Den Ursachen der „weißen Wesen“ auf der Spur

Albinos

Junge Frau mit Albinismus © Rick Guidotti

Albinos ziehen die Blicke auf sich. Egal ob Pinguin, Wal, Elefant oder Mensch, die Andersartigkeit der farblosen Individuen fasziniert. Rote Augen, weißes Fell oder Haar – das ist das klassische Bild des Albinos, das viele in den Köpfen haben.

Doch in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Albinismus ein weitaus größeres Spektrum hat, als bisher angenommen. Denn nicht jedem Albino sieht man an, dass er einer ist. Es gibt auch solche mit grünen oder blauen Augen, mit braunem oder dunkelblondem Haar.

Eines aber haben alle Albinos gemein: Ihnen fehlt Melanin, das Pigment, das bei Wirbeltieren die Farbe von Haut, Fell und Federn bestimmt. Ursache ist ein Gendefekt – mit weitreichenden Folgen.

Noch stehen die Wissenschaftler erst am Anfang, das Geheimnis des Albinismus zu lüften. Doch bereits jetzt weiß man, dass Melanin, das natürliche Make-Up des Menschen, auch bei der Entwicklung des Nervensystems eine bedeutende Rolle spielt.

Edda Schlager
Stand: 26.05.2006

Attraktion, Glücksbringer oder Totem

Von weißen Tieren …

Ob Tiger, Alligator, Pinguin, Waschbär oder Eule – Tiere, die anders als ihre typisch gefleckten, gestreiften oder gescheckten Artgenossen ganz in Weiß auftreten, kommen in fast allen Arten vor. Für den Menschen waren diese Sonderlinge schon immer eine faszinierende „Laune der Natur“.

Schneeflocken im Zoo

In Tiergärten sind sie oft die Attraktion schlechthin – so wie der weiße Gorilla „Copito de Nieve“ (Schneeflocke) der mehr als 30 Jahre lang der Star des Zoos in Barcelona war. Der Albino-Gorilla war in den 60er Jahren von Wissenschaftlern aus Afrika mitgebracht worden und galt weltweit als einzigartig. Selbst seine eigenen Nachkommen waren alle schwarz. 2004 musste „Schneeflocke“ eingeschläfert werden. Er litt an Hautkrebs – möglicherweise eine Folge seiner ungewöhlich hellen Haut.

Im englischen Bristol schlüpfte im Jahr 2002 ein weißer Brillenpinguin neben einem normal gefärbten Bruder aus dem Ei und wurde ebenfalls „Snowflake“, Schneeflocke, getauft. Eins zu einer Million stünden die Chancen, dass ein Albino-Pinguin auf die Welt komme, erklärten die Wissenschaftler damals.

Weißer Buckelwal vor Australien © Pacific Whale Foundation

Vor der australischen Ostküste taucht seit 15 Jahren regelmäßig en weißer Buckelwal auf, der einzige Albino seiner Art, der jemals gesehen wurde, so die Pacific Whale Foundation. Die Regierung des Bundesstaats Queensland hat den weißen Wal unter Schutz gestellt – näher als 500 Meter darf sich ihm niemand ohne Sondererlaubnis nähern. Die Wissenschaftler schätzen, dass Migaloo, was in der Sprache der Aborigine „Weißrücken“ heißt, mit seiner hellen Haut unter der starken UV-Strahlung leidet – seine Haut ist mit zahlreichen Zysten überzogen

Mythos Weiß

In Thailand werden weiße Elefanten seit Jahrhunderten als heilige Tiere verehrt. Nur der König darf sie besitzen oder weiterverschenken. Je mehr der weißen Dickhäuter der König sein eigen nennt, um so größer sei seine Macht und um so besser ginge es dem ganzen Land, heißt es.

Auch in der Mythologie der nordamerikanische Indianer haben Albino-Tiere eine große Bedeutung. Bis heute gebührt bei ihnen weißen Tieren eine besondere Hochachtung. Ein weißer Büffel gilt als Symbol der Weisheit. Die Jagd auf weiße Tiere wird als unfair angesehen, weil die Tiere durch ihre Fellfarbe ihren Artgenossen gegenüber benachteiligt sind und damit für den Jäger kein ebenbürtiger Gegner. Wird beispielsweise ein weißes Eichhörnchen erlegt, heißt es, der Schütze würde seine Fertigkeiten als Jäger einbüßen. Wer einen weißen Hirsch tötet, würde später selbst bei einem Unfall ums Leben kommen.

