Eiszeitbestien oder Schmusekätzchen?

Säbelzahnkatzen

Eine Gruppe von Säbelzahnkatzen der Art Smilodon fatalis - Rekonstruierte Szene aus dem Pleistozän in Nordamerika © Mauricio Antón / UCLA

Sie gelten als wilde, furchterregende Bestien, ihr Markenzeichen waren die überdimensionalen Eckzähne. Zusammen mit Mammuts, Wollnashörnern und Riesenhirschen machten sie die Eiszeitlandschaften unsicher: Säbelzahnkatzen gehören zu den ungewöhnlichsten und rätselhaftesten Tieren, die je auf der Erde gelebt haben.

Kein Wunder, dass man sie längst wieder zu neuem Leben erweckt hat. Aber nicht etwa mithilfe von uralter DNA und moderner Klontechnik, sondern am Set und in den Studios der amerikanischen Animationsfilmer. Zusammen mit dem Mammut Manni und dem Faultier Sid zieht die Säbelzahnkatze Diego als urzeitliche „Patchwork-Familie“ durch die Spielfilme der Ice Age-Serie und erlebt dabei viele spannende Abenteuer.

Doch was an dem auf der Leinwand durchaus liebenswerten Diego ist Fiktion und was ist Realität? Wie lebten die Eiszeitjäger wirklich? Was hat es mit den monströsen Eckzähnen auf sich? Und warum gibt es eigentlich keine Säbelzahn“tiger“ sondern nur Säbelzahnkatzen?

Auf diese und viele andere Fragen hatten Wissenschaftler lange Zeit keine schlüssige Antwort parat. Doch mithilfe uralter Knochen, ungewöhnlichen Methoden und moderner Technik kommen sie allmählich den Geheimnissen der größten Raubkatzen aller Zeiten auf die Spur.

Dieter Lohmann
Stand: 07.08.2009

Fischer „angeln“ fossile Knochen

Eiszeitjäger in Nordseeland

Nordsee aus dem All © Jacques Descloitres / MODIS / NASA / GSFC

Die Nordsee am 16. März 2000. Der niederländische Fischkutter UK 33 zieht auf halbem Weg zwischen England und den Niederlanden langsam seine Kreise. Plattfische wie Schollen oder Seezungen wollen die Männer an Bord fangen. Je mehr desto besser. Mit besonderen Schleppnetzen – so genannten Baumkurren – schaben sie dazu den Meeresboden ab und versuchen so, die im Sand vergrabenen Tiere aufzuscheuchen.

Doch als die Fischer dieses Mal südwestlich der Braunen Bank ihr Netz einholen, erwartet sie eine wissenschaftliche Sensation – sie wissen es nur noch nicht. Denn zwischen den vielen Plattfischen hat sich auch ein ungewöhnlicher Knochen in der Baumkurre verfangen. Über einige Umwege gelangt er schließlich zu den Paläontologen um Professor Jelle W.F. Reumer und Dick Mol vom Naturhistorischen Museum Rotterdam.

Jüngster Fund Europas

Radiokarbon-Datierungen und andere Untersuchungen ergeben schließlich, dass der Knochen rund 28.000 Jahre alt ist und damit aus der Zeit stammt, in der Nordsee während der letzten Eiszeit trockenen Fußes begehbar war. Dieses „Nordseeland“ bevölkerten damals Tiere wie Mammuts, Wollnashörner oder Riesenhirsche. Doch von diesen Tieren stammte der Knochen nicht, das war klar – sondern von der Säbelzahnkatze Homotherium latidens.

„Als wir einen Unterkieferast von einer Säbelzahnkatze in der Nordsee entdeckt haben und feststellten, dass es sich um die Gattung Homotherium aus dem Spätpleistozän handelt, war die Hölle los. Keiner hatte gedacht, dass die Säbelzahnkatzen in Nordwest-Europa noch so lange vorkamen. Jetzt ist das weltweit akzeptiert“, sagt Mol im Interview-Weblog von Doris und Ernst Probst. Bis dahin stammte der jüngste aus Europa bekannte Fund aus einer Zeit vor rund 300.000 Jahren.

