Die Wissenschaft hinter dem schönen Klang

Physik der Musik

Töne sind Schwingungen © Alexander Burzik, g-o

Ein Glas nur mit der menschlichen Stimme zersingen, ist das möglich? Theoretisch ja. Denn Musik kann zwar herrlich, himmlisch, nervend oder einfach nur furchtbar sein – letztlich ist sie aber nichts weiter als Physik. Und das macht sie sogar spannend….

Oskar Matzerath gelingt es in „Die Blechtrommel“ mühelos, mit seiner schrillen Stimme ein Glas zum Zerspringen zu bringen. Im Buch, ja, und im Film auch – das ist klar, da wird getrickst. Doch theoretisch ist das tatsächlich möglich. Denn die menschlichen Stimme kann ein Glas in Schwingung versetzen, wenn der Sänger die Eigenschwingung des Glases trifft, sehr laut singt und den Ton ausgesprochen lange hält. Leider hat niemand so viel Luft, dass das Glaszersingen in der Praxis jemals klappen könnte. Erzeugt allerdings ein ausdauernder Tongenerator den Ton, dann platzen Gläser oder Glasscheiben tatsächlich.

In Musik steckt mehr Physik, als man glaubt. Ob Klavier, Geige oder Orgel, alle Instrumente erzeugen Töne, und damit Schwingungen. Sie sind die Grundlage der Musik. Und weil mancher Musiker genauer wissen wollte, was er da mit seinem Instrument eigentlich tut, sind nach und nach auch die physikalischen Gesetze hinter der Musik entdeckt worden.

Heute ist Musik ohne den Computer und ohne Fine-Tuning von Instrumenten nicht mehr denkbar. Doch die Suche nach dem perfekten Klang, dem perfekten Instrument, der perfekten Akustik bleibt. …

Edda Schlager

Von Wellen, Intervallen und den alten Griechen

Der Ton macht die Musik

Ob Bach, Mozart oder Beethoven, Schönberg, Schostakowitsch oder Stockhausen, die Beatles, Bob Dylan oder Grönemeyer. All die ehrwürdigen und modernen Partitur-Virtuosen hatten nur ein einziges Mittel zur Hand, aus dem sie ihre so unterschiedlichen Werke schufen – den Baukasten der Töne.

Von Noten ist gar nicht gleich zu sprechen, denn Musik gab es schon lange vor Steintafeln, Papyrus und Papier und auch vor dem Bedürfnis, Namen für Töne zu finden. Bloßer Rhythmus, erzeugt mit Rasseln und Trommeln, war vermutlich das erste, was unsere Vorfahren tanzen ließ. Vor etwa 5.000 Jahren kamen Flöten und einfache Saiteninstrumente hinzu – und damit die Varianz verschiedener Töne.

Tonhöhe und Frequenz

Ein einzelner Ton, das gilt für Musik ebenso wie für die menschliche Stimme oder Presslufthämmer, hat immer eine bestimmte Tonhöhe. Diese ergibt sich aus der Frequenz, mit der die Schallwelle des entsprechenden Geräuschs schwingt, das heißt, aus der Anzahl der Schallwellen-Schwingungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes.

Mit einem Presslufthammer lässt sich deshalb schlecht musizieren, weil hier verschiedene Töne und damit viele Schallwellen verschiedener Frequenzen gleichzeitig entstehen: am Motor des Presslufthammers, am Bohrer beim Eindringen in Straßenbelag, der auseinander brechende Beton.

Zur Referenz – der Kammerton A

Eindeutiger und für unser Ohr einfacher zu erkennen sind dagegen musikalische Töne. Wird eine Gitarrensaite gezupft oder eine Klaviertaste gedrückt, erklingt ein Ton mit einer ganz bestimmten Tonhöhe. Beim Schlagen einer Stimmgabel ertönt exakt der Kammerton A. Sobald der Finger oder ein Metallstäbchen die Stimmgabel anschlägt, breiten sich periodisch Kugelschalen komprimierter Luft um die Gabel herum aus – und zwar exakt 440 Stück in einer Sekunde. Denn der Kammerton A schwingt mit einer Frequenz von 440 Hertz. Dass der Ton mit dieser Tonhöhe und dieser Frequenz „A“ oder laut ISO Nr. 16 richtiger „a’“ heißt, wurde im Jahr 1939 bei der letzten internationalen Stimmtonkonferenz in London festgelegt.

Zuvor hatte die Frequenz des Kammertons immer wieder variiert, oder besser, man konnte sich auf keine einheitliche Tonhöhe eines Vergleichstons zum Stimmen der Instrumente einigen. Notwendig war ein solcher Referenzton geworden, seitdem mehrere Instrumente zusammen gespielt wurden und miteinander harmonieren sollten. Derart anspruchsvolle Musik fand meist in den königlichen Gemächern statt, den Kammern, daher der Name.

