Erstmals erwähnt wird der Untergang Rungholts im 17. Jahrhundert. Der Chronist Anton Heimreich berichtet 1622 in seiner Nordfriesischen Chronik über eine schlimme Sturmflut, die im Jahr 1362 den südwestlich des heutigen Pellworm gelegenen Kirchort in den Fluten versinken ließ. Seiner Ansicht nach und auch der vieler seiner Zeitgenossen, war diese „Sintflut“ eine gerechte Strafe für den Hochmut und die „sündhafte Lebensweise“ der Rungholter.
Ein Gottesgericht: Die Rungholtsage
Denn der Sage nach sollen die der Völlerei und Trunksucht ergebenen Bewohner Rungholts einem Priester einen bösen, gotteslästerlichen Streich gespielt haben. Im Kern berichten alle Varianten des Mythos davon, dass betrunkene Rungholter diesen nachts zu einem vermeintlich Kranken riefen. Dort angekommen, gab es aber keinen Patienten, stattdessen wollten die Leute ihn zwingen, einer Sau das Sakrament zu erteilen. Der Priester weigerte sich jedoch. Daraufhin schütteten die „Unholde“ Bier auf die heiligen Oblaten und beschimpften und schlugen ihn.
Historische Darstellung eines versunkenen Ortes © historisch
Wieder zuhause angelangt, bat der Priester Gott um Hilfe und Rache. Und die Antwort kam prompt. Ein Traum warnte ihn in noch in der gleichen Nacht, nicht in seinem Haus zu bleiben: „Weichet sofort mit den Eurigen auf die Hügel, denn bald wird Rungholt untergehen.“ Und so geschah es dann auch: Die Stadt versank in den tobenden Wasserfluten eines gewaltigen Sturms.
Der Mythos wäre jedoch nicht vollständig, wenn die Sage nicht auch davon berichten würde, dass die versunkene Stadt nicht zerstört wurde, sondern bis heute auf dem Meeresgrund stehe. Bei besonders niedrigem Wasser können man sogar in der Ferne den Kirchturm aus dem Wasser ragen sehen und leise Glockenklänge hören…
Blanker Hans: Das Rungholt-Gedicht
1882 griff der Dichter Detlev von Liliencron diese Geschichte auf und machte daraus das bis heute berühmte Gedicht „Trutz, Blanke Hans”. In ihm berichtet er vom Untergang der Stadt als „Gottesgericht“ und gibt Rungholt dabei geradezu babylonische Züge:
„Rungholt ist reich und wird immer reicher,
Kein Korn mehr fasst selbst der größte Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom,
staut hier täglich der Menschenstrom.
Die Sänften tragen Syrer und Mohren,
Mit Goldblech und Flitter in Nase und Ohren.
Trutz, Blanke Hans.
Auf allen Märkten, auf allen Gassen
Lär(??)mende Leute, betrunkene Massen.
Sie ziehn am Abend hinaus auf den Deich:
Wir trotzen dir, Blanker Hans, Nordseeteich!
Und wie sie drohend die Fäuste ballen,
zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen.
Trutz, Blanke Hans.“
Einige Strophen später dann ist es soweit: Der „Blanke Hans“ schlägt zurück:
„Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken.
Und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm anderen Tags der stumme Fisch.
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans?“
Faszination bis heute
Die Sage, und mehr noch das Gedicht von Liliencron lösten Ende des 19.Jahrhunderts eine bis heute andauernde Faszination für das Thema Rungholt aus. Auf der nordfriesischen Insel Pellworm finden jedes Jahr zu Himmelfahrt die „Pellwormer Rungholttage“ statt. Hier treffen sich Hobbyarchäologen, Rungholt-Sucher und Interessierte zum Austausch. Auf Exkursionen in das Watt suchen sie nach möglichen Spuren des „Atlantis des Nordens“.
Stand: 25.04.2008