Weiß hat Vorfahrt

In den USA gibt es mehrere Städte, die weiße Eichhörnchen unter besonderen Schutz gestellt haben, ganze fünf streiten sich um den Titel „Heimat der weißen Eichhörnchen“. In Olney, Illinois, haben die weißen Nager stets Vorfahrt auf der Straße, und wer dabei erwischt wird, eines der weißen Maskottchen aus der Stadt zu schmuggeln, muss mit einer Strafe rechnen. Das „White Squirrel’s Institute“ des Brevard College in North Carolina beschäftigt sich ausschließlich mit Fragen rund um die dortigen Eichhörnchen-Populationen.

Natürlich sind nicht alle weißen Tiere Albinos. Bei vielen Tierarten gehört eine weiße Fell-, Haut- oder Gefiederfarbe zur normalen farblichen Bandbreite, wie zum Beispiel bei Hunden oder Pferden. Dennoch kann Albinismus prinzipiell bei allen Tierarten auftreten, selbst bei Eisbären oder Polarfüchsen.

„Falsche“ Albinos

Weiße Tiger dagegen sind keine Albinos. Fast alle diese Tiere – weltweit sind es etwa 600 – stammen von weißen Bengal-Tigern ab. Bei den Großkatzen aus Indien ist die weiße „Grundierung“ mit den dunklen Streifen eine seltene farbliche Variante. Auch bei sibirischen Tigern kommt diese Farbe vor, jedoch noch seltener.

Die weißen Tiger, die in Zoos und Tiergärten zu sehen sind und vor allem durch die Magier Siegfried und Roy berühmt wurden, werden gezielt gezüchtet. Weil der Genpool so klein ist, kommt es zunehmend zu Inzucht. Viele weiße Tiger leiden deshalb oft unter gesundheitlichen Problemen.


Stand: 26.05.2006

Zauberwesen oder Hollywood-Fiesling

… und weißen Menschen

Beim Menschen ist der Albinismus keineswegs auf die ohnehin hellhäutigen, „weißen“ Kaukasier beschränkt – im Gegenteil. Auch unter Afrikanern oder Asiaten gibt es Albinos. In Europa, Nordamerika oder in Australien ist etwa ein Mensch unter 20.000 betroffen, in Afrika sogar einer unter 10.000.

Kuna-Indianer © www.sapibenega.com

Bei einigen nordamerikanischen oder afrikanischen Ureinwohnern wie den Kuna-Navajo-Indianern oder den am Rande der Sahara lebenden Tswana ist der Albinismus besonders häufig. Hier tritt ein Fall unter 1.500 bis 5.000 Menschen auf. Das liegt vor allem an einer Jahrhunderte währenden genetischen Auslese, da es hier üblich war, Verwandte miteinander zu verheiraten.

Je nach Kulturkreis kam und kommt Menschen mit Albinismus aufgrund ihres andersartigen Aussehens eine mehr oder weniger starke Außenseiterrolle zu. In Europa und in Amerika wurden Menschen mit Albinimus früher als gern gezeigte Besonderheit und Sensation in Zirkussen ausgestellt.

Außenseiter mit magischen Kräften

In einigen Naturvölkern werden Stammesmitgliedern mit weißer Haut und weißen Haaren übernatürliche Kräfte zugesprochen. Sie könnten Gedanken lesen, in die Zukunft schauen und seien der Zauberei fähig, glaubt man. In Jamaika gelten Menschen mit Albinismus noch heute als verflucht, in Simbabwe entstand mit der Zunahme von AIDS-Erkrankungen das Gerücht, Männer würden von Aids geheilt, wenn sie mit einer Albino-Frau schlafen.

Albino-Familie aus dem 19. Jahrhundert © Images of Albinism

Wer heute in Europa vom Albinismus betroffen ist, muss Gott sei Dank nicht mehr damit rechnen, beschimpft oder im Zirkus ausgestellt zu werden. Anders dagegen sieht es in Afrika aus. Hier sorgt das so andersartige Aussehen noch immer für Diskriminierungen. Und selbst in den USA halten sich hartnäckig Vorurteile und Diskriminierungen gegen Albinisten, wie sich viele der Betroffenen selbst lieber nennen.