Schummeleien bei den Griechen

Schon Pythagoras hatte sich im alten Griechenland mit dem Verhältnis von Paaren zweier unterschiedlicher Töne beschäftigt. Dazu schob der Mathematiker den beweglichen Steg eines Monochords, eines Instruments mit nur einer Saite, hin und her und brachte das freiliegende Ende der Saite zum Schwingen. Teilte der Steg die Saite genau in der Mitte, im Verhältnis 2:3 oder 3:4, erklangen besonders wohltönende Intervalle: Oktave, Quinte und Quarte.

Benannt wurden diese Intervalle und noch ein paar mehr von Aristoxenos, einem Schüler Phytagoras’, der als der Begründer der Harmonielehre gilt. Was auch schon Pythagoras erkannt hatte, dass im Tonumfang einer Oktave zwölf Töne enthalten sind, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen, fasste Aristoxenos zu einem Tonsystem zusammen, das so noch heute die Grundlage für die abendländische Musik ist.

Doch das System hat einen physikalischen Haken. Stimmt ein Klavierstimmer alle zwölf Töne innerhalb einer Oktave nach dem Prinzip, dass die Frequenzen eines Tons und der dazugehörenden Quinte immer genau im Verhältnis von 2:3 stehen, kommt er nicht exakt beim letzten Ton der Oktave an. Das Problem: das „pythagoreische Komma“, eine Differenz der Tonfrequenz. Gelöst wird es meist durch eine „wohltemperierte Stimmung“, indem die Lücke aus ein paar Hertz über die ganze Oktave verteilt und so kaschiert wird. Die Stimmungen der Töne untereinander sind so zwar etwas „verunreinigt“, dafür klingen alle Tonarten einigermaßen sauber und nicht nur eine brillant.


Stand: 02.03.2007

Nur eine Frage der Frequenz

Vom tiefen bis zum hohen C

Die zwölf Töne, die Aristoxenos aufgrund der Teilungsverhältnisse auf einer Saite „Halbtöne“ nannte, sind das Gerüst unserer Tonleitern und Tonarten. Im Deutschen heißen die sieben Stammtöne C – D – E – F – G – A – H, sie entsprechen den weißen Tasten auf dem Klavier. Hinzu kommen fünf Halbtöne, die auf den schwarzen Tasten liegen.

Etwas Musiktheorie

Wie der Ton heißt, gibt jedoch noch keine Auskunft über seine absolute Tonhöhe, die Frequenz, mit der der Ton schwingt. Denn von einer Oktave zur nächsten wiederholen sich die Töne. Das eingestrichene c oder „c’“ hat beispielsweise eine Frequenz von 261,63 Hertz, das zwei Oktaven darunter liegende „große C“ schwingt dagegen mit 65,406 Hertz. Das „hohe c“, meist die Obergrenze der weiblichen Sopranstimme, liegt bei 1046,5 Hertz.

Doch die Töne unterschieden sich nicht nur in ihrer Frequenz, ihre Kombination erst macht die Musik: Je nachdem, wie die Intervalle und Haltonschritte innerhalb einer Tonleiter liegen, entstehen die Tonarten und „Geschlechter“. Im westlichen Kulturkreis hat das Geschlecht Dur einen Halbtonschritt zwischen dem dritten und vierten Ton sowie zwischen dem siebenten und achten Ton. Bei C-Dur beispielsweise liegen die Halbtonschritte zwischen e und f sowie h und c. Bei Moll liegen die Halbtonschritte dageen zwischen dem zweiten und dritten sowie dem fünften und sechsten Ton.

Das Ohr ist ein Gewohnheitstier

Neben den beiden Tongeschlechtern Dur und Moll und ihren zugehörigen Tonarten gibt es eine ganze Reihe von weiteren Möglichkeiten, Töne zu kombinieren. Einige sind aufgrund einer „Rationalisierung“ in der Musik in den letzten Jahrhunderten verschwunden. Andere sind noch heute aktuell, aber in anderen Kulturkreisen entstanden und deshalb dem „abendländischen Ohr“ sehr fremd.

Im Mittelalter beherrschten zum Beispiel acht „Modi“ genannte Kirchentonarten die Musik. Dorisch, Phrygisch, Lydisch und Mixolydisch hießen die vier Grundmodi, hinzu kamen ebenso viele Nebenformen. Alle zeichneten sich durch ein spezifisches Muster der Lage der Halbtöne innerhalb einer Tonleiter aus, unterschiedlich von der bei Dur und Moll.

Als schräg oder misstönend empfinden Europäer oft die Töne aus dem orientalischen Raum. Die Tonarten dort sind nicht auf die uns bekannten Halbtöne beschränkt, sie differenzieren weiter in Vierteltöne. Die Frequenzschritte zwischen den Tönen sind kleiner, und hören sich für abendländische Ohren deshalb immer etwas verstimmt an.


