"Take off" für den König der Lüfte

Adler

Steinadler © Edda Schlager

Sie sind auf fast jedem Kontinent zu Hause und werden als edelste aller Vögel verehrt. Paare sind sich ein Leben lang treu, nur neigen manche zum Brudermord. Einer mag Schlangen, einer Faultier, andere gehen zu Fuß zur Jagd. Adler, die Könige der Lüfte, sind weitaus vielfältiger, als man denkt.

Faszinierend sind sie, wenn sie, nur noch als Silhouette zu sehen, am Himmel ihre Kreise ziehen. Scheinbar entrückt, lernen nur wenige Menschen Adler von nahem kennen. So wie die dänische Paragliderin, die am liebsten nur mit mit ihrem Lieblingsadler gemeinsam in die Luft geht. Oder die Berkutschi, die Adler-Jäger Zentralasiens, für die der Greifvogel Gefährte und Jagdgehilfe gleichermaßen ist.

Adler gelten als größte Herausforderung für einen Falkner, schenken aber uneingeschränkte Treue, wenn sie erst Vertrauen gefasst haben.

Die Wappentiere vieler Staaten und Institutionen – auch Deutschlands – haben es jedoch nicht leicht. Als Dauergäste auf der Roten Liste sind viele Adlerarten vom Aussterben bedroht. Lebenraum ist knapp, der Nachwuchs zu spärlich.

Ein Blick in die Welt der Adler, wo nicht jeder tatsächlich das ist, was er vorgibt zu sein, aber jeder sein eigenes kleines Reich als König der Lüfte beherrscht.

Edda Schlager
Stand: 15.12.2006

Eins mit dem Adler – ein Leben lang

Der letzte Berkutschi

Adler auf Motorblock © Edda Schlager

Der Adler sitzt auf einem Vierzylinder-Motorblock direkt neben einem verrosteten Moskwitsch. Eigentlich kein Platz für eine stolze Kreatur, die als König der Lüfte gilt. Doch trotz des Schrotts um ihn herum ist der Vogel ein selten schönes Exemplar: Klauen und Schnabelansatz sind kräftig gelb– ein Indiz dafür, dass er gutes Futter bekommt, das Gefieder goldbraun, wie es sich für einen Steinadler gehört. Die zwölf Schwanz- oder Stoßfedern sind gleichmäßig und nicht zerrupft. Und obwohl er eine kleine Lederhaube auf dem Kopf trägt, die ihm die Sicht nimmt, ist er aufmerksam und plustert ärgerlich die Nackenfedern auf, wenn sich ihm ein Fremder nähert. Fortfliegen kann er nicht, mit einem Lederriemen um die Füße ist er am Motorblock festgebunden.

„Ein guter Adler,“ ist Schünnes überzeugt, „mit ihm lohnt sich die Jagd.“ Am Adler liegt es also nicht, dass der Alte heute zu Hause sitzt und nicht zwischen den kahlen Steppenbergen und schroffen Canyons unterwegs ist. Doch Schünnes selbst geht es nicht so gut – obwohl er noch ohne Probleme auf sein Pferd kommt. Schünnes ist 86. Da hat auch einer wie er die wildesten Jagden seines Lebens bereits hinter sich.

Der alte Schünnes © Edda Schlager

Schünnes ist einer der letzten Adlermenschen Zentralasiens, ein echter Berkutschi – einer, der die Jagd mit dem Adler als persönliches Handwerk versteht. Sein ganzes Leben lang hat der weißbärtige Alte hier gelebt, am Dreiländereck zwischen Kirgistan, Kasachstan und China. Ob er Kasache oder Kirgise ist, weiß er selbst nicht. Grenzen haben ihm nie etwas bedeutet. Bis heute kennt er Pfade in den Bergen, auf denen er zu Pferd in ein paar Stunden in China oder Kirgistan ist – ohne je einem Grenzposten zu begegnen.

Zu jeder Zeit hat Schünnes zwei oder drei Adler besessen, Steinadler, um genau zu sein. Seine Vorfahren haben die Jagd mit diesen großen Greifvögeln erfunden und perfektioniert. In den Weiten der zentralasiatischen Steppen und den Bergen des Tien Shan und des Altai nutzten die Nomaden schon vor ein paar Jahrhunderten die besonderen Fähigkeiten der Steinadler, um Hasen, Zieselmäuse, aber auch Antilopen, Füchse und sogar Wölfe zu fangen.

Schünnes selbst ist mit Adlern aufgewachsen, sein Vater hat ihm das Wissen vererbt. Etwa 30 bis 40 Jahre alt kann ein Steinadler werden. Doch um einen Jagd-Adler aus ihm zu machen, muss er schon als Jungvogel an den Menschen gewöhnt werden. Bei den Berkutschi üblich ist der Raub von jungen Adlern direkt aus dem Horst. „Werden die Jungen von den Eltern aufgezogen, sind sie gut entwickelt und kräftig,“ so Schünnes. Beliebt seien auch dreijährige Adler, so genannte „Tastuleks“, die den ersten Gefiederwechsel hinter sich haben und schon selbst jagen können.

Leben mit dem Adler © Edda Schlager

Das Abrichten der Vögel erfordert Geduld. Tagelang sitzen die Adler auf dem „Yrgak“, einer Schaukel aus einem dicken Ast, halten dabei stets das Gleichgewicht. Wenn sie müde sind, bekommen sie Pferde-, Rind- oder Schaffleisch. Und streicheln muss der Berkutschi den Adler, damit der Vertrauen gewinnt. Schließlich darf der Vogel an einer Leine fliegen und mit einem Balg die Jagd üben. Die wahre Kunst der Berkutschi wird sichtbar, wenn der Vogel nach dem ersten Freiflug tatsächlich auf die Faust zurückkehrt.