Albinos als Hollywood-Fieslinge

In Hollywood beispielsweise kommt das Klischee des bösartigen oder unheimlichen Albinos immer wieder gerne zum Einsatz- In Blockbustern wie „Cold Mountain“ oder „Matrix – Reloaded“ sind die Gegenspieler der Filmhelden – und auch die klassischen Bösewichter – beispielsweise Albinos. NOAH, die internationale Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Albinismus, hat gezählt, dass in den letzten 45 Jahren in Hollywood 68 Filme gedreht wurden, die als negative Hauptperson eine Person mit Albinismus darstellen.

Mönch Silas in „Der Da Vinci Code“ © Sony Pictures

Auch im gerade angelaufenen Film „Der Da Vinci Code“ nach dem Roman „Sakrileg“ von Dan Brown wird das Böse durch den Mönch Silas, einen Albino, verkörpert. „Hollywood ist dafür bekannt, Albinos als Verbrecher oder mystische Freaks zu besetzen,“ heißt es dazu bei NOAH. „Doch negative Darstellungen von Albinismus in Film ohne ein Gegengewicht durch normale oder heldenhafte Charaktere ist diskriminierend und verletzt Menschen, die wirklich betroffen sind,“ so die Kritik NOAH’s am gängigen Klischee vom unheimlichen Albino.


Stand: 26.05.2006

Ein Irrtum wird ausgeräumt

Rote Augen? – Blaue Augen!

Rote Augen und weiße Haare – für viele ist das das klassiche Bild eines Albinos Doch sie sind weder bei allen ausgeprägt, noch die einzigen Merkmale des Albinismus. Seitdem das Krankheitsbild 1908 von Archibald Garrod, einem englischen Physiker, erstmals beschrieben und genetische Mutationen als Ursache benannt wurden,haben auch die Forscher viel dazugelernt.

Afrikanische Frau mit Albinismus aus Mali © Rick Guidotti

Mittlerweile weiß man, dass Albinismus eine heterogene Gruppe verschiedener genetischer Defekte umfasst, die sehr unterschiedliche Auswirkungen und Symptome mit sich bringen. Das heißt, zum einen gibt es nicht nur eine Genmutation, die die Störung hervorruft, sondern zahlreiche, zum anderen können die äußerlich erkennbaren Merkmale der Betroffenen ganz unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Fehlender Farbstoff Melanin

Eine Gemeinsamkeit haben jedoch alle Individuen mit dem Gendefekt Albinismus: Der Körper bildet sehr wenig oder gar kein Melanin. Dieses Pigment ist im Prinzip bei allen Lebewesen für die Farbe von Haaren, Augen, Federn oder Haut verantwortlich. Auch bei Mikroorganismen und sogar bei Pflanzen sorgt es für die Farbgebung.

Normalerweise wird das Melanin in der obersten Schicht der Haut, in der Iris und im Haar eingelagert. So werden die Zellkerne der Hautzellen und die darin befindliche DNA, beim Menschen der vom Haar bedeckte Kopf und die Augen vor UV-Strahlen geschützt. Je nach Hauttyp enthält unsere Haut dabei mehr oder weniger des schützenden Pigments. Unabhängig davon kann Melanin auch „je nach Bedarf“ hergestellt werden: Die bei vielen so begehrte Sonnenbräune ist daher im Prinzip nichts anderes als eine Art „Notwehr“ der Haut gegen die Sonne.

Keine roten Augen!

Bei Albinismus ist die Produktion des wertvollen Melanins blockiert, es entsteht nur sehr wenig oder gar kein Pigment. Haut und Haare erscheinen dadurch sehr hell oder gar weiß. Ein weitläufiger Irrtum ist, Albinos hätten rote Augen. Das ist falsch. Die Iris von Albinos, egal ob Mensch oder Tier, ist blau, manchmal auch blau-grau oder grün-braun. Rot erscheinen die Augen nur, wenn Licht in einem bestimmten Winkel ins Auge fällt und durch die Pigmentarmut die Blutbahnen im Auge „ausgeleuchtet“ werden – exakt der gleiche Effekt tritt bei normal Pigmentierten durch das Blitzlicht von Fotokameras auf. Der Rückschluss „Das ist kein Albino, weil dieser Mensch oder dieses Tier keine roten Augen hat“ ist deshalb ebenfalls ein Irrtum.

