Die steigende Bedarf an Coltan führte zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht nur dazu, dass zahlreiche große internationale Industrieunternehmen in den Abbau und den Handel einstiegen – auch außerhalb von Zentralafrika wurden Vorkommen entdeckt, in Südamerika, Australien und Kanada, deren Abbau sich lohnte.
Soziale Folgen des Coltan-Booms
Kleinbergbau auf Coltan in Mosambik © Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
Doch da in Zentralafrika die weitaus größten Reserven des begehrten Erzes lagern, brachte hier der Coltan-Boom auch die größten sozialen Veränderungen mit sich. Zu dieser Erkenntnis kommt eine gemeinsame Studie der kongolesischen Entwicklungshilfe-Organisation Pole-Institut, des Deutschen Evangelischen Entwicklungsdienstes und der deutschen Tageszeitung taz.
Zur Zeit des großen Coltan-Booms Ende 2000 bis August 2001, als die Weltmarktpreise bereits wieder zu fallen begannen, untersuchten die Entwicklungshelfer insbesondere die Gegend um Masisi, im Osten der Demokratischen Republik Kongo, in der die Menschen traditionell von Landwirtschaft leben, und die Gegend um die Coltan-Minen von Numbi.
Wilder Bergbau
Anders als in den Industrieländern Kanada oder Australien, wo Abbaulizenzen vergeben werden und der Abbau selbst industriell erfolgt, erhofften sich durch den kleingliedrigen Abbau im Kongo oder in Ruanda auch einfache Leute, finanziell vom Coltan-Rausch zu profitieren. Hatten sie doch die Hoffnung, sich aus ihrer oft ärmlichen Lebenssituation zu befreien. In dem durch den Bürgerkrieg entstandenen wirtschaftlichen und politischen Vakuum gab es zudem kein staatlich reguliertes Abbausystem. Jeder der wollte, konnte anfangen zu graben. Professionelle Händler vermittelten den Verkauf des abgebauten Coltans und drückten den Lohn oft zu ungunsten der Bergleute, während die Preise auf dem Weltmarkt stiegen.
Gute Verdienste
Dennoch – während man im Kongo als Bauer etwa zehn Dollar pro Monat verdiente, brachte der Coltan-Bergbau bis zu 50 Dollar pro Woche ein.
„Natürlich kann der Coltan-Abbau unsere Alltagsprobleme langfristig nicht lösen,“ so ein befragter Minenarbeiter, der früher Bauer war, in einem der zahlreichen Interviews, das das Pole-Institut für die Studie durchführte. „Aber wir verdienen jetzt sehr viel mehr Geld als vorher.“ Kurzfristig könne er sich auf keinen Fall vorstellen, wieder als Bauer zu arbeiten. Aber das verdiente Geld wolle er später wieder ins seine Landwirtschaft zuhause investieren.
Auch Célestin Maniriho, Manager einer Coltan-Mine in Numbi, sieht nur die positiven Effekte des Bergbaus: „Die Arbeitslosigkeit nimmt ab, durch den Krieg vertriebene Menschen finden neue Arbeit, Schüler und Lehrer können arbeiten und Geld verdienen, während sie auf den Wiederaufbau der Schulen warten.“
Dennoch Enttäuschungen
Doch viele Kongolesen wurden auch enttäuscht. So berichten Nzakuza and Ndagije, zwei Coltan-Kumpel aus Luwowo und Mishavu, dass sie in den Minen zwar mehr Geld verdienten als zuhause als Bauern. Doch sei die Versorgung in den Bergarbeiter-Camps doppelt bis dreimal so teuer wie daheim. Alles Geld würde so wieder aufgebraucht. „Oft kehren wir ohne Geld nach Hause zurück, weil wir alles für Essen ausgegeben haben“. Seine Zukunft sah im Interview keiner von beiden im Coltan-Abbau. „Wir hoffen, eines Tages einen großen Diamanten zu finden und uns davon Vieh und Felder kaufen zu können“.
Wie Nzakuza and Ndagije verließen viele Kongolesen, ihre heimatlichen Dörfer mitsamt Feldern und Vieh, überließen die Landwirtschaft den Frauen und verdingten sich als Minenarbeiter. Die Folge: Nahrungsmittelknappheit, denn viele Felder wurden nicht mehr bewirtschaftet, die Lebensmittel wurden teurer.
Auch viele Kinder verdingten sich in den Minen, oft auf Geheiß ihrer Eltern. Alphonse Batibwira, Lehrer aus Matanda: „Mehr als 30 Prozent der Kinder und fünf bis zehn Prozent der Lehrer hier haben die Schule verlassen, um stattdessen in den Minen zu arbeiten.“ Weil die Lehrer von den Schulgebühren der Schüler leben, die jedoch nicht alle zahlen könnten, seien sie auf alternative Einkommen angewiesen – ein Teufelskreis, der nur durch staatliche Gehälter behoben werden könne, so Batibwira.
Coltan bleibt gefragt
Auch heute, rund acht Jahre nach dem großen Coltan-Boom, leben noch immer viele Menschen vom Abbau des Roherzes, einem der wenigen Wirtschaftsbereiche, die im Kongo noch funktionieren, denn Nachfrage besteht auf dem Weltmarkt nach wie vor. Doch mit dem offiziellen Ende des Bürgerkriegs im vergangenen Jahr und mit dem Wiederaufbau des Landes beginnen die sozialen Probleme im Kongo jetzt möglicherweise erst. Für viele bleibt der Coltan-Abbau nach wie vor eine Alternative zur Landwirtschaft.
Stand: 25.04.2009