortschrittlich gilt dabei eine Reduktion der Finger- und Krallenzahl. Eremotherium eomigrans jedoch besaß statt vier Fingern mit insgesamt zwei oder drei Klauen wie viele andere ausgestorbene Riesenfaultiere, noch fünf Finger mit vier Klauen. Die größte davon war über 30 Zentimeter lang.

Die Wissenschaftler gehen davon aus Eremotherium eomigrans zu den ersten Arten gehörte, die vor rund drei bis vier Millionen Jahren die neu gebildete Landbrücke zwischen den Amerikas, den Isthmus von Panama, nach Norden überquerten. Von ihrer ursprünglichen Heimat in Südamerika gelangten die Tiere so auch in das Gebiet des heutigen „Sunshine State“. „Vor der Eiszeit trampelten die trägen Pflanzenfresser wie Elefanten-Herden durch Florida“, beschreibt Webb das eigentümliche Urzeit-Szenario vor Ort. Mit seinen furchteinflößenden Krallen schnitt Eremotherium eomigrans vermutlich Blätter von den Ästen und umschlang sie dann mit der Zunge um sie zu verspeisen.

Nur eines von vielen Riesenfaultieren: Megatherium © &

Eremotherium eomigrans und Megatherium americanum sind in der Stammesgeschichte der Riesenfaultiere aber längst nicht die einzigen bekannten Arten. Paläontologen haben mittlerweile Fossilien von mehr als 80 Spezies in drei Tierfamilien identifiziert, die allesamt in der „neuen Welt“ zuhause waren.

Ein 17 Millionen Jahre altes „Mini-Riesenfaultier“

Gelegentlich gibt es noch immer aufsehenerregende Neuentdeckungen innerhalb der Vettern und Kusinen von Eremotherium und Megatherium. Dies hat zuletzt ein internationales Paläontologenteam um François Pujos, Gerardo De Iuliis und Bernardino Quispe gezeigt. Im September 2011 stellten die Wissenschaftler im „Journal of Vertebrate Paleontology“ ihren neuesten Fund vor: „Hiskatherium saintandrei“.

Dieses ausgestorbene Faultier wurde in 17 Millionen alten Gesteinsschichten in Bolivien ausgegraben, war allerdings deutlich kleiner als seine mächtigen Verwandten. Das schließen die Forscher aus einem Unterkieferfragment – dem einzig erhaltenen Überbleibsel des Urtieres. Der komplette Unterkiefer des Pflanzenfressers hätte problemlos in eine menschliche Hand passen, vermuten die Wissenschaftler.

Eine ebenfalls erhaltene Zahnreihe deutet daraufhin, dass Hiskatherium in der Lage war, selbst derbe Nahrung zu verarbeiten. Das Faultier könnte jedoch auch ein ziemlich wählerischer Esser gewesen sein und saftige Blätter bevorzugt haben. Genaueres über das Leben und das Aussehen von Hiskatherium saintandrei können die Paläontologen erst auf der Basis weiterer, umfangreicher Fossilfunde sagen – wenn es diese denn geben wird.

Dieter Lohmann
Stand: 10.02.2012

Gibt es noch lebende Riesenfaultiere?

Der Traum der Kryptozoologen

Mount Rushmore National Memorial: Thomas Jefferson (zweiter von links), George Washington (ganz links), Theodore Roosevelt (zweiter von rechts) und Abraham Lincoln (ganz rechts) © National Park Service Image Gallery / gemeinfrei

Er war Sklavenhalter, einer der wichtigsten Autoren der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Vater der Universität von Virginia: Thomas Jefferson (1743-1826) gilt bis heute als einer der bedeutendsten Präsidenten der USA. Sein aus dem Granit gehauener Kopf ist deshalb auch Teil des Mount Rushmore National Memorials in den Black Hills South Dakotas.

Ein Präsident als Namensgeber

Aber Thomas Jefferson war nicht nur ein erfolgreicher Politiker, sondern auch ein Universalgelehrter. Neben der Archäologie gehörten die Natur- und Gesellschaftswissenschaften und speziell Fossilien zu seinen Steckenpferden. Die Art, die ihm besonders am Herzen lag und mit der er sich lange Zeit ausführlich beschäftigte, war Megalonyx.

Dabei handelt es sich um ein Bison-großes Faultier, das bis vor 11.000 Jahren in vielen Teilen Nordamerikas zu finden war und dabei vermutlich sogar bis nach Alaska vordrang. Jefferson beschäftigte sich unter anderem mit Fossilien des Tieres, die im Jahr 1796 in einer Höhle im heutigen US-Bundesstaat West Virginia gefunden wurden. Er hielt sie aber fälschlicherweise für die Relikte eines Urlöwens, über den er sich mit Forscherkollegen ausführlich auseinandersetzte. Zu seinen Ehren wurde die Art deshalb schließlich sogar Megalonyx jeffersonii genannt.