Stand: 02.03.2007

Tonarten mit Charakter

Streng katholisch oder arglos beschwingt?

Obwohl sich alle Tonarten im gleichen Spektrum der für uns hörbaren Töne bewegen, haben sie alle ihren eigenen Charakter. Und das nutzen Musiker bewusst aus.

Einfach und naiv – C-Dur

C-Dur beispielsweise gilt als reine, aber auch „naive“, zuweilen wenig anspruchsvolle Tonart mit „unschuldigem“ Charakter. Mozart komponierte seine „Sonata facile“ für Klavier in C-Dur. Auch Abba verwendeten diese reine Tonart bei „Super Trouper“ oder die Beatles bei „Let it be“. Schostakowitsch schrieb die „Leningrader Sinfonie“ in C-Dur – mit voller Absicht: Das Werk entstand während der deutschen Belagerung der Stadt, und Schostakowitsch wollte seinem Vaterland eine klare Botschaft senden.

Festlich, die Trompetentonart – D-Dur

D-Dur ist die Tonart, in der sich von der Frequenz her Trompeten am wohlsten fühlen. Es hat deshalb einen besonders festlichen oder glanzvollen Charakter. Viele Opernouvertüren stehen in D-Dur, die meisten von Mozart beispielsweise, ebenso die Orchestersuiten von Bach. Auch „Rock DJ“ von Robby Williams wird durch diese Tonart geprägt.

Dem Tode nah – d-Moll

Ganz anders die Molltonarten. Sie gelten ohnehin als „traurige“ Tonarten. Gar als „jenseitig“ wird d-Moll bezeichnet. Als unheimlich gelten Mozarts Requiem oder Beethovens Neunte. Schubert verfasste sein Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ in d-Moll. „Sultans of Swing“ von den Dire Straits oder „Moonlight Shadow“ von Mike Oldfield nutzen sie ebenso. Die Tonart geht zurück auf den dorischen Modus der Kirchentonarten, dem eine besondere Archaik zugesprochen wird.

Ein ernstes Wort – h-Moll

Vor allem Johann Sebastian Bach ist es zu verdanken, dass h-Moll als „die Ernste“ angesehen wird. Zwei seiner bekanntesten Arien aus der Matthäus-Passion, „Blute nur, du liebes Herz“ und „Erbarme dich, mein“ Gott sowie eine Reihe seiner Messen sind in h-Moll verfasst mit der Absicht, Strenge und großen Ernst auch musikalisch umzusetzen. Pink Floyds „Money“ oder Herbert Grönemeyers „Mensch“ stehen ebenso in dieser Tonart.

Subjektiv empfunden oder nachweisbar?

Dass Tonarten „Charakter“ haben, ist unumstritten, obwohl sich die zugesprochenen Eigenschaften im Laufe der Jahrhunderte teilweise verändert haben. Woher die persönliche Note rührt, ist allerdings bisher nicht ganz geklärt.

Eine mögliche Ursache wäre die „pythagoreische Lücke“: Heute ist es technisch möglich, sie exakt gleichmäßig auf alle Intervalle aufzuteilen. Früher gelang dies jedoch nicht, so dass sich zwischen den Intervallen verschiedener Tonarten unterschiedliche Abstände ergaben – die hörbar oder zumindest latent erspürbar waren. Sie verliehen den einzelnen Tonarten ganz eigene Charakteristiken.

Hinzu kommt allerdings auch die traditionelle Verknüpfung bestimmter Stücke mit einzelnen Tonarten. Hirtenstücke beispielsweise wurden im als lieblich geltenden F-Dur verfasst, um ländliche Idylle darzustellen. Heitere Lebensfreude wurde mit A-Dur ausgedrückt, in Beethovens Siebter beispielsweise. Beethoven war es auch, der c-Moll mit seiner fünften Symphonie und der Klaviersonate „Pathetique“ zu einer schicksalsträchtigen Tonart machte.

Dominierende Intervalle aus Bequemlichkeit

Ein dritter Aspekt, der als Erklärung für die Ton-Charaktere in Betracht kommt, ist die Affinität von Tonarten mit bestimmten Instrumenten. Je nachdem, ob beispielsweise es-Moll auf einer Gitarre oder einem Saxophon gespielt wird, sind sie für die Hände unterschiedlich gut umzusetzen. Auf dem Klavier lässt sich aufgrund der Tastenlage das Intervall der Terz beispielsweise in c-Moll sehr gut spielen. In dis-Moll sind die Tasten von Grundton und Quinte gut zu erreichen. Terz und Quinte können die Musikstücke also je nach Bequemlichkeit des Komponisten dominieren. Die beiden Intervalle haben jedoch unterschiedliche Klangeigenschaften, die Terz gilt als dissonant und scharf, die Quinte dagegen als reinstes Intervall nach der Oktave. Je nachdem, welches der beiden Intervalle in einem Musikstück häufiger auftaucht, kann dies also eher unangenehm oder freundlich klingen.