Wer heute erzähle, ein Adler müsse gebrochen werden, um mit ihm zu jagen, verbreite Unsinn, so Schünnes. Viel Pflege und Zuwendung seien notwendig. „Die Adler haben früher wie Familienmitglieder gelebt.“ Er selbst habe in jungen Jahren noch in einer Jurte gewohnt – zusammen mit den Adlern, erzählt er.

Heute lebt Schünnes in einem halb verfallenen Blechhaus, seine Frau ist vor ein paar Jahren gestorben. Eine der Töchter kümmert sich noch um ihn. Doch von den Enkeln interessiert sich keiner für die Jagdkunst des Alten, es zieht sie in die Stadt, wo sie nicht in einem Dorf aus Blechhütten wohnen, mit unbefestigten Straßen, die im Sommer die Häuser in Staubwolken hüllen und bei Regen zu Schlammbächen werden.

Dass die Adler heute Touristen-Attraktionen sind, wissen Kasachen und Kirgisen gleichermaßen. Ein Foto mit einem Adler auf der Hand, zur Erinnerung, kann dann für Ausländer schon mal 20 Euro kosten. Auch eine Jagd zu Pferd ist möglich, wenn der Gast nur ausreichend zahlt. Dass die Adler oft in schlechtem Zustand sind, die Federn kupiert oder stumpf, sieht ein Laie kaum. Schünnes schüttelt über die modernen Berkutschi nur den Kopf. „Mit uns Alten sterben die Traditionen der Adlerjagd aus,“ ist er überzeugt.

Wann Schünnes seine nächste Jagd plant? Er weiß es noch nicht. Vielleicht versucht er es am Ende des Winters noch einmal, wenn das Wetter etwas milder ist. Vielleicht lässt er diesen Adler aber auch bald frei. Denn das gehört ebenso zum Berkutschi: Wenn er fünf oder sechs Jahre mit einem Adler gejagt hat, entlässt er ihn wieder in die Natur.


Stand: 15.12.2006

Sprachverwirrung im Adler-Dschungel

Von echten und „unechten“ Adlern

Adler, wegen ihrer Eleganz und ihres Kampfesmuts ein beliebtes Wappentier über alle Kulturkreise hinweg, gehören zu den größten Greifvögeln der Erde und damit zu den größten flugfähigen Vögeln überhaupt. Zweieinhalb Meter Flügelspannweite sind bei großen Exemplaren durchaus normal, bei Riesenseeadlern oder Kampfadlern beispielsweise. Allen Raubvögeln gemeinsam, nicht nur den Adlern, ist der kräftige, gebogene Schnabel, wobei die obere Hälfte stets die untere überragt und scharfe Schneidekanten besitzt. Denn der Schnabel ist das wichtigste Instrument der Vögel, um ihre Beute regelrecht zu zerlegen.

Steinadler im Flug © Alexander Binder

Lediglich Falken töten ihre Beute mit einem Biss in die Halswirbelsäule oder in den Kopf. Alle anderen Raubvögel, die nicht ausschließlich von Aas leben, wie beispielsweise Geier, schlagen ihre Beute mit den Krallen, daher auch der Name Greifvogel. Beim Griff mit den vier spitzen Klauen perforieren die Vögel das Opfer an Kopf oder Rücken und verletzen so lebenswichtige Organe, was schnell zum Tod der Beute führt. Großen Greifvögeln ist es so möglich, nicht nur Hasen, Rehkitze oder junge Antilopen zu fangen, sondern auch Wölfe, Wildschweine, Hirsche oder Robben.

Beim Blick auf die Systematik der Greifvögel wird jedoch schnell klar – Adler ist nicht gleich Adler. Vor allem im Deutschen herrscht regelrechte Sprachverwirrung, denn, so scheint es, jedem einigermaßen ansehnlichen Greif wurde mit dem Attribut „Adler“ eine besondere Auszeichnung erteilt. Doch die genetischen Unterschiede zwischen einzelnen Adlerarten sind manchmal so groß, dass beispielsweise Fischadler und Steinadler systematisch so weit voneinander entfernt sind wie Tiger und Hyänen. Steinadler und Bussarde jedoch sind sich so nah wie Tiger und Puma.

Aquila, die „echten“

Die Gattung der „echten Adler“ Aquila besteht aus zwölf Arten. Dazu gehören beispielsweise die in gemäßigten Breiten beheimateten Stein-, Schrei- und Schelladler, der Kaiseradler Süd- und Südosteuropas, der Steppenadler, der von Ungarn bis in die Mongolei zu finden ist, die in Afrika heimischen Raub- und Kaffernadler oder der in Australien lebende Keilschwanzadler. Diese „echten Adler“ gehören zur Familie der Habichtartigen, und innerhalb dieser zur Unterfamilie der Bussardartigen.

Habichtartige – die Adlerfamilie

Eine eigene Unterfamilie innerhalb der Familie der Habichtartigen sind beispielsweise die Schlangenadler mit 14 einzelnen Arten. Mit ihnen

Adlerbussard © Edda Schlager
sind die „echten Adler“ nicht stärker verwandt als beispielsweise mit Habichten, Milanen oder Geiern. Eigene Gattungen wiederum bilden neben den „echten Adlern“ auch die weltweit verbreiteten Seeadler mit acht einzelnen Arten, die in Afrika heimischen Kronen- und Kampfadler oder die Würg-, Schopf-, Affen-, Habichts- und Haubenadler.

Die auch in Deutschland heimischen Fischadler dagegen stehen in der Systematik übergeordnet als eigene Greifvogel-Familie gleichberechtigt neben den Habichtartigen, den Falkenartigen und den Sekretären.