Sah so Megalonyx jeffersonii aus? © Billwhittaker / gemeinfrei

Der Urvater der Kryptozoologen

In seiner Zeit als Präsident erwies sich Jefferson dann als eine Art Pionier der Kryptozoologie. Dieser umstrittene Forschungsschwerpunkt fahndet nach Fabelwesen und anderen Tieren, die niemand zuvor nachweisen konnte. Es geht aber auch darum, Tierarten (wieder) zu entdecken, die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft als ausgestorben gelten.

Jefferson selbst hegte Zeit seines Lebens den Verdacht, dass Megalonyx jeffersonii vielleicht doch überdauert haben könnte – und irgendwo in Nordamerika Wälder und Parklandschaften durchstreift. „Meine liebste historische Begebenheit ist diejenige, in der Jefferson Meriwether Lewis von der Lewis und Clark Expedition instruierte nach Megalonyx Ausschau zu halten. Er hoffte, dass sie vielleicht einige davon lebend im Westen Amerikas finden würden“, sagt David Webb, Paläontologe an der Universität von Florida.

Die von Lewis und William Clark geleitete Forschungsreise bereitete zwischen 1804 und 1806 von Saint Charles im heutigen Bundesstaat Missouri aus die spätere Erweiterung der Vereinigten Staaten bis zum Pazifik vor. Die Expeditions-Teilnehmer untersuchten unter anderem die Ureinwohner, aber auch die Geologie und die Tier- und Pflanzenwelt des bis dahin weitgehend unerforschten Gebietes. Auf ein lebendes Exemplar von Megalonyx jeffersonii stießen sie dabei allerdings nicht.

Thomas Jefferson © Rembrandt Peale (1800) / White House Historical Association (gemeinfrei / historisch)

Mapinguari als Riesenfaultier-Kandidat

Doch Jeffersons Fehlschlag hielt moderne Kryptozoologen wie den US-Amerikaner David Oren oder den Brasilianer Ilton DaSilva nicht davon ab, ebenfalls nach längst ausgestorbenen Faultieren zu suchen. Die Abenteurer und Forscher hatten schnell sogar einen Kandidaten im Visier. Ihrer Meinung nach könnte es sich bei dem mythischen Ungeheuer Mapinguari der Cario-Indianer im Amazonasgebiet in Wahrheit um ein Riesenfaultier der Gattung Megatherium oder Mylodon handeln.

Der Legende nach zieht die zyklopenähnliche Kreatur mit langen Armen und Krallen, einem zweiten Maul am Bauch und einem krummen Rücken laut röhrend durch den Regenwald. Ein hochwirksames Drüsensekret soll zudem angeblich dafür sorgen, dass der Mapinguari im Verteidigungsfall einen bestialischen Gestank absondert.

Vergebliche Spurensuche im tropischen Regenwald

„Für mich ist es völlig klar, dass die Legende des Mapinguari auf einem menschlichen Kontakt mit den letzten Riesenfaultieren beruht“, so Oren. „Wir wissen, dass ausgestorbene Arten als Legenden Jahrhunderte überleben können.” Aber ob solche Tiere noch immer existieren, sei eine andere Frage. Er habe mit vielen Menschen gesprochen, die behaupteten, den Mapinguari in abgelegenen Regionen des Amazonas gesehen zu haben. Eine Handvoll davon gab an, sogar direkten Kontakt mit dem pflanzenfressenden Ungeheuer gehabt zu haben.

Doch trotz einiger Expeditionen in den tropischen Regenwald gelang es auch Oren und anderen Kryptozoologen bislang nicht, dem Mapinguari respektive dem dahinter vermuteten Riesenfaultier auf die Spur zu kommen.

Dieter Lohmann
Stand: 10.02.2012

Wie starben die Riesenfaultiere aus?

Fressfeind Mensch

Smilodon - Das Kalifornische Staatsfossil © California State Archives / gemeinfrei

Rund 500 Millionen Tierarten sind im Laufe der Erdgeschichte nach Schätzungen von Wissenschaftlern bereits ausgestorben. Neben dem fortwährenden, schleichenden Verschwinden einzelner Spezies gab es immer wieder Perioden in der Erdgeschichte, in denen unzählige Arten nahezu zeitgleich „k.o.“ gingen.

Dramatische Aussterbewelle

So fielen am Ende der letzten Eiszeit unter anderem Großtiere wie Mammuts, Wollnashörner, Säbelzahnkatzen oder Höhlenlöwen einem solchen Massenaussterben zum Opfer. Von einem plötzlichen Zusammenbruch ihrer Populationen betroffen waren damals auch rund 90 Prozent der existierenden Riesenfaultierarten. Megatherium americanum gehörte genauso dazu, wie Mylodon domesticum, Eremotherium laurillardi oder Megalonyx jeffersonii.