Schädel von Homotherium crenatidens © gemeinfrei

Noch mehr Relikte aus der Urzeit

Doch dieser uralte Knochen ist mittlerweile nicht mehr das einzige Relikt einer Säbelzahnkatze, das in der Nordsee gefunden worden ist. Vor der Küste Ostenglands ging Fischern im August 2008 ein Teil eines Oberarmknochens von Homotherium crenatidens ins Netz. Es handelt sich dabei um den nördlichsten Fund dieser Spezies überhaupt. Das Fossil war bedeckt mit Kolonien von winzigen korallen-ähnlichen Organismen, so genannten Moostierchen oder Bryozoen.

Analysen ergaben hier, dass der Knochen rund 850.000 Jahre alt ist. Wie Mol vermutet, stammt der Fund von einem riesigen männlichen Tier, das möglicherweise über 400 Kilogramm schwer war. Der Forscher geht davon aus, dass Homotherium crenatidens in kurzen Intermezzos zwischen den Vereisungen hier in Nordwesteuropa existiert haben könnte.

Serengeti im Hinterhof

„Die Katze lebte möglicherweise in den Wäldern, die an die damaligen Flüsse grenzten“, so Mol in einem Interview mit der BBC. Sie war zusammen mit dem Südlichen Mammut und Riesenhirschen an einen Savannen ähnlichen Lebensraum angepasst, der reichlich Beute bot. „Es war wie eine Serengeti – aber in unserem Hinterhof“, so Mol.

Doch die identifizierten Homotherium-Arten waren längst nicht die einzigen Säbelzahnkatzen, die in den letzten 15 Millionen Jahren auf der Erde lebten – ganz im Gegenteil…


Stand: 07.08.2009

Die Verwandtschaftsverhältnisse von Smilodon und Co.

Tiger oder Katze?

Out-of-Africa, dies gilt offenbar nicht nur für den modernen Menschen, sondern auch für Säbelzahnkatzen. Denn die ersten Vertreter dieser vor rund 10.000 Jahren ausgestorbenen Tiere lebten vermutlich ebenfalls in Afrika, aber auch in der Türkei. An der Basis der Säbelzahnkatzen-Evolution steht nach Ansicht vieler Forscher Pseudaelurus quadridentatus, ein Katzen-Urahn, der erstmals durch einen Trend zur Entwicklung verlängerter Eckzähne im Oberkiefer auffiel.

Verschiedene Spielarten

Innerhalb der Gruppe der Säbelzahnkatzen entwickelten sich später dann zwei unterschiedliche Spielarten. „In der englischen Sprache unterscheidet man zwei Formen von Säbelzahnkatzen: nämlich Scimitar Cat (Krummsäbelzahn) und Dirktoothed Cat (Dolchzahn), je nach den spezifischen Eigenschaften der oberen Eckzähne“, erklärt Kees van Hooijdonk, niederländischer Experte für fossile Säugetiere aus dem Eiszeitalter.

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Und weiter: „Säbelzahnkatzen des Stammes Homotheriini gehören zu den Scimitar Cats, weil die oberen Eckzähne einem Krummsäbel (Scimitar) gleichen. Diese Eckzähne sind stark gebogen, breit und sehr abgeflacht, mit feiner Zähnelung an den Schnittflächen. Säbelzahnkatzen des Stammes Smilodontini gehören zu den Dirktoothed Cats.“

Insgesamt gab es nach gegenwärtigem Stand der Forschung neun unterschiedliche Gattungen von Säbelzahnkatzen – Homotherium, Machairodus, Xenosmilus, Lokontailurus, Miomachairodus, Hemimachairodus, Paramachairodus, Megantereon, Smilodon – und ein Vielfaches an Arten.

Die größte Raubkatze aller Zeiten

Als Paradebeispiel für die Säbelzahnkatzen gelten seit langem die Smilodons, die mit drei Arten in Nord- und Südamerika zuhause waren. Besonders imposant kam Smilodon populator daher, der bis zu 1,20 Meter hoch und 400 Kilogramm schwer wurde. Die größte Raubkatze, die die Erde je bevölkert hat, hatte auch die längsten Eckzähne aller Säbelzahnkatzen. 25 Zentimeter und mehr waren nach den Ergebnissen von Forschern bei ihr keine Seltenheit.