Um die Verwirrung perfekt zu machen, gibt es beispielsweise auch den Adlerbussard, der mit Adlern überhaupt nichts zu tun hat, sondern zur Gattung der Bussarde gehört, und wegen seiner Größe so benannt wurde. Und die in Südamerika lebende Harpyie trägt den Beinamen „Waldadler“, weil sie in den Gipfeln des tropischen Regenwalds im Amazonasgebiet zu Hause ist.


Stand: 15.12.2006

Auf Adlerschwingen über Kontinente

Einmal um die ganze Welt …

Adler sind Kosmopoliten. Bis auf die Antarktis sind sie auf allen Kontinenten zu Hause, einige endemisch wie der Papua- und der Philippinen-Adler. Der Steinadler dagegen ist auf der ganzen Nordhalbkugel verbreitet. Und der Schreiadler wird, je nach „Geburtsort“, sogar zum Zugvogel und überwintert in Afrika. Ob „echt“ oder „unecht“, viele Adler sind wahre Spezialisten, die sich perfekt an die jeweiligen Lebensbedingungen angepasst haben.

Fische oder Schlangen?

Fischadler © NASA

Wie der Name verrät, haben sich die Fischadler auf Fische als Beute spezialisiert. Um an ihr bevorzugtes Futter zu gelangen, bauen sie die Nester oft in freistehende Bäume in der Nähe ihrer Jagdgewässer, an fischreichen Seen oder seichten Flussläufe. Der Fischadler „rüttelt“ häufig wie ein Falke, er steht über einem Gewässer in der Luft, um seine Beute zu erspähen. Durch das Wasser hindurch sieht der Greifvogel, wann sich ein Fisch der Oberfläche nähert, stößt dann hinab und trägt den Fang anschließend zu seinem Horst.

Ein ebensolcher Nahrungsspezialist ist der Schlangenadler. Er ernährt sich von Schlangen und Eidechsen und liebt deshalb warme, offene, mit Sträuchern und Bäumen durchsetzte Gebiete – Steppen, Savannen, offene Wälder oder Wüstenlandschaften

Geschmähtes Wappentier

„Er ist ein Egoist, neigt zur Trägheit, lässt andere für sich arbeiten, geht auf Raub aus und ist doch ein armer, verlauster Wicht.“ Mit diesem Urteil muss der Wappenvogel der USA leben. Kein geringrer als Benjamin Franklin kanzelte den größten Greifvogel Nordamerikas, den Weißkopfseeadler, derartig ab. Franklin hätte lieber den Truthahn im Wappen der Vereinigten Staaten gesehen, doch der Adler setzte sich durch – wohl wegen seines markanten Aussehens mit dem leuchtend weißen Kopf. Wie viele Seeadler frisst der Weißkopfseeadler meist Fisch oder Wasservögel. Die Flügelspannweite des amerikanischen Wappenvogels kann bis zu 2,30 Meter reichen, bis zu sechs Kilo bringt ein ausgewachsenes Weibchen auf die Waage. Heute ist der einst über den ganzen Kontinent verbreitete Adler nur noch an der Ost- und Westküste und in Alaska zu finden.

Faultiere, Vorsicht!

Ein Ungeheuer mit einem Frauenkopf und dem Körper eines Greifs, stets auf den Raub von Kindern und Nahrung aus – so wurde die Harpyie in der griechischen Mythologie dargestellt. In der Realität müssen sich vor allem Faultiere vor den Waldadlern der Amazonaswälder Südamerikas in acht nehmen. Vor allem, wenn sie von einem Baum zum nächsten umziehen und zu Fuß auf dem Waldboden unterwegs sind: Denn mit bis zu 80 Kilometer pro Stunde jagen die Flugkünstler trotz ihrer Spannweite von zweieinhalb Metern und einem Gewicht von bis zu neun Kilogramm in Korridoren durch den Regenwald. Bei einem Angriff mit dieser Wucht haben die langsamen Faultiere keine Chance.

Luftangriff in der Savanne

Ebenso tollkühn wie die Harpyie jagt der Kampfadler in den Savannen Afrikas. Warane, Paviane, junge Warzenschweine, Impalas und Thomsongazellen, Schakale, niemand ist vor dem mit fünf Kilogramm gar nicht besonders großen Greifvogel, der nur auf dem afrikanischen Kontinent lebt, sicher. Seine Beute fängt der Kampfadler entweder im Sturzflug aus großer Höhe. Oder er „schleicht“ sich, tief über dem Boden segelnd, an seine Opfer heran. Die Jagdreviere der afrikanischen Adler sind bis zu 500 Quadratkilometer groß. Allerdings legt jedes Adlerpaar nur ein Ei, und nicht jedes der Jungen überlebt. So hat die Natur dem oftmals erfolgreichen Angriffen aus der Luft einen Riegel vorgeschoben. Die Reproduktionsrate liegt nur bei knapp 0,7 Prozent.

Australisches Multitalent

Was in Afrika, Amerika oder Europa die Geier übernehmen, nämlich totes Wild beiseite zu schaffen, erledigt in Australien der Keilschwanzadler, denn Geier gibt es in Australien nicht. Obwohl der „echte Adler“ mit dem typischen gegabelten Schwanz Aas frisst, ist er aber auch selbst ein guter Jäger. In bis zu 2.000 Metern Höhe fliegt der Adler. Warum, ist noch nicht geklärt. Alle Greifvögel haben besonders gute Augen, um ihre Beute zu erspähen, doch der Keilschwanzadler kann sogar Infrarot- und ultraviolettes Licht erkennen.