Geschwister – mit und ohne Albinismus © Rick Guidotti

Dr. Barbara Käsmann-Kellner, Professorin an der Universitäts-Augenklinik Homburg, weiß, wie vielschichtig die Erscheinungsformen des Albinismus sein können. Sie hat sich auf Albinismusforschung spezialisiert und räumt ein: „Selbst Ärzte haben oft nur das Schema des Weißhaarigen vor Augen und übersehen die Krankheit, wenn Betroffene von diesem Schema abweichen.“

Käsmann-Kellner selbst hat bisher über 400 Patienten mit Albinismus untersucht. „Etwa 4.500“, so schätzt sie, „gibt es insgesamt in Deutschland. Ein Mensch unter 18.000 ist hier betroffen“.

Breites Spektrum

Ein Drittel der Albinisten leidet unter dem so genannten okulokutanen Albinismus, kurz OCA. Hier sind sowohl Augen als auch Haut und Haare vom Pigmentmangel betroffen. Doch die Bandbreite dieser Albinismusform reicht von völlig weißen bis hin zu normal pigmentierten, dunkelblonden Haaren, von fast farbloser hin zu bräunungsfähiger Haut inklusive Sommersprossen, von hellgrauen bis zu grünen Augen – je nachdem, ob nur zu wenig oder aber überhaupt kein Melanin gebildet werden kann.

Doch es gibt auch Fälle, bei denen sich der Melaninmangel nur auf die Augen auswirkt, den so genannten okulären Albinismus, OA. Die Augen dieser Menschen sind ebenfalls nicht rot, sondern blau, grau, grün oder braun, und durchleuchtbar. Daher können sie bei bestimmtem Licht rot erscheinen.. Im Gegensatz zum okulokutanen Albinismus unterscheiden sich aber Haut und Haare der Betroffenen durch nichts von denen normal Pigmentierter.


Stand: 26.05.2006

Der Melaninstoffwechsel

Farbe wie die Natur sie malt

Die Produktion des Schutzpigments Melanin ist für den Körper wichtig – entsprechend früh wird diese Funktion auch angelegt. Schon bei der Entwicklung des Embryos wandern die Vorläufer der späteren Pigmentzellen in die Haut, in die Haarfollikel und in andere Organe ein – dahin, wo später Melanin gebildet werden soll.

M: Melanozyt, m: Melanosom, K: Keratinozyt, Z: Zellkern, D: Dendrit (Zellausläufer), B: Basalmembran, L: Lederhaut/Dermis © S. Opitz/C. Zühlke, BIOForum

Die in der Haut angesiedelten Pigmentzellen, die so genannten Melanozyten, geben das Melanin über Zellfortsätze an die übrigen Hautzellen ab, wo es zum Schutz des Zellkerns vor UV-Strahlung eingelagert wird. Im Auge wird das Melanin direkt im Zellplasma der Melanozyten gespeichert, so dass diese mit der Iris und der Retina zusammen eine dichte lichtabsorbierende Schicht bilden.

Melaninfabrik Melanozyt

Die eigentliche Produktion des Melanins findet in speziellen Zellorganellen, den Melanosomen, der Pigmentzellen statt. In ihnen wird das Melanin auch gelagert und transportiert. Doch Melanin ist keineswegs gleich Melanin: Es gibt zwei Arten dieses Pigments: das gelb-rötliche Phäomelanin und das dunklere Eumelanin. Menschen mit roten Haaren beispielsweise produzieren vor allem Phäomelanin. Das dunklere Eumelanin können sie nur in geringen Mengen erzeugen. Bei dunkelhäutigen Menschen dagegen ist das Verhältnis umgekehrt.

Während das dunkle Eumelanin das Hauptschutzpigment gegen die UV-Strahlen ist, herrscht über die Funktionen des Phäomelanins noch Unklarheit. Nach bisherigen Erkenntnissen scheint dieses Pigment weniger UV-Strahlen absorbieren zu können als das Eumelanin, weshalb Rothaarige ein erhöhtes Risiko haben, an Hautkrebs zu erkranken. Amerikanische Wissenschaftler vermuten nach einer Studie sogar eine aktive hautschädigende Wirkung des Phäomelanins, da es unter dem Einfluss von UV-Strahlen freie Radikale ausbildet.