Smilodon populator kaum nach stand allerdings Smilodon fatalis, das natürliche Vorbild für den „Diego“ in den Ice Age-Filmen, der vor allem in Nordamerika die Steppenlandschaften durchstreifte. Viele andere Säbelzahnkatzen konnten da nicht mithalten, sowohl was das Gewicht betraf – manche wogen nur 50 bis 70 Kilogramm – als auch hinsichtlich der Größe der Eckzähne.

Sibirischer Tiger © IMSI MasterClips

Eher Hyäne als Tiger

Doch warum heißen die Symboltiere der Eiszeiten eigentlich Säbelzahnkatzen und nicht „-tiger“, wie man es häufig hört oder liest. Nun, zum Einen sind Smilodon & Co nicht direkt mit dem heutigen Tiger verwandt und gehören deshalb auch einer anderen Unterfamilie der Katzen an. Zum Anderen sahen sie in vielerlei Hinsicht völlig anders aus und zeigten auch ziemlich abweichende Verhaltensweisen.

So waren Säbelzahnkatzen beispielsweise Großmäuler: Um ihr Gebiss beim Beute machen effektiv einsetzen zu können, mussten sie aufgrund ihrer monströsen Eckzähne das Maul ungewöhnlich weit aufreißen – bis zu einem Winkel von rund 95° zwischen Ober- und Unterkiefer. Zum Vergleich: Die „modernen“ Katzen wie Tiger schaffen gerade mal 65°.

Hinzu kommt, dass die meisten Arten der Säbelzahnkatzen deutlich längere Vorder- als Hinterbeine besaßen und deshalb von der Körperstatur verblüffend Hyänen glichen. Außergewöhnlich waren zudem die kurzen Stummelschwänzchen der eiszeitlichen Raubtiere.


Stand: 07.08.2009

Wichtige Fossilienfundstellen

Säbelzahnkatzen machten auch Deutschland unsicher

Asphaltgrube im Herzen von Los Angeles © gemeinfrei

Obwohl Überreste von Säbelzahnkatzen mittlerweile auf allen Kontinenten außer Australien und der Antarktis gefunden worden sind, gelten mindestens zwei Orte als besonders wichtige Anlaufstelle für Paläontologen, die sich mit den „Ikonen“ der Eiszeit beschäftigen.

Smilodons in der Falle

Zum einen ist das Rancho La Brea inmitten der kalifornischen Großstadt Los Angeles. In den vielen mit natürlichem Asphalt gefüllten Gruben hat man mittlerweile über 160.000 Knochen von Säbelzahnkatzen entdeckt. Wissenschaftlern gehen davon aus, dass dort zwischen 40.000 und 10.000 Jahren vor heute mindestens 2.500 Tiere der Art Smilodon fatalis in den Teergruben versunken und für die Nachwelt konserviert worden sind. Kein Wunder, dass Smilodon schon vor Jahren zum Staatsfossil von Kalifornien ernannt worden ist.

Tiere in der Falle: Lebenswelt an der Asphaltgrube © gemeinfrei

Zusammen mit den Säbelzahnkatzen gingen damals Mammuts, Reptilien, aber auch Insekten und Pflanzen in die überdimensionale Falle. Und nicht zu vergessen auch das Riesenfaultier Paramylodon harlani, dem vermutlich der trottelige Sid in den Ice Age-Filmen nachempfunden wurde.

Homotherium in der Friesenhahn-Höhle

Die andere wichtige Fossilienfundstelle in Sachen Säbelzahnkatzen ist die Friesenhahn-Höhle in der Nähe von San Antonio im U.S. Bundesstaat Texas. Hier hat man die Überreste von 13 jungen und 20 erwachsenen Tieren von Homotherium gefunden – ebenfalls zusammen mit den Relikten von zahlreichen Mammuts. Dies legt aus Sicht der Forscher die Vermutung nahe, dass zumindest der Nachwuchs der Dickhäuter auf der Speisekarte der Säbelzahnkatzen ziemlich weit oben stand.

Auch Deutschland als Heimat

Auch in Deutschland waren Säbelzahnkatzen keine Seltenheit. Hier lebten etwa im Einzugsbereich des Ur-Rheins vor zehn Millionen Jahren gleich mehrere Arten der „Eiszeitbestien“. Dazu gehörten Machairodes aphanistus, Paramachairodus ogygius und Homotherium crenatidens. 600.000 Jahre alte fossile Knochen der Tiere wurden unter anderem in Mosbach Sanden bei Wiesbaden entdeckt. Sogar bis zu 8,5 Millionen Jahre alt oder mehr sind die versteinerten Relikte aus Eppelsheim und Dorn-Dürkheim in Rheinland-Pfalz.