Sibirische Invasion in Japan

Riesenseeadler © Alexander Binder

Der größte Seeadler und einer der größten Greifvögel überhaupt ist der Riesensee- oder Meeradler. Die Weibchen, die einen stärkeren Größenunterschied zu den Männchen aufweisen als bei anderen Adlern, erreichen Flügelspannweiten von zweieinhalb Metern und werden bis zu neun Kilogramm schwer. Der Schnabel, der eher dem kompakten Schnabel eines Papageientauchers ähnelt, wird bis zu acht Zentimeter lang. Riesenseeadler leben in Nordostasien, auf Kamtschatka und an den Küsten des Ochotskischen Meers und der Beringsee. Wie alle Seeadler lebt er hauptsächlich von Fisch und kleinen Wasservögeln. Die Wintermonate verbringt er anstatt an den kalten, sibirischen Küsten an den Oberläufen von Amur und Ussuri oder auf den japanischen Inseln. Auf Hokkido überwintern manchmal bis zu 2.000 Seeadler.


Stand: 15.12.2006

Die Rätsel des Haastadlers

Verstorbener Riese

Riesenseeadler oder Harpyien oder auch die noch größeren Gänse- oder Mönchsgeier sind nichts gegen einen Giganten der Lüfte, der einst in Neuseeland lebte. Der Haastadler, benannt nach seinem Entdecker Julius von Haast, wog bis zu 14 Kilogramm. In die Luft schwang sich der Riesengreifvogel mit Flügeln von einer Spannweite bis zu drei Metern.

Haastadler beim Angriff auf Moas © McMaster University

Der Haastadler ernährte sich vorwiegend von Moas, großen flugunfähigen Laufvögeln, die bis zu 200 Kilogramm wogen, aber auch von Riesengänsen, die, nur wenige Kilo schwerer als der Adler, ebenfalls nicht fliegen konnten. Zur Zeit der Riesenadler gab es außer Riesengeckos von einem halben Meter Länge keine Bodenraubtiere, so dass der Adler seine Beute nie sichern musste. Deshalb konnte er auch sehr große Tiere erlegen, an denen er tagelang herumfraß, ohne sie gegen andere Räuber verteidigen zu müssen.

Als die Maoris Neuseeland im 14. Jahrhundert besiedelten, war das Schicksal der Riesenadler besiegelt. Weil er große Zweibeiner in seinem Beutespektrum hatte und deshalb als Menschenfresser galt, wurde er gezielt gejagt. Das belegen Felszeichnungen der Maori. Zudem rotteten die Menschen die flugunfähigen Laufvögel aus, so dass der Raubvogel am Ende der Nahrungskette mit in Mitleidenschaft gezogen wurde. Um 1700 etwa war auch der Riesenadler ausgestorben.

Füße eines Haast- und eines Kaninchenadlers © McMaster University

Als Wissenschaftler von der McMaster University in Hamilton im Jahr 2005 die Verwandtschaft zwischen dem Haastadler und dem noch heute lebenden australischen Keilschwanzadler feststellen wollten, machten sie eine erstaunliche Entdeckung. Anhand von DNA-Sequenzen aus etwa 2.000 Jahre alten fossilen Knochen kamen sie dem Stammbaum des Riesenadlers tatsächlich auf die Spur. Diese führte sie jedoch nicht zum Keilschwanzadler, einem „echten Adler“ der Gattung Aquila, sondern zum Kaninchenadler, dem kleinsten Vertreter der Habichtsadler – und dem kleinsten Adler überhaupt. Nur ein Kilogramm schwer wird ist der Vetter des Riesenadlers.

Vor weniger als einer Million Jahren trennten sich die Evolutionslinien der beiden Adlerarten, vermuten die Wissenschaftler. Dass der Riesenadler in dieser kurzen Zeit das Zehn- bis Fünfzehnfache an Gewicht zulegte, war selbst für die Experten eine Überraschung. Doch unter den Bedingungen auf Neuseeland war die Größe für den Riesenadler ein entscheidender Vorteil, mit der er sich zum Herrscher des Ökosystems entwickelte.


Stand: 15.12.2006

Steppenadler filmt für die Wissenschaft

Eine Dänin hebt ab

Lousie Crandal und Cossack © Lousie Crandal

„Versuch es nicht mit einem Adler,“ war der Rat, den Louise Crandal von Bekannten und Freunden erhielt, als sie einen lang gehegten Traum in die Wirklichkeit umsetzen wollte.

Seit Jahren hatte die dänische Journalistin und begeisterte Paragliderin schon die Idee im Kopf, zusammen mit Greifvögeln zu fliegen. Als sie der Vogeltrainer Scott Mason nach Nepal einlud, um ein erstes Training im Umgang mit Greifvögeln zu bekommen, hielt sie nichts mehr bei der Finanzzeitung in Kopenhagen, wo sie zu dieser Zeit arbeitete.

Erste Lektion in Nepal

Anstatt vier Wochen zu bleiben, wie geplant, verbrachte sie drei Monate in Nepal. Ihre ständige Begleiterin wurde eine Schwarzmilan-Dame, von der sich Crandal beim gemeinsamen Flug so viel abschaute, dass sich sogar ihre eigenen Flugkünste verbesserten, weil sie die Thermik besser beherrschte.

Zurück in Dänemark kam wieder die Idee mit dem Adler auf. Denn das war es, was Crandal bis dahin als unerfüllbaren Wunsch abgetan hatte. Trotz der Ratschläge legte sich Crandal einen jungen Steppenadler zu, der, wie sie sagt, zu Beginn aus purer Angst von ihrer Hand gefallen sei.