Das Enzym und Protein Tyrosinase © Uni Heidelberg

Von Tyrosin zu Melanin

Der Grundbaustein beider Melaninarten ist die Aminosäure Tyrosin, eine der 20 Aminosäuren, aus denen jegliche Proteine zusammengesetzt werden können. Entscheidend für die gesamte Reaktion zur Bildung des Melanins ist jedoch die Tyrosinase, ein kupferhaltiges Enzym und Protein, das erst unter Einwirkung von UV-Licht aktiviert wird. Mit seiner Hilfe wird die Aminosäure Tyrosin über mehrere Zwischenschritte in das Pigment Melanin umgewandelt. Von der Aktivität dieses Enzyms hängt zum Beispiel ab, wie schnell das Melanin gebildet werden kann. Zur Bildung des fertigen Eumelanins müssen neben der Tyrosinase allerdings noch weitere Enzyme mitwirken.

Ob und wann überhaupt Melanin gebildet wird, wird jedoch „weiter oben“ entschieden: auf der Ebene der Hormone. Während das Melanozytenstimulierende Hormon (MSH), das von der Hypophyse ausgeschüttet wird, die Melaninsynthese anregt, ist das ASP-Protein (agouti signaling protein) der Antagonist und bremst die Bildung von Melanin.

Graue Haare und Leberflecken

Im Alter lässt die Fähigkeit der Melanozyten, Melanin zu bilden, meist nach. Hören die Melanozyten in den Haarfollikeln auf, das Pigment zu produzieren, und sterben ab, bleiben nachwachsende Haare ungefärbt, also weiß. Da sich weiße und noch normal gefärbte Haare abwechseln, entsteht zunächst der Eindruck grauer Haare. Wenn die Anzahl der pigmentlosen Haare nach und nach zunimmt, erscheinen die Haare weiß.

Gutartige Wucherungen der Pigmentzellen hat fast jeder Mensch – Leberflecke. Sie entstehen meist durch Entwicklungsstörungen noch vor der Geburt.. Doch auch die Melanozyten der Haut können sich im Laufe der Zeit verändern. Das Maligne Melanom, der schwarze Hautkrebs, ist ein Beispiel für bösartige Wucherungen der Melanozyten. Werden die Veränderungen bis dahin harmlos scheinender Leberflecke nicht wahrgenommen, streut der Tumor über Lymph- und Blutbahnen und bildet schnell Metastasen. In Deutschland gibt es jährlich etwa 15.000 Hautkrebs-Neuerkrankungen.


Stand: 26.05.2006

Die Suche nach den Ursachen

Die Gene entscheiden

Die Entdeckung von Menschen, die vom „klassischen“ Albino mit heller Haut und weißem Haar abwichen, hat nicht nur das Bild des Albinos verändert, auch die Wissenschaftler profitierten davon. Denn ihnen gaben diese Variationen erste Hinweise darauf, wo sich die Ursachen der Krankheit verstecken könnten.

Genetische Analyse erleichtert Diagnose

Lange Zeit erfolgte die Klassifikation der Albinismusformen nur aufgrund der äußeren Erscheinung. Doch mit der Entwicklung der Genetik konntne die Forscher nun auch die genetischen Profile Betroffener miteinander vergleichen. Dabei stellte sich heraus, dass selbst äußerlich ähnliche Betroffene deutliche genetische Unterschiede aufwiesen, die Krankheit bei ihnen also nicht durch die gleiche Genmutation ausgelöst worden sein konnte. Umgekehrt bestätigten die Untersuchungen, dass die gleiche Genmutation ein breites Spektrum an äußerlichen Erscheinungsformen mit sich bringen kann.

Bei Mäusen sind heutzutage mittlerweile über 65 verschiedene Genorte bekannt, die Albinismus verursachen können. Beim Menschen sind es bisher immerhin zwölf.

Rezessiver Erbgang

Albinismus wird rezessiv vererbt, das heißt, das betroffene Gen muss auf beiden DNA-Strängen eines Chromosomen-Paares, den so genannten Allelen, die Mutation tragen und damit sowohl vom Vater als auch von der Mutter vererbt worden sein, um die Krankheit zum Ausbruch kommen zu lassen. Bei genetischen Untersuchungen hat sich jedoch gezeigt, dass bei den wenigsten Betroffenen beide Allele eines Gens genau dieselbe Mutation tragen. Meist ist zwar jedes der beiden Gene deaktiviert, aber jeweils durch eine andere Mutation. Dies wird als „compound heterozygot“ bezeichnet. In der Summe bedeutet dies, dass es kein funktionierendes Gen gibt – und damit Albinismus auftritt.