Stand: 02.03.2007

Musikmathematik und das Gesetz des Wohlklangs

Einfach schön?

Dass die Intervalle bestimmte Stimmungen symbolisieren, ist den Musikern bekannt und wird von ihnen daher bewusst eingesetzt, um bestimmte Stimmungen zu erzeugen. Dass der Mensch auf bestimmte Intervalle aber auch mit entsprechenden Erregungsmustern im Gehirn reagiert, hat erst eine Studie gezeigt. Sie wurde im Rahmen eines Projekts durchgeführt, das nichts Geringeres will, als das Gesetz hinter dem Wohlklang auch mathematisch zu beweisen.

Ein Gesetz für alle

Guerino Mazzola, Mathematiker und Jazzpianist © ETH Zürich

Guerino Mazzola, Mathematiker und Jazzpianist, arbeitet seit Jahren daran, das subjektive Erleben konsonanter und dissonanter Klänge objektiv erklärbar zu machen. Bereits Arnold Schönberg, der Begründer der Zwölftonmusik, die das traditionelle Tonsystem aus Dur und Moll auflöst und eine Gleichberechtigung aller Töne, die „Emanzipation der Dissonanz“ einführte, war der Meinung, dass die verschiedenen Tonsysteme auf allgemeinen Gesetzmäßigkeiten beruhen mussten.

Um diesen Gesetzmäßigkeiten auf die Spur zu kommen, nahm sich Mazzola zunächst des Grundbausatzes der abendländischen Musik an, der zwölf Töne einer Oktave. Die Töne teilte er in zwei Gruppen zu je sechs. Rechnerisch gibt es immerhin 924 Möglichkeiten einer solchen Einteilung. Mazzola stellte jedoch fest, dass sechs dieser Aufteilungsweisen durch besondere Symmetrien mathematisch auffällig sind. Er nannte diese sechs Gruppen „starke Dichotomien“.

Der Terzen-Tonus

Die zwölf Töne sind bei Mazzola von 0 bis 11 nummeriert, die sich daraus ergebenden Intervalle untersuchte er in einem speziellen Koordinatensystem – dem „Terzen-Torus“. Das musikalische Intervall der Terz kann in der Praxis aus drei oder aus vier Halbtonschritten bestehen, die kleine und die große Terz. Innerhalb des Terzen-Torus wurden die zwölf Töne nun so angeordnet, dass die jeweils benachbarten Punkte zueinander im Abstand einer Terz stehen – und zwar einer kleinen Terz in eine Richtung und einer großen Terz in die andere.

Terzen-Torus von Guerino Mazzola © Guerino Mazzola

Drei große oder vier kleine Terzen sind in der Summe wieder eine Oktave. So schließt sich das Diagramm Mazzolas zu einer Art „Schwimmreifen“, dem bereits erwähnten Terzen-Torus. Die Abstände der Töne auf diesem Diagramm lassen sich berechnen. Mazzola definierte zwei Größen, nach denen er die Dichotomien, die in zwei Gruppen sortierten Töne, beurteilte. Der „Durchmesser“ ist bei Mazzola die Summe aller Abstände, den die Töne einer Sechsergruppe zueinander haben. Die „Spannweite“ ist die Summe der Abstände aller sechs Töne zu den Tönen, mit denen sie durch bestimmte Symmetrien verbunden sind.

Die Mathematik der Schönheit

Innerhalb der sechs „starken Dichotomien“ gibt es eine Extrem-Variante, die den maximalen Wert aller Spannweiten und den minimalen Wert aller Durchmesser erreicht. Unter den 924 Möglichkeiten hat diese die Nummer 82. Überraschend: In der einen Gruppe bilden die sechs Töne ausschließlich konsonante Intervalle der abendländischen Musik, in der anderen nur dissonante. Die Beziehung der Konsonanten und Dissonanten konnte Mazzola in einer einfachen mathematischen Formel darstellen.

Doch die größte Überraschung des Modells: Es wurde durch eine Studie bestätigt, die die Gehirnströme von Probanden untersuchte, während diese die zwölf musikalischen Intervalle zu hören bekamen. Dabei entstanden zwei verschiedene Erregungsmuster im Hippocampus, die genau den Intervall-Sechsergruppen in Dichotomie Nummer 82 entsprechen.