Alle diese Funde haben Paläontologen weltweit einen entscheidenden Schritt weiter gebracht. Mittlerweile weiß man nicht nur eine ganze Menge über das Aussehen der Tiere, sondern auch über das Leben und die Verhaltensweisen der Säbelzahnkatzen.


Stand: 07.08.2009

Neues über die Beißkraft von Säbelzahnkatzen

Killer oder Weichei?

Säbelzahnkatzen kommen nach Ansicht vieler Menschen gleich nach dem Tyrannosaurus rex – zumindest wenn es um die gefährlichsten „Killermaschinen“ aller Zeiten geht. Aber stimmt dieser Mythos wirklich? Oder waren die Säbelzahnkatzen doch eher Schmusekätzchen, die zwar gefährlich aussahen, sich aber vor allem von Aas ernährten, wie manche Forscher vermuten?

Flinke Jäger

„Ich glaube, dass die Säbelzahnkatzen flinke Jäger waren, wie die heutige Katze. Das sieht man auch am Gebiss. Aber die Jagd auf Beutetiere erfordert sehr viel Energie und ich bin der Meinung, dass die Säbelzahnkatzen versuchten, anderen Raubtieren die Beute abzunehmen, wenn sich die Gelegenheit bot. Auch heute sieht man das bei manchen Raubtieren. In Zeiten der Knappheit könnten Säbelzahnkatzen auch Aas gefressen haben“, erklärt der niederländische Paläontologe Kees van Hooijdonk.

Schädel von Smilodon © Jan Marucha / GFDL

Imponieren, drohen oder töten?

Unklar war lange Zeit auch, wozu die bis zu 30 Zentimeter langen Eckzähne von Säbelzahnkatzen wie Smilodon im Kampf genau dienten. Hielten die Tiere damit nur ihre Beute fest? Oder wurden sie als dolchartige Waffen verwendet, die ihren Feinden tiefe Wunden zufügen konnten?

Manche Wissenschaftler gingen lange Zeit sogar davon aus, dass die monströsen Eckzähne weniger zum Beute machen, sondern eher zum Imponieren etwa bei der Partnersuche oder bei Drohgebärden gegenüber Artgenossen zum Einsatz kamen.

Löwen beißen besser

Doch welche der vielen Theorien und Spekulationen ist nun richtig? Wichtige Indizien für eine Antwort auf diese Frage haben vor kurzem australische und britische Wissenschaftler vorgelegt. Die Studie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) im Jahr 2007 hat den Ruf der Säbelzahnkatzen als gefährlichste Raubkatze aller Zeiten ziemlich ins Wanken gebracht.

Die Forscher um Steve Wroe von der University of New South Wales und Colin McHenry von der University of Newcastle verglichen in mehreren Computersimulationen die Beißkraft von heute lebenden Löwen und einer Smilodon-Säbelzahnkatze. Mit einem für Smilodon äußerst vernichtenden Ergebnis: „Im Gegensatz zu seinem Image hatte Smilodon einen weichen Biss”, sagt der Paläontologe Wroe. „Er biss zu wie eine Miezekatze.”

Kühler Genuss: Wie viel Bier darf es pro Woche bedenkenlos sein? © DAJ/ iStock.com

„Digitale Crash-Tests“

Offensichtlich wurde dies bei „digitalen Crash-Tests“, die die Wissenschaftler an den Schädeln der beiden Tierarten durchführten. Bei den meisten konnte die berüchtigte Säbelzahnkatze mit dem heutigen König der Tiere nicht einmal ansatzweise mithalten. So war der Kiefer des Smilodon in den Modellrechnungen beispielsweise völlig damit überfordert, ein stark zappelndes Opfer längere Zeit festzuhalten. Löwen können dies bei einem Todesbiss über 20 Minuten und mehr.

„Wenn Smilodon in eine Beute gebissen hätte, die wild um ihr Leben kämpfte – wie das Löwen tun – hätte er gefährliche Verletzungen und vielleicht sogar Schädel- oder Zahnbrüche riskiert“, erklärt Wroe. Das Todesurteil für einen mächtigen Räuber, der zum Überleben auf regelmäßigen und reichlichen Fleischnachschub angewiesen ist.