Die Gemeinsamkeit aller Mutationen ist, dass sie Störungen bei der Melaninsynthese nach sich ziehen. Je nachdem, welcher Teilprozess bei der Melaninbildung betroffen ist, werden innerhalb der beiden Grundformen des Albinismus, dem okulokutanen und dem okulären Albinismus, noch weitere Typen unterschieden.

Tyrosinase-Gen, Chromosom 11

Beim so genannten OCA1-Typ, der in Europa häufigsten Form des Albinismus, ist jenes Gen von einer Mutation betroffen, das für die Aktivität der Tyrosinase sorgt – des Enzyms, das in den Melanozyten die Umwandlung der Aminosäure Tyrosin in Melanin überhaupt erst in Gang setzt. 30 bis 40 Prozent der Patienten mit okulokutanem Albinismus leben mit diesem Gendefekt.

Die schwere Form OCA1A geht mit einer hundertprozentigen Unfähigkeit zur Melaninbildung einher – für die Betroffenen heißt das: Sie haben keinerlei körpereigenen Schutzschild gegen die UV-Strahlen der Sonne. Ihre Haut ist extrem empfindlich und sie müssen sich zeitlebens durch Kleidung oder Sonnencreme vor Verbrennungen schützen. Beim minder schweren OCA1B bleibt noch eine gewisse Restaktivität der Tyrosinase erhalten, die Betroffenen haben häufig Sommersprossen und Leberflecke und können in der Sonne sogar etwas Bräune bekommen. Es gibt auch Fälle, bei denen die Enzymtätigkeit temperaturabhängig ist und nur in kühleren Körperregionen Melanin gebildet wird. Diese Menschen haben an Unterarmen, Waden, Händen, Wimpern und Augenbrauen eine normale Haut- und Haarfarbe. An Kopfhaut, Achselhöhlen und im Genitalbereich dagegen sind sie pigmentarm und damit weiß.

P-Gen, Chromosom 15

Die häufigste Albinismus-Form weltweit, OCA2, wird dagegen durch eine Mutation des so genannten P-Gens auf Chromosom 15 hervorgerufen. Dieser Gendefekt wurde erstmals bei Mäusen entdeckt, wo er typische Veränderungen am Auge hervorruft. P steht für „pink eye“, rosa Auge, ist allerdings missverständlich, denn auch Albino-Mäuse haben eine schwach blau oder grau gefärbte und keine rote Iris. Das menschliche Pendant des Mäuse-Gens wurde danach ebenfalls P-Gen genannt. Welcher Prozess der Melaninsynthese durch ein mutiertes P-Gen verändert wird, ist bisher nur unzureichend geklärt. Sicher ist, dass die Bildung von Eumelanin negativ beeinflusst wird, möglicherweise durch einen erhöhten pH-Wert in den Melanosomen oder durch unvollständige Tyrosinase-Moleküle.

Albinismus in einer Familie in Kamerun © Rick Guidotti

OCA2 tritt mit einer Häufigkeit von 1:10.000 vor allem bei Afrikanern und Afroamerikanern auf. Das Spektrum der äußerlich erkennbaren Symptome ist auch hier sehr breit – sehr helle bis hellbraune Haare und Haut sind möglich, häufig mit Sommersprossen und Leberflecken. Darüber hinaus gibt es weitere Gen-Mutationen, durch die Proteine beeinflusst werden, die an der Melaninsynthese in den Melanozyten beteiligt sind, die allerdings weitaus seltener auftreten. Ihre Wirkungsweise ist deshalb bisher kaum erforscht.

X-Chromosom

Die genetischen Ursachen des okulären Albinimus, der Form, die nur die Pigmentierung der Augen betrifft und keine Veränderungen an Haut und Haaren mit sich bringt, unterscheiden sich deutlich von denen des okulokutanen Albinismus. Das zuständige Gen liegt auf dem X-Chromosom, weshalb fast ausschließlich männliche Individuen betroffen sind.

