Tierpathologe Dr. David E. Green bei der Arbeit © Allison Klein / U.S. Geological Survey
Während die Untersuchungen zum Vogelsterben im US-Bundesstaat Arkansas noch in vollem Gange sind, tauchen Anfang Januar 2011 immer mehr Meldungen über ähnliche Vorkommnisse aus anderen Regionen auf. Erstaunlicherweise fast zum gleichen Zeitpunkt wie in Beebe sind wieder die USA, aber dieses Mal auch Europa betroffen.
Das Sterben geht weiter
So werden beispielsweise nahe der Großstadt Baton Rouge im US-Bundesstaat Louisiana am 3. Januar fast 500 Stare, Sperlinge und erneut Rotschulterstärlinge tot aufgefunden. 30 bis 40 von ihnen liegen ein paar Meter abseits des Louisiana Highway 1, der große Rest befindet sich nur wenige hundert Meter entfernt ebenfalls neben oder auf der viel befahrenen Straße.
Turteltaube © Fringilla / gemeinfrei
Nicht ganz so viele Opfer fordert dagegen am 4. beziehungsweise 5. Januar ein ähnlicher Vorfall in der kleinen südschwedischen Stadt Falköping. Etwa 150 Kilometer nordöstlich von Göteborg entdecken Autofahrer rund 100 verendete Dohlen.
Doch auch damit nicht genug. Wenige Tage später stoßen Mitarbeiter des WWF und des staatlichen Forstamtes in der norditalienischen Stadt Faenza auf insgesamt 700 tote oder fast tote Turteltauben. Die Tiere hängen Augenzeugenberichten zufolge wie Weihnachtskugeln an den Bäumen oder liegen in Massen in den Blumenbeeten beziehungsweise auf den Straßen.
„Bird-pocalypse“?
Diese Flut an Massensterben in der Vogelwelt sorgt nicht nur für einen Hype in den Medien, sie ruft auch Verschwörungs- und Weltuntergangsanhänger auf den Plan. Da die überall eingeleiteten Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind und es deshalb zunächst keine schlüssigen Erklärungen gibt, tauchen schnell die kuriosesten und abstrusesten Theorien zum Vogelsterben auf.
So werden unter anderem Aliens und Ufos, aber auch Gase aus der nahegelegen New Madrid-Verwerfung oder sogar ein Giftangriff der Regierung auf den Ort für die Ereignisse in Beebe verantwortlich gemacht. Selbst das ansonsten so angesehene amerikanische Nachrichtenmagazin „Time“ lässt sich von der Sensationsberichterstattung anstecken und spricht in seiner Online-Ausgabe in Zusammenhang mit den angeblich so mysteriösen Vogeltodesfällen von einer „Bird-pocalypse“.
Tote Vögel ohne Ende © SXC
Mysteriös oder leicht erklärbar?
Aussagen von einigen Experten tragen entscheidend zur immer stärker werdenden öffentlichen Diskussion und zum Rätselraten über die Massensterben bei. So kommentierte beispielsweise Christa Glauser, stellvertretende Geschäftsführerin des Schweizer Vogelschutzes (SVS) in der Basler Zeitung die Vorfälle in Beebe so: „Ich kann mich nicht an ein vergleichbares Massensterben erinnern.“
Doch ist die Situation zu Beginn des Jahres 2011 wirklich so ungewöhnlich wie oftmals behauptet wird? Und gibt es zwischen den Ereignissen tatsächlich einen Zusammenhang? Offenbar nein, darauf deuten zumindest die bisher vorliegenden Ergebnisse der Wissenschaftler und Behörden hin. So ist der Turteltaubentod in Italien höchstwahrscheinlich auf ein so genanntes Paramyxovirus oder auf Vergiftungen zurückzuführen.
Stromleitung als Verursacher
Und in Louisiana sind die Tiere nach Angaben des staatlichen Veterinärs Jim LaCour gegen eine Stromleitung geflogen, die sich in unmittelbarer Nähe zum Louisiana Highway 1 befindet. Dafür sprechen laut LaCour unter anderem schwere Verletzungen an Kopf, Schnabel oder Nacken, die er bei vielen der toten Tiere identifiziert hat.
Dan Cristol, Biologieprofessor vom Institute for Integrative Bird Behavior Studies at the College of William & Mary in Williamsburg, Virginia, ist sich sicher, dass die Tiere zuvor entweder krank waren. Oder sie wurden von ihrem Schlafplatz aufgescheucht, bevor sie mit dem Hindernis kollidierten. „Sie prallen nicht einfach auf eine Stromleitung ohne Grund“, so Cristol.
Dieter Lohmann
Stand: 14.01.2011