Cossack, der Steppenadler

Paragliding mit Adler © Louise Crandal

Doch sechs Wochen, nachdem sie den Vogel aufgenommen hatte, flogen die beiden das erste Mal gemeinsam. Und Cossack, der Steppenadler, landete während des Paragliding-Fluges auf Crandals Hand. „Ohne ihn zu fliegen, macht mir mittlerweile keinen richtigen Spaß mehr,“ so Crandal. Wenn sie ihn an stürmischen Tagen alleine fliegen lasse, ohne dass sie mit aufsteigt, hätte auch er keine große Lust, lange allein draußen zu bleiben. „Er folgt mir überall hin, und wenn wir gemeinsam fliegen, ist er so vertrauensvoll und unabhängig, dass er von meiner Hand losfliegt und auf sie zurückkehrt, wie es ihm Spaß macht,“ so die Paragliderin über ihren Fluggefährten.

Spionkamera on board

Weil der Flug mit dem Adler so ungewöhnlich ist, sind auch britische Wissenschaftler aus Oxford auf Cossack aufmerksam geworden. Sie nutzen den Steppenadler mittlerweile als „Kameramann“. Die Forschergruppe hat winzige Kamera-Packs entwickelt, die dem Adler auf dem Rücken oder am Bauch befestigt werden, so dass sie den Kopf, die Flügel oder den Schwanz im Sucher haben.

Dabei werden beispielsweise Schwanzspreizung, Längsneigungswinkel und Querneigung des Vogels gemessen und sofort über einen Radiosender an eine Bodenstation übertragen. Auf diese Weise wollen die Wissenschaftler die Bewegungsabläufe des Adlers untersuchen und vor allem hinter die Steuerungsmechanismen beim Flug kommen.

„Bisher zeigen die Ergebnisse, dass Kopfbewegungen sehr wichtig für den Flug sind,“ so der Zoologe Graham Taylor. „Immer wenn der Vogel sich in eine Kurve legt, ruckt er mit dem Kopf in diese Richtung. Ich habe die Theorie, dass der Vogel in die Richtung schaut, in die er möchte, und der Körper ‚zieht’ quasi nach.“ Wie der Adler steuere, sei jedoch noch nicht klar.

Die Wissenschaftler hoffen, mit ihren Erkenntnissen Impulse zur Entwicklung neuartiger Designs für „intelligente“ Flugzeugtragflächen zu setzen, die beispielsweise je nach Flugphase ihre Form und Lage verändern können.


Stand: 15.12.2006

Mit Steinadlern auf Beizjagd in Österreich

Timur gibt nicht auf

Garaj und Timur © Alexander Binder

Falls Vladimir Garaj aufgeregt ist, lässt der Slowake sich nichts anmerken, denn sein Schützling darf keine Nervosität spüren. Timur ist ein sechs Monate altes Steinadler-Männchen, und an diesem Tag soll er lernen, wie ein Adler Hasen fängt. Noch sitzt der goldbraun gefiederte Greifvogel ruhig auf der linken Hand Garajs. Der trägt einen schweren Lederhandschuh, damit ihn die Krallen des Adlers nicht verletzen. Über den Kopf gestülpt hat Timur eine kleine Lederhaube, die seine Augen verdeckt. „So bleibt der Vogel ruhig und wird nicht abgelenkt,“ erklärt Garaj.

Jagdsaison im Winter

Ablenkung gäbe es genug. Denn Garaj ist gemeinsam mit acht anderen Falknern und deren Vögeln unterwegs. Aus Schottland, Frankreich, Belgien und Deutschland sind die Jäger nach Retz in Niederösterreich gekommen, für ein nicht ganz alltägliches Schauspiel: Eine Jagd mit Steinadlern.

Steinadler © Alexander Binder

Mit arroganter Gelassenheit lassen sich die Greifvögel aus ihren Transportkisten holen. Ab und zu flattert einer mit nervösem Flügelschlagen auf, wird jedoch am „Geschüh“, dem um die Adlerklauen gebundenen Lederriemen, vom Falkner zurückgehalten, um sich schließlich ruhig auf dem Handschuh zurechtzusetzen.

Niederösterreich ist eine ideale Gegend für die Beizjagd, die Jagd mit Greifvögeln. Anstelle von riesigen Feldern beackern die Bauern hier viele kleine, manchmal nur einen oder zwei Hektar große Schläge. Wie Handtücher reihen sich Weinstöcke, Sonnenblumen- und Kürbisfelder aneinander, durchbrochen von Hecken. Hier fühlen sich Feldhasen, ein typisches Beizwild, besonders wohl. Hasen gibt es hier noch so viele, dass sie von Oktober bis Mitte Januar begrenzt gejagt werden dürfen.

Als Jagdleiterin Monika Hiebeler ein Zeichen gibt, stellen sich die Falkner, ihre Vögel auf der Faust, am Rande eines Stoppelfelds in einer Reihe auf, jeweils mit ein paar Metern Abstand zum nächsten Mann. Dann setzt sich die Kette langsam in Bewegung.

Pech für Timur

Jagdglück © Alexander Binder

Nach einem schweigsamen Marsch durch die Stoppeln springt schräg vor Falkner Garaj plötzlich ein Hase auf und prescht davon. „Hase!“ ruft der Nebenmann. Und noch während Garaj den Ruf mit „Adler!“ erwidert und damit den anderen Falknern zeigt, dass sein Adler fliegt, zieht er Timur blitzschnell die Haube vom Kopf, und wirft den Vogel in die Luft. Timur segelt über das Feld, doch dann hält er einen kurzen Augenblick inne, um den Hasen zu suchen. Dieser Moment entscheidet den Kampf. Zwar stößt der junge Adler hinab, doch er verfehlt den Hasen. Timur will der Beute hinterher. Doch ehe der schwere Vogel sich wieder aufgeschwungen hat, ist der Hase längst entkommen.