Obwohl Albinismus beim Menschen in den letzten Jahren immer besser erforscht wurde, ist man noch weit davon entfernt, die Zusammenhänge zwischen den Geno- und Phänotypen und die Wirkungsweise der verschiedenen Mutationen zu verstehen. Ein Drittel aller Patienten weist keine der bekannten Mutationen auf – sind aber dennoch eindeutig Albinos. „Wir wissen einfach noch nicht, wie viele Typen es wirklich gibt,“ so Barbara Käsmann-Kellner von der der Universitäts-Augenklinik Homburg.


Stand: 26.05.2006

Albinismus und das Sehvermögen

Ein gemeinsames Problem

Ob Albinismus eine Krankheit ist, darüber streiten selbst die Betroffenen. Leuchtendweiße Haare und helle Haut bringen ja außer gelegentlichen Bemerkungen Außenstehender und dem notwendigen Sonnenschutz zunächst keine Beeinträchtigungen mit sich.

Für den Betrachter nicht sichtbar und den meisten Nicht-Betroffenen unbekannt ist jedoch die Wirkung des Albinismus auf die Sehkraft. Jede Form von Albinismus geht mit Schäden an den Augen einher. Und die können je nach Typ ganz unterschiedlich stark ausfallen und für den Betroffenen eine mehr oder weniger starke Behinderung sein. Einige Menschen mit Albinimus sind fast blind, andere wiederum können mithilfe einer Brille fast normal sehen.

Abblenden bitte!

Die Sehschärfe im Auge hängt entscheidend von den Sehpigmenten ab – und für diese spielt– wie könnte es anders sein – das Melanin eine wichtige Rolle. Dementsprechend leiden viele Albinos unter Sehschwächen. Die Zellen der Netzhaut sind nicht so stark mit Melanin angefüllt wie bei Menschen ohne Albinimus, deshalb dringt mehr Licht in die Augen und behindert beim Sehen. Die Folge: Das Auge ist besonders empfindlich gegenüber hellem Sonnenlicht und kann leicht geblendet werden.

Fehlende Makula

Doch der Pigmentmangel hat noch eine andere Auswirkung: Wegen des fehlenden Melanins kann sich die Makula, die Stelle in der Netzhautmitte, an der normalerweise die größte Dichte an Sehzellen herrscht, nicht herausbilden. Die Folgen: Die Stelle des schärfsten Sehens fehlt und damit ist auch die Sehschärfe deutlich herabgesetzt. Um dies auszugleichen entwickeln die Augen einen so genannten Nystagmus, sie beginnen unwillkürlich hin- und herzuzittern, weil sie die möglichst optimalen Netzhautstellen um die fehlende Makula herum suchen.

Neben diesen Problemen, die die Abwesenheit des Melanins „vor Ort“ im Auge mit sich bringt, ist mittlerweile auch klar, dass Melanin und Melaninsynthese für die gesamte Entwicklung des visuellen Systems und auch des zentralen Nervensystems wichtig sind und ihr Fehlen daher nicht folgenlos bleibt..

Entwicklung verzögert

So reagieren Babys mit Albinismus in den ersten Lebensmonaten häufig so, als ob sie blind wären. Sie sind noch nicht in der Lage, die Augen auf einen bestimmten Punkt zu fixieren, sondern entwickeln diese Fähigkeit später als ihre Altersgenossen. Die Ursachen für die verzögerte Reifung der Sehfähigkeit sind noch nicht bekannt. Man vermutet jedoch, dass auch dieses Problem auf den Melaninmangel zurückzuführen ist und sich dadurch notwendige Nervenstränge im Gehirn erst später entwickeln.


Stand: 26.05.2006

Wenn Sehnerven falsch abbiegen

Kurzschluss im Sehzentrum?

Eine weitere Eigenheit im Sehsystem von Albinos legt nahe, dass Melanin bereits bei der Embryonalentwicklung von Wirbeltieren eine bisher nahezu unbekannte Rolle spielen muss. Denn die Entwicklung von Sehnerv und Sehzentrum sind bei ihnen auf eine ungewöhnliche Art und Weise verändert.