Stand: 07.08.2009

Säbelzahnkatzen waren Bestien

Tod auf einen Biss

Mehr Schein als Sein – dies gilt zwar für den Biss von Säbelzahnkatzen, aber noch längst nicht für das Tier als Ganzes. Denn auch wenn Smilodon dem heutigen Löwen von seiner Kieferkraft her deutlich unterlegen war, so blieb er doch „eine schreckliche Bestie“, wie Steve Wroe von der University of New South Wales konstatiert. „Denn was ihm beim Beißen fehlte, machte er in anderer Hinsicht mehr als wett.“

Smilodon - Das Kalifornische Staatsfossil © California State Archives / gemeinfrei

Perfekte Jagdstrategie

Wroe spielt damit auf die spezielle „Nahkampf-Methode“ an, die die Säbelzahnkatzen seiner Meinung nach bei der Jagd und beim Tötungsakt einsetzten. Wie der ablief, erklärt Wroes Kollege Colin McHenry von der University of Newcastle: „Die Säbelzahnkatzen besaßen einen enorm muskulösen und starken Körper, der perfekt dazu geeignet war große Beutetiere zu Boden zu ringen.“

Von den Forschern durchgeführte Computersimulationen legen nahe, dass er genau dies auch tun musste, bevor er einen gefährlichen Biss ansetzen konnte. „Der Tötungsakt richtete sich dann gegen den Hals der Beute, weil es einfacher ist sie auf diese Weise in Schach zu halten“, so McHenry. Wenn der Biss erst einmal die Luftröhre und die wichtigsten Schlagadern zerfetzt hatte, war das Schicksal von jungen Mammuts oder Riesenhirschen besiegelt.

Löwen sind die besseren Allrounder

Aufgrund dieser sehr ausgefeilten aber auch einseitigen Jagdstrategie bezeichnen die beiden Wissenschaftler Smilodon auch als „one-trip killing machine“ – als Raubtiere in einer Einbahnstraße. „Smilodon war völlig übermäßig ausgerüstet, um kleine Beute zu reißen, aber er war ein skrupelloser, effizienter Großwildjäger“, sagt Wroe. Ein Löwe sei dagegen ein weitaus besserer Allrounder was die Jagdstrategien angeht.

Nach Ansicht der Wissenschaftler ähneln Smilodon und andere Säbelzahnkatzen ohnehin mehr Bären als Katzen – zumindest was die Statur und einige andere Körpermerkmale betrifft. So waren seine mächtigen Vorderpranken mit gefährlichen Krallen besetzt, die wie eine Art Enterhaken fungierten. Sie erlaubten es Smilodon „selbst Bison-große Tiere relativ einfach zu packen und zu Boden zu ringen“, so Wroe.

Eckzähne als finale Waffe

Fazit: Die neuen Ergebnisse legen nahe, dass die riesigen Eckzähne der Säbelzahnkatzen weder als Eispickel eingesetzt wurden, um auf den Rücken der Beutetiere zu klettern, noch als Drohgebärde beim Sprungangriff auf mögliche Gegenspieler, sondern ausschließlich als finale Waffe, um einer längst besiegten Beute den Garaus zu machen.


Stand: 07.08.2009

Smilodons waren gemeinsam stark

Säbelzahnkatzen liebten Teamarbeit

Brokkoli © SXC

Tiger sind es. Jaguare und Pumas auch. Und der in Europa heimische Luchs und die Hauskatzen sowieso: Alle diese Tiere sind Einzelgänger und leben ihr Dasein über weite Strecken des Jahres allein. Nur zur Paarungszeit suchen sie den Kontakt zu ihren Artgenossen – meist nur für wenige Tage oder Wochen.

Ausnahmen von dieser Regel sind bei den Katzen relativ selten: Vor allem Löwen sind dafür bekannt in Rudeln zusammen zu leben und gemeinsam auf Jagd zu gehen oder in „Gangs“ die Gegend unsicher zu machen.

Hilfe oder Toleranz?