„Es war genauso dramatisch wie der Untergang der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren“, bewertet der Paläontologe und Riesenfaultier-Experte David Steadman von der Universität Florida die Situation vor rund 10.000 Jahren.

Megatherium americanum © LadyofHats / gemeinfrei

Gründe für das Aus

Doch was waren die Gründe für das Aus der Arten, die zuvor zum Teil Millionen von Jahren auf der Erde schadlos überstanden hatten? Darüber streiten Wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten heftig. Der Klimawandel und damit eine deutliche Erwärmung nach Ende der Eiszeit waren schuld, sagen die einen. Die Tiere konnten sich demnach nicht schnell genug an die sich wandelnden Umweltbedingungen anpassen und gingen etwa an Nahrungsmangel zugrunde. Andere Forscher gehen davon aus, dass vom Menschen eingeschleppte Infektionskrankheiten unzählige Opfer unter den Großsäugern forderten und so entscheidend zum Massenaussterben beitrugen.

Und dann gibt es noch Wissenschaftler, die einen anderen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung unserer Vorfahren und dem Verschwinden der so genannten Megafauna sehen: die Jagd. Die Anhänger dieser so genannten „Overkill-Hypothese“ vermuten, dass Menschen im großen Stil die willkommene Fleischbeute erlegten und dadurch in rasantem Tempo viele Arten ausrotteten.

Faktor Mensch

Dass zumindest für die Riesenfaultiere Amerikas die Bejagungstheorie als wichtigster Auslöschungsgrund in Frage kommen könnte, haben Biologen um Steadman im Jahr 2005 gezeigt. In ihrer Studie datierten sie mithilfe der Radiocarbon-Methode die versteinerten Knochen und den fossilen Kot von ausgestorbenen bodenlebenden Faultieren auf dem amerikanischen Festland und den Inseln Kuba und Hispaniola neu.

Es stellte sich dabei heraus, dass Riesenfaultierarten wie Megalonyx jeffersoni oder Eremotherium laurillardi in Nordamerika bereits vor rund 11.000 Jahren ausstarben, ihre Verwandten in Südamerika ereilte das gleiche Schicksal erst 500 Jahre später. Die Faultiere auf den Westindischen Inseln überlebten dagegen erstaunlicherweise sogar bis vor 4.400 Jahren, so die Wissenschaftler.

Während der Klimawandel in Nordamerika beim Artensterben eine Rolle gespielt haben könnte, war dies auf Kuba und Hispaniola definitiv nicht der Fall. Dort gab es nach Angaben der Forscher vor 4.400 Jahren stabile Temperatur- und Umweltbedingungen. Viel eindeutiger war ein anderes Resultat: In allen untersuchten Regionen verschwanden die Riesenfaultiere jeweils kurz nachdem die Menschen dort ankamen, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

Weitere Indizien dafür, dass vermutlich Großwildjäger schuld an der Ausrottung der Faultiere waren, lieferte die Analyse des fossilen Dungs. Danach fraßen die Tiere damals bereits Pflanzen, die heute noch existieren. Veränderungen in der Vegetation – und damit Nahrungsmangel – als Auslöschungsfaktor, seien damit vom Tisch, so Steadman und seine Kollegen. Die langsamen Tiere hätten einfach keine Erfahrung mit menschlichen Feinden gehabt und seien damit eine leichte Beute für die prähistorischen Jäger gewesen.

Dreifinger-Faultier © Stefan Laube (Tauchgurke) / gemeinfrei

Heutige Faultiere vor dem Aus?

Zumindest eine Frage bleibt jedoch noch offen: Warum überlebten die heute noch existierenden baumlebenden Faultiere damals die Verfolgung durch den Menschen? Perfekte Tarnung, sagen Forscher. Denn im feucht-warmen Pelz der Tiere haben sich gleich mehrere Arten blaugrüner Algen eingenistet. Sie verleihen dem Fell einen grünlichen Schimmer, der dafür sorgt, dass die Faultiere in den Baumkronen kaum auffallen. Da sie zudem viel schlafen und sich in den Wachphasen nur sehr langsam fortbewegen, war und ist das Risiko entdeckt zu werden ziemlich gering.

Trotzdem sind auch die modernen Faultiere in Gefahr, denn vor allem die fortschreitende Lebensraumzerstörung bedroht ihre Zukunft auf der Erde. Da ihr Fleisch als ziemlich schmackhaft gilt, werden die Faultiere zudem auch heute noch regelmäßig von den Regenwaldbewohnern getötet und landen im Kochtopf.

Dieter Lohmann
Stand: 10.02.2012