Auch die Dichotomie Nummer 64 mit den entgegengesetzten Eigenschaften von Nummer 82 – maximaler Durchmesser und minimale Spannweite – fiel besonders auf. Die eine der beiden Intervall-Gruppen vereinte sechs der Töne, die zu den Grundtönen einer C-Dur-Tonleiter gehören, der wir als reinste aller Tonleitern empfinden.

Offenbar scheint das vermeintlich subjektive Gefühl für schöne Musik exakt mit der besten mathematischen Lösung übereinzustimmen, Entweder ist dies Zufall oder das Ergebnis einer Auslese, die während der Jahrhunderte langen Musikgeschichte bestimmte Frequenzen zu den „schönsten“ gemacht hat.


Stand: 02.03.2007

Ein Mann sucht den perfekten Raum

Der Klangmeister

Den perfekten Klang sucht auch Russell Johnson. Seit 1946 ist der mittlerweile über 80jährige in den Konzerthallen und Festspielhäusern dieser Welt unterwegs, plant Umbauten und Rekonstruktionen oder denkt sich völlig neue Konzepte aus. Oft gerät er mit Architekten aneinander. Doch Johnsons Passion sind Säle. Und Akustik. Und so setzt er sich häufig durch bei den Auftraggebern, die ihn, den Raum-Guru, den „Magic Johnson“, als Berater zu sich geholt haben.

Johnson betreibt eine der renommiertesten Firmen der Welt, die sich der Konstruktion und Ausstattung von Konzertsälen widmen. Das CBSO Centre in Birmingham gehört zu den Kunden, die neue Bartok-Konzerthalle in Budapest, die Konzerthalle in Singapore oder das Opernhaus in St. Petersburg.

Ein Konzerthaus für Luzern

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Auch die Stadt Luzern ließ im Jahr 1998 ein neues Opernhaus bauen: das KKL, das Kultur- und Kongresszentrum Luzern – und holte Johnson. Seitdem kommt der Klangmeister weiterhin regelmäßig hierher, um den großen Konzertsaal immer wieder zu justieren. Denn kein Saal dieser Welt klingt in jeder Situation gleich. Ob Oper mit Orchester, Kammerkonzert, Liederabend oder Streichkonzert. Die Musik selbst verändert den Saal, füllt ihn mal weniger aus, mal stärker. Dazu das Publikum: nicht immer sind die Ränge voll, mal ist es unruhig mal nicht, die Abendgarderobe ist im Winter eine andere als im Sommer. Auf all diese Feinheiten muss sich ein perfekter Saal einstellen können.

Das Vorbild alter Säle

Denn Töne können sich penetrant wichtig machen, zu wenig Durchsetzungskraft haben, ungewollte Echos hervorrufen oder einfach ungehört verschwinden. Johnson weiß, wie Akustik funktioniert und wie gute Musikhäuser klingen müssen. Er hat die alterwürdigen unter ihnen studiert, den Wiener Musikvereinssaal oder die Bostons Symphany Hall. Auf diese Vorbilder setzt er eher als auf Messverfahren, die die Akustik zwar berechnen können, aber doch nie mit der Intuition arbeiten, die ein Musikliebhaber hat. Wie ein Schuhkarton müssen Säle aussehen, schmal, lang und sehr hoch. Denn die nah beieinander stehenden Seitenwände reflektieren den Schall zum Ohr der Zuhörer. Ist der Saal zu breit, verliert sich der Klang.

Großer Wiener Musikvereinssaal © Stadt Wien

Alte Konzertsäle haben noch etwas gemeinsam: die Schnörkel an der Wand. Doch diese haben nicht nur eine ästhetische Funktion. Vor allem sollen die Putten, Weinreben, Blumen und Füllhörner den Schall verteilen. Der Kitsch dienst als Schalldiffusor. In Luzern sträubte sich der Architekt gegen derlei Zierrat. Und setzte sich durch. Neben vier Balkonen schmücken nun zahlreiche Gipsplatten die Wände, in verschiedenen Größen und Winkeln, um den Eigenschaften aller Tonhöhen gerecht zu werden.

Die kleinen Tricks des Klang-Gurus

Dazu hat Johnson das Konzerthaus mit allerlei Erfindungen ausgestattet, die den Saal an die unterschiedlichen Anforderungen anpassen können. Zu den kleineren gehören ferngesteuerte Vorhänge im Saal und hinter der Bühne, die die Absorption des Publikums imitieren, wenn die Musiker proben.

Das Canopy ist ein höhenverstellbarer Baldachin aus Holz, der über der Bühne hängt. Er verkleinert oder vergrößert den Raum über der Bühne. Hängt er tief, werden viele Wellen auf die Bühne reflektiert, hängt er weiter oben verlieren sich die Schallwellen im größeren Raum. So kann der Bühnenraum der Größe des Orchesters angepasst werden. Auch die Bühne selbst ist im Ganzen oder in einzelnen Segmenten verstellbar, um einzelne Instrumentengruppen hervorzuheben oder eher zu dämpfen.