Doch wie war das bei den Säbelzahnkatzen? Gab es auch bei ihnen innerartliche Rudel oder strichen sie bis zu ihrem Aussterben vor rund 10.000 Jahren allein durch die Wälder und Steppen? Lange Zeit waren diese Fragen unter Wissenschaftlern heftig umstritten. Für die Gruppentheorie sprachen unter anderem zahlreiche Smilodon-Skelette, die in den kalifornischen Teergruben von Rancho La Brea gefunden wurden.

„Viele dieser Fossilien tragen Spuren einer Krankheit oder sogar Lahmheit, was belegt, dass es unwahrscheinlich ist, dass diese Tiere selbst aktiv gejagt haben. Dass Krankheiten oder Verletzungen verheilt sind, belegt, dass kranke oder verletzte Dolchzahnkatzen von ihrer Gruppe unterstützt oder dass sie beim Fressen an der Beute geduldet wurden“, erklärt der Niederländer Kees van Hooijdonk. Aber konkrete Beweise für diese Theorie gab es bis vor kurzem nicht.

Smilodons lebten und starben in Gruppen

Doch seit dem Jahr 2008 sehen Paläontologen und Biologen endlich klarer. Verantwortlich dafür sind Forscher um Blaire Van Valkenburgh, Professorin für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Universität von Kalifornien und Chris Carbone von der Zoologischen Gesellschaft London. Sie konnten zeigen: Zumindest Smilodons waren vermutlich tatsächlich soziale Tiere.

Statt fossiler Zähne und Knochen nutzten die Wissenschaftler eine ungewöhnliche neue Technik, um auf das Verhalten der Säbelzahnkatzen rückzuschließen. Sie verglichen die Daten von den uralten Fossilfunden in Rancho La Brea mit den Ergebnissen von neuen „Playback Experimenten“, die das Forscherteam extra für die Studie in Afrika durchführte.

Ungewöhnliche Soundexperimente

Bei letzteren simulierten sie zunächst das Eiszeitszenario an den Teerlöchern in der Savanne: Über Lautsprecher beschallten die Wissenschaftler die Landschaft mit den zuvor aufgenommenen Lauten von in Not geratenen und verendenden Tieren. Ergänzend dazu spielten sie aber auch das Brüllen von Löwen sowie die Geräusche von anderen Fleischfressern wie Hyänen ein. Ziel des Experiments war es herauszufinden, ob durch diesen ohrenbetäubenden Soundmix überproportional viele soziale Raubtiere angelockt werden. Und genau dies war nach Angaben der Forscher auch der Fall.

In einem zweiten Schritt wurden die ermittelten Zahlen dann mit den vorliegenden Fossiliendaten aus La Brea verglichen. Ergebnis: Es gab verblüffende Übereinstimmungen, was das Verhältnis von sozialen zu anderen Raubtieren betraf. Aber es passte nur unter einer Bedingung: Wenn man davon ausging, dass die Smilodons keine Einzelgänger waren, sondern in Gruppen auf Beutejagd gingen.

Säbelzahnkatzen praktizierten Teamarbeit – eine Rekonstruktion aus dem Pleistozän © Mauricio Antón / UCLA

Arbeitsteilung am Kadaver?

„Es macht absolut Sinn, dass soziale Arten an Kadavern überwiegen – heute und in der Vergangenheit“, so Van Valkenburgh. „Warum sollte man sich freiwillig einer Situation aussetzen, in der man wahrscheinlich auf gefährliche Konkurrenten trifft, ohne ein paar ‚Freunde‘ an seiner Seite zu haben?“

Den gleichen Gruppenvorteil hätten auch alle anderen Aasfresser einschließlich der frühen Menschen gehabt, so die Forscherin weiter. Letztere begannen, soweit man heute weiß, vor rund zwei Millionen Jahren mehr Fleisch zu essen, einiges davon stammte höchstwahrscheinlich von verendeten Lebewesen.

Mysterium enträtselt

Carbone ergänzt: „Die ausgestorbene Säbelzahnkatze Smilodon fatalis war ein einziges Mysterium, so gut wie nichts wusste man über ihr Verhalten. Unsere Forschung erlaubt es uns, aus dem Verhalten ihrer heute lebenden Verwandten zu schlussfolgern, dass die ausgestorbene Katze eher in beeindruckenden Banden herum streiften, als als geheimnisvolle Einzelwesen.“

Diese neue Erkenntnis haben die Macher der Ice Age-Filme offenbar unbewusst vorweg genommen. Denn auch die Säbelzahnkatze Diego ist zumindest im ersten Teil der Ice Age-Trilogie Teil eines Rudels, das es auf das von Sid und Manni beschützte Menschenkind abgesehen hat – vergeblich, auch dank Diegos Wandel vom Bösewicht zum Guten.