„Auch Adler müssen üben,“ kommentiert Garaj den Fehlversuch. Dennoch ist er stolz auf Timur. Als Anfänger hat der seine Sache sehr gut gemacht. „Timur gibt nicht auf. Das ist wichtig, auch bei Adlern.“

Treu wie ein Hund, aber faul

Als Garaj den Vogel mit einem Pfiff ruft, kommt der gehorsam auf die Faust zurück. Jeder der Vögel habe eine eigene Persönlichkeit, ist er sicher. Und jeder baut eine enge Beziehung zu seinem Bezugsmenschen auf. Theoretisch könnten die Adler ja auch davonfliegen. Doch wenn sich schon der Jungvogel an einen bestimmten Menschen gewöhnt, „wird er anhänglich wie ein Hund,“ so Garaj.

„Steinadler sind von Natur aus faul,“ erklärt Monika Hiebeler. „In der Natur hocken sie fast den ganzen Tag auf einem höher gelegenen Ansitz und jagen nur, wenn die Beute sicher scheint. Eine Beizjagd, bei der sie ihren Flug von der Hand des Falkners starten, entspricht also ihrem natürlichen Verhalten“ Hiebeler, eine resolute Mittvierzigerin, betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Josef einen Falknereibetrieb in der Nähe von Retz, nordöstlich von Wien.

Altes Hndwerk

Hier pflegen die Hiebelers das alte Handwerk, das in Europa seit dem Barock Tradition hat. Allerdings kommen dabei bis heute normalerweise nur kleine Greifvögel zum Einsatz – Wanderfalken, Gerfalken oder Habichte. Die Beizjagd selbst war Jahrhunderte lang ein Privileg des Adels. Heute dagegen kann jeder eine Falknerei-Prüfung ablegen. Und dabei geht es nicht nur um die Jagd, sondern vor allem um die richtige Pflege und Haltung der Vögel. Laut Josef Hiebeler ist die Falknerei „die beste Form, Greifvögel in Gefangenschaft zu halten.“ Denn weil die Vögel regelmäßig Freiflug erhielten und selbst jagen könnten, komme dies dem Leben der Vögel in Freiheit am nächsten, so der Adler-Experte.

Seit über 20 Jahren fährt Josef Hiebeler immer wieder nach Zentralasien. Hier, wo der Ursprung der Jagd mit dem Steinadler liegt, hat sich der Österreicher viel von den Adlermännern, den Berkutschi, abgeschaut. Mittlerweile züchtet Hiebeler selbst Jagd-Adler – für Falkner die einzige Möglichkeit, legal an einen Adler zu gelangen. 5.000 Euro kostet so ein Zuchttier. Etwa 50 Steinadler werden in Österreich von Falknern gehalten, schätzt Hiebeler. Dagegen gibt es noch etwa 1.000 wildlebende Steinadler-Brutpaare in den Alpen, davon etwa 300 in Österreich und 50 im Allgäu in Bayern.

Fairer Kampf

Der Unterschied der Beizjagd zu einer Jagd mit Schusswaffen ist für Monika Hiebeler offensichtlich. „Adler sind aufgrund ihres großen Gewichts Kurzstreckenflieger,“ erklärt. „Ähnlich wie Löwen müssen sie ihre Beute beim ersten Versuch fassen, sonst entkommt das Wild.“ Genau so groß, wie die Aussicht auf einen Jagderfolg für den Falkner, ist also auch die Chance für den Hasen, den tödlichen Klauen des Adlers zu entkommen. „Die Beizjagd ist ein fairer Kampf, wie er sich in der Natur täglich abspielt,“ so Hiebeler.


Stand: 15.12.2006

Seeadler erholen sich

Hoffnung für das Deutsche Wappentier

Der mit Abstand mächtigste Adler Deutschlands ist der Seeadler. Nicht nur, dass er einst das D-Mark-Stück zierte, die Währungsumstellung souverän meisterte, auch auf der 1-Euro-Münze landete und als „fette Henne“ im Bundestag hängt – der Seeadler ist auch der größte Adler Mitteleuropas. Nur Mönchs-, Bart- und Gänsegeier übertreffen ihn in Flügelspannweite und Gewicht. Der Seeadler selbst wird bis zu sieben Kilogramm schwer und hat bis zu 2,50 Meter weite Schwingen. Das deutsche Wappentier hat allerdings mit den „echten Adlern“ nichts zu tun. Verwandtschaftlich steht er den Rot- und Schwarzmilanen viel näher.

Steinadler, Schreiadler, Fischadler und Seeadler, das sind die in Deutschland beheimateten „Adler“-Arten. Neben dem Steinadler, der in den Alpen eine stabile Population bildet, geht es dem Seeadler mittlerweile am besten. Umweltschützer verzeichnen bei dem großen Greifvogel, der in bewaldeten Seen-, Küsten- und Flusslandschaften lebt und sich von Fisch, Wasservögeln und Kleinsäugern ernährt, seit Jahren steigende Bestandszahlen.

Bestand in 25 Jahren vervierfacht

531 Brutpaare wurden in diesem Jahr in Deutschland gezählt. Seit 1980 habe sich der Bestand somit vervierfacht, so der WWF, der sich seit den 60er Jahren für den Schutz der anspruchsvollen Greifvögel einsetzt. Jahrhunderte lang waren die Adler mit Fallen und Schusswaffen verfolgt worden. Und vor allem das Pestizid DDT hatte den Bestand schwer in Mitleidenschaft gezogen. Das Insektengift ließ die Eierschalen der Seeadler immer dünner und zerbrechlicher werden. Weil auch der typische Lebensraum der Adler durch Landwirtschaft und eine zunehmende Zersiedelung der Landschaft eingeschränkt wurde, standen die Greifvögel in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts fast überall in Europa am Rande des Aussterbens.