„Mehr Hall, bitte!“

Auf das Resonanzkammersystem hinter der Bühne und den Balkonen ist Johnson besonders stolz. Ein Drittel des eigentlichen Raumes kann dem Saal durch drehbare Türen hinzugefügt werden. Sind die Türen weit geöffnet, macht sich ein Hauch von Kathedrale breit durch den stärkeren Hall. Rückt ein großes Orchester mit vielen Musikern an, bleiben die Türen geöffnet, doch Stoffbahnen in den Türen nehmen dem Raum den Hall.

Obwohl „Magic Johnson“ nie ganz zufrieden ist und immer wieder an feineren Abstimmungsmöglichkeiten feilt, hat er in Luzern offensichtlich alles richtig gemacht. Daniel Barenboim kommentierte den Neubau: „Ich mag die Berliner Philharmonie, aber das ist der viel bessere Saal.“ Und Kent Nagano meinte: „Wie ein Ferrari wenn man bisher Volkswagen gefahren ist.“


Stand: 02.03.2007

Frischer Wind für Orgelpfeifen

High-Tech-Check der Königin

Jahrhunderte lang haben sich Orgelbauer auf ihr Gefühl, ihr Gehör und ihr Geschick verlassen, wenn es darum ging, eine neue Orgel zu bauen oder auch eine altes Exemplar zu restaurieren. Deutschland gilt als eines der Länder mit den besten Orgelbauern weltweit. 200 Orgelbaubetriebe gibt es noch heute. Deshalb wundert es auch nicht, dass die Perfektion dieser Kunst renommierte Unterstützung aus den Reihen der besten deutschen Wissenschaftler bekommen hat. Bereits seit mehreren Jahren koordiniert das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart mehrere Projekte, an denen Partner aus Frankreich, Großbritannien, Spanien, den Niederlanden und Portugal beteiligt sind.

Judit Angster leitet die Arbeitsgruppe der Orgel-Forscher in Stuttgart. Prädestiniert ist sie dafür, denn die promovierte Physikerin stammt aus einer Orgelbauer-Dynastie. „Wir entwickeln Werkzeuge für Orgelbauer, die es ihnen ermöglichen, besser und kostengünstiger zu bauen,“ so Angster zum Ziel der Projekte.

Sensibelchen mit Anspruch

Die Orgel gilt als Königin der Instrumente. Die größten unter ihnen haben einen Stimmumfang von sieben Oktaven, kein anderes Instrument reicht da heran. Die größte Orgel der Welt, die allerdings in schlechtem Zustand und in Teilen unbespielbar ist, ist die Boardwalk-Hall-Orgel in Atlantc City in den USA. Sie hat etwa 32.000 Pfeifen. Die größte funktionstüchtige Orgel, die Wanamaker-Orgel, steht in Philadelphia und hat „nur“ 28.482 Pfeifen.

Doch Orgeln sind sensibel – und schwer zu stimmen. Bei der so genannten Intonierung kommt es nicht nur darauf an, dass die Tonhöhe richtig sitzt, auch der unverwechselbare Klang, ähnlich dem Timbre beim menschlichen Gesang, darf nicht zu kurz kommen. Die Musik entsteht bei der Orgel, indem Wind erzeugt und mit einem Windkanalsystem durch die Orgelpfeifen geblasen wird. Erst, wenn die Tasten oder Pedale gedrückt werden, fließt Luft durch die zugehörige Pfeife. Die Luft setzt die Pfeifen in Schwingungen bestimmter Tonhöhen.

Wie eine Flöte, nur größer

Das Prinzip ist das gleiche wie bei einer Flöte: Die Länge entscheidet über die Höhe des Tons. Je länger die Pfeife, desto tiefer der Ton. Pfeifen der gleichen Länge haben zwar den gleichen Ton, sie können sich aber in ihrer Klangfarbe unterscheiden. Diese entsteht durch Obertöne, die mit jedem Grundton mitschwingen, leiser, aber immer in einem festen Verhältnis zu ihrem Grundton. Je nachdem, wie stark welche Obertöne herauszuhören sind, variiert auch die Klangfarbe. In den so genannten Registern sind Orgelpfeifen mit gleichem Klangcharakter zusammengefasst, sie decken ein ganzes Orchester ab. Einige klingen wie Blasinstrumente, einige ähnlich den Streichern, manche erinnern an den menschlichen Gesang.