Stand: 07.08.2009

Theorien zum Aussterben der Säbelzahnkatzen

Spezialisierung als Todesurteil?

Skelettrekonstruktion von Smilodon fatalis © David Monniaux / GFDL

Säbelzahnkatzen hatten es gut: Arten wie Smilodon waren die größten Raubkatzen aller Zeiten, sie besaßen keine natürlichen Feinde. Trotzdem starben sie am Ende der letzten Eiszeit relativ plötzlich aus – zusammen mit anderen Tieren wie Mammuts oder Wollnashörner. Die letzten Überreste, die man von ihnen gefunden hat, stammen vor allem aus Nordamerika. Vor rund 10.000 Jahren verschwanden jedoch auch die dortigen Smilodon- und Homotherium-Populationen abrupt von der Erde.

Meteoriteneinschläge und Klimawandel

Bei der Suche nach den Ursachen für dieses Phänomen tappen die Wissenschaftler noch weitgehend im Dunkeln. Auszuschließen ist wohl, dass, wie von manchen Forschern spekuliert, ein gewaltiger Asteroiden- oder Kometeneinschlag über Nordamerika hereinbrach und für lebensuntaugliche Bedingungen für manche Tiere sorgte.

Schon erheblich wahrscheinlicher ist da eine andere mögliche Ursache: Klimawandel. Dabei brachten die steigenden Temperaturen nach der Kaltphase noch nicht einmal die Säbelzahnkatzen selbst in Bedrängnis, dafür aber ihre Beute. Denn viele Kälte liebende Lebewesen mit ihren hochspezialisierten Anpassungen waren nicht in der Lage, sich schnell genug auf die globale Erwärmung einzustellen und gingen elendig zu Grunde.

So wie das Mammut, das damals vermutlich unter akutem Nahrungsmangel litt. Denn nach dem Ende der Eiszeit veränderte sich die Vegetation drastisch. Moostundren und Wälder dehnten sich immer weiter aus und traten an die Stelle der für die Weidetiere so wichtigen Graslandschaften der Steppen.

Anpassung kann tödlich enden

Mit dem Verschwinden von Mammut, Wollnashorn und Riesenhirsch wurde den Säbelzahnkatzen ihre extrem angepasste Jagdstrategie, die auf große Beutetiere setzte, zum Verhängnis. Dies vermuten zumindest Forscher wie Steve Wroe von der University of New South Wales und Colin McHenry von der University of Newcastle.

„Das ist einer der goldenen Regeln der Paläontologie“, erklärt McHenry. „Spezialisierung sorgt für kurzfristigen Erfolg, ist aber auf Dauer ein großes Risiko. Denn wenn das Ökosystem ins Wanken gerät, bist du der erste Kandidat für’s Aussterben. Es sind die Generalisten, die überleben.“

Fossilien als Helfer

Klingt logisch, aber die Sache hat einen Haken. Denn in Europa starben die letzten Säbelzahnkatzen der Art Homotherium wahrscheinlich bereits vor rund 28.000 Jahren aus – und damit zu einem Zeitpunkt, als die Eiszeit noch in vollem Gange war und es Beute genug gab.

Eine offen gelassene große Asphaltgrube in La Brea © Buchanan-Hermit / gemeinfrei

Bis endgültig alle Rätsel um die Säbelzahnkatzen, über ihr Leben und Sterben, gelöst sind, wird es demnach noch ein bisschen dauern. Den Schleier des Geheimnisses lüften können nach Angaben von Wissenschaftlern wohl vor allem neue Fossilfunde, womöglich sogar in Form vollständiger Skelette. Aber wer weiß, vielleicht liefert die Nordsee schon bald neue Relikte aus der letzten Eiszeit. Oder es tut sich eine ganze neue Fundstelle auf, die möglicherweise sogar die von Rancho La Brea in Kalifornien an Bedeutung übertrifft…


Stand: 07.08.2009