Junger Seeadler © Edda Schlager

Mittlerweile gibt es europaweit wieder etwa 6.000 Brutpaare. Allein in Mecklenburg-Vorpommern zählte man in diesem Jahr 235 Paare. Zu verdanken sei diese positive Entwicklung auch der Wiedervereinigung, so Thomas Neumann, Adlerexperte vom WWF. Nach dem Fall der Mauer war es Umweltschützern gelungen, in ausgewählten Gebieten Schleswig Holsteins, Mecklenburg-Vorpommerns oder Brandenburgs große Flächen zu kaufen und Schutzgebiete für die Seeadler auszuweisen.

Hier stehen die Vögel unter strenger Beobachtung, meist durch ehrenamtliche Hobby-Ornithologen. Die Horstplätze in den Nationalparks und Naturschutzgebieten sind durch die EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt, können aber von Besuchern aus sicherer Entfernung beobachtet werden.

Risiko Windkraft und Blei

Trotz der guten Nachrichten sind jedoch nicht alle Risiken für die Greifvögel gebannt. Bei der Kollision mit den Rotorblättern von Windkraftanlagen beispielsweise kommen immer wieder Seeadler um. Ebenso gefährlich ist die Bleimunition, mit der bei der Jagd in Deutschland üblicherweise geschossen wird – jedoch nicht auf Seeadler. Wild, das von Jägern erlegt wird, oder Teile davon bleiben häufig liegen – eine potentielle Nahrungsquelle auch für den Greifvogel. Mit dem Aas nehmen die Vögel auch das Blei auf. Da im Drüsenmagen der Tiere ein ph-Wert von 1,7 herrscht, löst sich das Schwermetall in diesem sehr saurem Milieu. Daher reagieren Seeadler im Unterschied zu anderen Greifvögeln sehr viel empfindlicher auf bleiverseuchte Nahrung.

Eine Untersuchung des Berliner Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ergab im vergangenen Jahr, dass von 192 untersuchten toten Seeadlern 73 Prozent durch Stromschlag, Zusammenstöße mit Zügen oder durch Windkraftanlagen starben. 27 Prozent erlagen einer Bleivergiftung.

Der Umweltverband NABU setzte sich daraufhin für den sofortigen Verbot von Bleimunition ein, was Brandenburg in einer Verfügung zumindest teilweise umsetzte. Bei der Jagd auf Wasserwild ist der Einsatz in dem östlichen Bundesland mittlerweile verboten. Doch Experten warnen, dass auch Ersatzmunition mit Zink, Kupfer oder Wolfram Gefahren für die Greifvögel bergen könnte. Die Giftigkeit dieser Ersatzstoffe sei noch nicht ausreichend geklärt, so die Zoologen vom IZW.


Stand: 15.12.2006

Der Überlebenskampf der Schreiadler

Biblischer Mord im Adlerhorst

Schreiadler © Edda Schlager

Obwohl Deutschland einen Adler im Wappen trägt, ist es um die meisten der hier heimischen Greifvögel schlecht bestellt. Der mit nur knapp zwei Kilogramm Gewicht und einer Flügelspanne von maximal 1,60 Meter kleinste „deutsche“ Adler, der Schrei- oder Pommernadler, besiedelte einst ganz Norddeutschland. Im Osten reicht sein Lebensraum bis nach Weißrussland und Georgien. Mittlerweile brütet er in Deutschland nur noch in Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Schreiadler benötigt ungestörte Wälder für die Aufzucht der Jungen und angrenzende Feuchtwiesen, um zu jagen. Intensive Land- und Forstwirtschaft habe jedoch dazu geführt, dass mittlerweile fast 90 Prozent des ursprünglichen Schreiadler-Lebensraumes verloren sind, so die Deutsche Wildtierstiftung, die dem kleinen Adler ein besonderes Schutzprogramm widmet.

Kain und Abel

Was den Schutz der Schreiadler zusätzlich erschwert, ist eine genetisch bedingte, schlechte „Angewohnheit“ der Jungadler. Schreiadler-Paare brüten stets zwei Eier aus. Die beiden Küken heißen bei Ornithologen Kain und Abel – nach dem biblischen Geschwisterpaar. Denn auch bei Schreiadlern tötet der Erstgeborene das jüngere Geschwisterkind.

Schreiadler-Nestling © M. Meergans, Dt. Wildtierstiftung

Der ältere Vogel drängt den jüngeren immer wieder ab, nimmt ihm das Futter weg und attackiert ihn, bis sogar Blut fließt. So geschwächt überlebt das zweite Adlerjunge meist nicht mehr als zwei oder drei Tage. Warum die Vögel dieses Verhalten vererben, ist nicht geklärt. Möglicherweise stellen sich die Schreiadler gerade evolutionär von der Zwei-Kind- auf eine Ein-Kind-Ehe um, weil sie lange an einen stabilen Lebensraum gewöhnt waren. So lautet eine Theorie der Experten. Vielleicht dient der zweite Vogel aber auch als Reserve, falls dem ersten Jungen etwas zustößt. Denn genetisch seien die beiden Jungvögel gleich.

Trick gegen genetische Sackgasse

Mittlerweile könnte dieses angeborene Verhalten den Schreiadlern jedoch zum Verhängnis werden. Denn ein Junges reicht nicht aus, um den angeknacksten Bestand zu erhalten. Nur um die einhundert Paare brüten jährlich in Deutschland, Tendenz fallend.