Analyse einer Orgel durch das IBP © Fraunhofer IBP

Jede Orgel ist einmalig und auf den Raum zugeschnitten, in dem sie gespielt werden soll. Deshalb müssen sich die Orgelbauer immer wieder auf neue Größen- und Klangverhältnisse einstellen. Selbst nach dem Einbau wird jede einzelne Orgelpfeife anders behandelt als die vorherige. Da werden kleine Fenster in die Pfeifen geschnitten und Spalten geöffnet oder geschlossen, bis die Pfeife den besten Klang hergibt. Einen allgemeingültigen Trick, der den Bau der passenden Orgelpfeifen und deren Feinjustierung vereinfacht, gibt es bisher nicht.

Scharfer Analyseblick

An dieser Stelle setzt die Arbeit der Physiker vom Fraunhofer-Institut an. In Zusammenarbeit mit Orgelbaumeistern haben sie eine Software entwickelt, die zunächst einmal die Töne einer Orgel analysiert. Auf der einen Seite wird der Ton in seine Einzelfrequenzen, in den Grundton und das Spektrum der verschiedenen Obertöne zerlegt. Zum anderen wird der zeitliche Verlauf der Töne präzise angezeigt. Anhand dieser Ergebnisse kann die Geometrie der Pfeife nun dem optimalen Klang angepasst werden. Eine Arbeit, die bisher nur durch Versuch und Irrtum zu bewerkstelligen war.

Bauanleitung aus dem Computer

Außerdem wird derzeit eine Software entwickelt, die den Orgelbauern den Entwurf einer neuen Orgel erheblich erleichtert. Anhand von Raumgröße, Baumaterial, Innenausstattung, Raumgröße und dem Einsatz bestimmter Windsysteme, errechnet die Software automatisch die erforderlichen Größenverhältnisse der Pfeifen. Je nach Klangvorstellung des Auftraggebers, ob die Orgel eher barock oder modern klingen soll, werden auch die notwendigen Register ermittelt.

Gemeinsam mit den Orgelbauern perfektionieren die Physiker zurzeit dieses „Design-Programm“ für Orgeln. Angst um ihren Arbeitsplatz haben die Orgelbauer dabei nicht. Denn auch Physikerin Angster gibt zu: „Der Orgelbau und das Stimmen der Orgel sind eine künstlerische Arbeit, die Erfahrung und ein ausgezeichnetes Gehörerfordern. Ein Computer kann das nicht ersetzen.“


Stand: 02.03.2007

Nadeln gegen Misstöne

Akupunktur für verstimmte Diven

Ralf Schumann, Geigenbauer © MDR

Ralf Schumann ist mittlerweile ein Berühmtheit, nicht nur im Badischen, wo seine Geigenbauerwerkstatt steht. Sondern in seiner ganzen Zunft. Denn der Handwerksmeister hat sich erst mit völlig unerhörten Methoden an den vom ihm gebauten Streichinstrumenten vergangen, dann aber eine Welle an Nachfragen ausgelöst. Jetzt pilgern Besitzer von Stradivaris ebenso zu ihm wie Erste Geiger, Hobbyfiedler oder weltbekannte Stars. Schumann „akupunktiert“ verstimmte Instrumente – und hat Erfolg damit.

Lotterei oder geheimer Trick?

Entdeckt hat er die Möglichkeit der Klangregulierung durch Bilder von Geigen aus dem 18. Jahrhundert. Wertvolle Guadagnini-Geigen zeigten darauf winzige Löcher an der Schnecke. Erst zweifelte Schumann, ob die Löcher Absicht seien oder nur verschlampte Arbeitsspuren. Doch auf Geigen des Meisters Guadagnini konnte er sich letzteres nicht wirklich vorstellen. Deshalb nahm er an, dass die Löcher doch vielleicht absichtlich in das Holz gestochen worden waren und begann, selbst zu experimentieren – mit einem spitzen Zahnarztbohrer.

Getestet, und für gut befunden

Die ersten Testobjekte, die er bearbeitete, waren Schülergeigen – und siehe da, der Klang veränderte sich, je nachdem, wo Schumann stach. Nach und nach entwickelte der Geigenbauer eine ganz eigene Methode der Akupunktur, nicht lange bleiben die Nadeln stecken, wie am Menschen, sondern kurz nur. Das Ziel ist, winzige Löcher im Holz zu hinterlassen. Diese brechen den Schall, der durch den Resonanzkörper läuft, wie ein Schilfrohr am Ufer eines Sees, das auf der Wasseroberfläche entlanglaufende Wellen teilt.

Ralf Schumann akupunktiert eine Geige © MDR

Mittlerweile hat Schumann seine Technik verfeinert. Zunächst klopft er den Korpus des Instruments mit einem Holzstöckchen ab. Auf der Seite der Bass-Saiten von Violinen, Celli oder Bratschen, klingen dann normalerweise die tiefen Töne, auf der Diskantseite die hohen Töne. Manchmal sind die Töne jedoch vertauscht, weil sich das Holz am Instrument minimal verzogen hat. Dann setzt Schumann die kleinen Einstiche, nur wenige Zehntel Millimeter groß. Auch an Schnecke, Steg oder Griffbrett kann er seine Korrekturen vornehmen.

Schon früher haben Geigenbauer und Musiker versucht, den Klang ihres Instruments zu verbessern. Robert Schumann soll seine Geige erwärmt, geknetet und massiert haben. Ob mit Erfolg, ist nicht überliefert.

Wissenschaftlicher Beweis erbracht

Dass die Löcher von Schumann den Klang tatsächlich verändern, ist jetzt aber wissenschaftlich bewiesen, durch Frequenzmessungen am Musikwissenschaftlichen Institut Hamburg. Die Frequenzbänder der im Labor vor und nach der Akupunktur vermessenen Instrumente wiesen minimale, aber eindeutige Veränderungen auf. Damit hat Schumann selbst die letzten Zweifler überzeugt.

Nun hat der Geigenbauer seinen Patientenkreis auch erweitert. Sogar Klaviere, Klarinetten und Harfen hat er mittlerweile akupunktiert. Seine nächsten Versuchsobjekte: Stereoboxen


Stand: 02.03.2007

Der akustische Fingerabdruck

Kampf den namenlosen Ohrwürmern

Man sitzt im Auto, hört Radio – und dann kommt dieser Song, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht, der einen verfolgt, von dem man nichts weiter im Kopf hat als eine Endlosschleife der immer gleichen, wenn auch netten Melodie. Kein Interpret. Kein Titel. Nichts. Allen, die von diesen namenlosen Ohrwürmern geplagt werden, winkt jetzt Erlösung.

High-Tech aus den Kinderschuhen

Denn die vor drei Jahren preisgekrönte Software AudioID, die am Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie IDMT zur Erkennung akustischer Fingerabdrücke entwickelt wurde, ist mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen. Der neueste Coup der Firma m2any, die die Lizenz für Nutzung und Vertrieb der Software vom IDMT erworben hat, ist die Zusammenarbeit mit BMW und die Integration der Software direkt ins Armaturenbrett.

Per Tastendruck kann ein gerade im Radio laufenden Musikstück erkannt werden, Titel, Interpret und Album-Cover sind sofort abrufbar. Wer das Lied gleich kaufen möchte, erhält auch den Link zu einem Onlineshop – und nach Bezahlung landet der Titel kurz darauf im ins Auto integrierten MP3-Player.

Eindeutige Frequenzanalyse

Die Akustik-Erkennungs-.Software AudioID, die auch für PC und Mobiltelefone angeboten wird, funktioniert nach folgendem Prinzip: Jedes Musikstück hat einen ganz individuellen Klang, den akustischen Fingerabdruck, der sich aus Melodie, Instrumentalisierung und Gesang ergibt. AudioID analysiert das Frequenzspektrum des Lieds und berechnet die so genannte „spektrale Flachheit“. Damit wird beschrieben, wie sich ein Signal innerhalb des Frequenzspektrums verhält. Harter, differenzierter Rhythmus entspricht eher einem Wert eins, gleichförmiger Singsang liegt um 0. Der Wert der spektralen Flachheit ist eindeutig und identifiziert jeden beliebigen Song.

Damit aber auch der Autofahrer von dieser Technik profitiert, muss das Auto zum Server der Firma m2any, die diesen Dienst anbietet, Verbindung aufnehmen. Denn hier liegen Tausende von akustischen Fingerabdrücken bekannter Lieder. Ist der Radiosong identifiziert, werden dem Auto die notwendigen Metadaten für den Song zugefunkt. Ähnlich der menschlichen Wahrnehmung toleriert das System auch geringe Signalstärken oder akustische Verzerrungen.

Nie wieder Daten-Chaos

Weitere Anwendungen sieht Matthias Glatschke, der Geschäftsführer von m2any, in diesen Bereichen:

„Durch die Fähigkeit der Sprach-Musikunterscheidung eignet sich die Technologie auch zur vollautomatisierten Broadcast-Protokollierung bei Radio- und im Fernsehsendern. Diese gestattet die Absicherung von Tantiemenzahlungen für gespieltes Material und eine statistische Auswertung von Programmen zur Einzeltitelerfassung oder der Chartanalyse. Selbst größte Audioarchive können klassifiziert werden. AudioID ermöglicht aber auch die Suche spezifischer Inhalte im Internet. Beschränkungen auf Dateinamen und subjektiv vergebene Schlagworte gehören damit der Vergangenheit an.“

Mit dem akustischen Fingerabdruck könnte sich also nach dem MP3-Format, das auch im IDMT entwickelt wurde, eine Erfolgsstory deutscher High-Tech-Forschung wiederholen.


Stand: 02.03.2007