Um die kostbaren Jungvögel, die eigentlich dem Kainismus zum Opfer fallen würden, zu retten, haben das Landesumweltamt Brandenburg und die Deutsche Wildtierstiftung nun ein Experiment gewagt. Nach dem Schlüpfen wurde das Zweit-Küken aus einem Versuchsnest genommen, und erst dann wieder zu den Eltern gesetzt, als der Aggressionstrieb des dominanten „Kain“ erloschen war. Tatsächlich zogen die Eltern danach beide Jung-Adler auf. Wissenschaftler gehen davon aus, dass bereits drei bis vier zusätzliche Jungtiere pro Jahr die Population in Brandenburg stabilisieren würden.

Zu Fuß zum Futter

Anders als viele Artgenossen jagt der Schreiadler zu Fuß. Ähnlich wie ein Storch schreitet er dabei durchs Gras, um Frösche, Schlangen oder Kleinsäuger zu fangen.

Der Schreiadler ist ein Zugvogel, der bis ins südliche Afrika etwa 10.000 Kilometer zurücklegt. Etwa die Hälfte des Jahres sind die Schreiadler unterwegs.Die kleinen Schreiadler sind Thermiksegler, das heißt, sie gewinnen an Höhe durch aufsteigende warme Luft und segeln dann zur nächsten „Thermiksäule“ wieder hinab. Weil es über dem Meer keine ausreichende Thermik gibt, müssen die Adler bei ihrem Flug nach Afrika das Schwarze Meer und das Mittelmeer umfliegen. Die „Flaschenhälse“ der Landpassage am Bosporus, am Golf von Iskenderun und im Süden Israels am Roten Meer passiert die gesamte Population von etwa 37.000 Vögeln zweimal jährlich.


Stand: 15.12.2006

Adler weltweit bedroht

Könige mit wackelndem Thron

Trotz des Erfolgs einer Wiederansiedelung der See- und der Fischadler in Mitteleuropa, trotz der stabilen Populationen von Steinadlern in den Alpen und in Zentralasien – von den weltweit rund 300 Greifvogelarten sind auch die verschiedenen Familien, Gattungen und Arten der Adler Dauergäste auf der Roten Liste der IUCN, der Internationalen Union für Naturschutz.

Important Bird Areas

BirdLife International, die größte Umweltorganisation, die sich ausschließlich dem Schutz der insgesamt fast 10.000 Vogelarten weltweit verschrieben hat, verfolgt als Gegenmaßnahme zum möglichen Aussterben der Vögel das Konzept der so genannten „Important Bird Areas“ (IBA). Auf allen Kontinenten sind derzeit Partnerorganisationen dabei, solche „wichtigen Vogelgebiete“ auszuweisen. Anhand von detaillierten Bestandsaufnahmen empfiehlt BirdLife den Regierungen der betroffenen Länder, die Areale in Vogelschutzgebiete und Naturreservate zu verwandeln. Dabei geht es nicht darum, Gebiete für eine einzige Vogelart abzustecken. Viel wichtiger ist der Gedanke, komplexe Ökosysteme zu bewahren.

Letzte Zuflucht auf den Philippinen

Philippinen-Adler © BirdLife, Tim Lamann

So ist es beispielsweise gelungen, auf den Philippinen den Sierra-Madre-Regenwald auf einem Areal von der Größe der Schweiz unter Naturschutz zu stellen. Die Region auf der Insel Luzon ist das einzig verbliebene Rückzugsgebiet einer der seltensten Adlerarten überhaupt, des Philippinen-Adlers. Weniger als 250 Exemplare gibt es noch, schätzen Experten. Insgesamt sind 50 Prozent aller hier lebenden Spezies weltweit gefährdet.

Degradierte Steppe

Ein aktuelles Projekt von BirdLife ist es, die Wüsten, Halbwüsten und Steppen von China über die Mongolei bis nach Südsibirien als ein zusammenhängende IBA auszuweisen. Fünf bedrohte Arten sind hier zu Hause, der Kaiseradler, der Rötelfalke, die Großtrappe, die Gelbaugentaube und der Mattenschmätzer, ein Verwandter des Rotkehlchens. Zurückgegangen sind die Bestände aller fünf Arten vor allem deshalb, weil der natürliche Lebensraum in den letzten Jahrzehnten zu Weide- und Ackerland umgewandelt wurde. Künstliche Bewässerung hat beispielsweise dazu geführt, dass die Nester der am Boden brütenden Großtrappen zerstört wurden. Auch die Kaiseradler finden kaum noch einzeln stehende Bäume, um ihre Horste darauf zu bauen. Der Bestand jeder einzelnen Art ist jedoch an die anderen Vögel gebunden. Denn beispielsweise sind die Großtrappen, Tauben und kleine Singvögel Beutetiere der Greifvögel.

Die Adlerwelt sieht rot

Weißkopfseeadler © Edda Schlager

Fast 90 Adlerarten stehen mittlerweile auf der Roten Liste der global gefährdeten Arten. Der Weißkopfseeadler findet sich hier neben dem Kampfadler, die Harpyie neben dem Keilschwanzadler. Alle sechs Schlangenadlerarten sind ebenso bedroht wie die einzige Art des Fischadlers. Auch der Seeadler gilt in weltweitem Rahmen noch als vom Aussterben bedrohte Art, der Riesenseeadler ebenso.

Weltweit zählte BirdLife in diesem Jahr 1.212 stark gefährdete und 788 bedrohte Vogelarten. Dazu Stuart Butchart, Koordinator beim Artenschutzprogramm von BirdLife International: „Insgesamt ist die Zahl der fast ausgerotteten Vogelarten größer als die der, Spezies die wir vom Rande des Aussterbens zurückholen konnten.“ Keine guten Aussichten also für die Adler, die fast überall am Ende der Nahrungskette stehen.


Stand: 15.12.2006