Wissenschaftler an der Universitäts-Augenklinik in Magdeburg untersuchen dies jetzt im Rahmen einer Studie. „Insbesondere im Rahmen der Grundlagenforschung können am Albinismus wesentliche Fragen der neuronalen Entwicklung und der Selbstorganisation des Sehsystems untersucht werden,“ so Michael Hoffmann vom Visual Processing Laboratory der Uni-Klinik in Magdeburg.

Geteilter Sehnerv

Die Sehnerven werden bereits bei der Entwicklung des Embryos angelegt. Pro Auge enthält jeder Sehnerv rund eine Million Nervenfasern, die vom Augapfel in Richtung Sehzentrum im hinteren Teil des Gehirns verlaufen. Auf der Hälfte des Wegs durch das Gehirn kreuzen sich die Stränge der Sehnerven, wobei nur etwa die Hälfte der Nervenfasern eines Sehnervs auf die andere Seite hinüberwechselt. Der andere Teil bleibt in der Gehirnhälfte des entsprechenden Auges.

Kreuzung des Sehnervs und Abbildung des Gesichtsfelds im primären Sehzentrum, links der Normalfall bei einem Normalsichtigen, rechts die starke Fehlkreuzung bei Albinismus © M. Hoffmann

Der Sehnerv und damit die Informationen aus dem Auge werden dabei nach einem bestimmten Muster aufgeteilt. Was rechterhand der Blickrichtung liegt, also die rechte Gesichtsfeldhälfte, wird in die linke Gehirnhälfte geleitet, die Abbildung der linken Gesichtsfeldhälfte landet in der rechten Gehirnhälfte. Da beide Augen das Gesichtsfeld aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln wahrnehmen und die Informationen über das Gesichtsfeld – mit jeweils minimalem Unterschied – im Sehzentrum doppelt vorliegen, kann das Gehirn aus dieser Art „Hologramm“ ein räumliches Abbild des Gesichtsfelds entwickeln.

Sehzentrum setzt Prioritäten

Im Sehzentrum sind die durch die Augen aufgenommenen Information so organisiert, dass Orte, die im Gesichtsfeld nahe beieinander liegen auch von benachbarten Nervenzellen verarbeitet werden. Außerdem nehmen Informationen aus dem Blickmittelpunkt auch im Sehzentrum mehr Platz ein, so dass mehr Nervenzellen für wichtige Informationen zur Verfügung stehen als für die „uninteressanten“ Informationen aus dem Rande des Blickfelds.

Beim Albinismus ist diese ursprüngliche Ordnung von Sehnerv und Sehzentrum gestört: Die Fasern des Sehnervs eines Auges verteilen sich nicht gleichmäßig auf beide Gehirnhälften wie im Normalfall, sondern wandern zum großen Teil auf die gegenüberliegende Seite.

Geordnetes Chaos

Die Folge: Zum einen wird ein Teil des Gesichtsfeldes im Sehzentrum nicht mehr doppelt abgebildet, die Informationen über diesen Teil des Gesichtsfeldes liegen im Sehzentrum nur noch einfach vor. Deshalb ist bei vielen Albinismus-Patienten auch das räumliche Sehen eingeschränkt oder sie neigen zum Schielen. Zum anderen landen im Sehzentrum einer Gehirnhälfte nicht nur Informationen aus dem Auge der gegenüber liegenden Seite, sondern auch aus dem Auge derselben Hirnhälfte. Würde das linke Sehzentrum also im Normalfall nur die rechte Gesichtsfeldhälfte abbilden, verarbeitet es bei einem von Albinimus Betroffenen Informationen sowohl aus der rechten als auch aus der linken Gesichtsfeldhälfte.

In zahlreichen Versuchen stellten die Magdeburger Wissenschaftler um Michael Hoffmann fest, dass die Größe des in der falschen Gehirnhälfte abgebildeten Teils des Gesichtsfelds variiert, so wie auch die Sehschärfe bei Betroffenen ganz unterschiedlich stark herabgesetzt ist. „Denkbar wäre also, dass der Grad der Beeinträchtigung der Sehschärfe durch das Ausmaß der falschen Repräsentation bedingt ist,“ so Hoffmann. „Bislang sind wir allerdings auf keinen solchen Zusammenhang gestoßen.“

Ebenso verblüfft waren die Wissenschaftler, als sie feststellten, dass die „kurzgeschlossenen“ Gesichtsfeld-Informationen, die in der falschen Gehirnhälfte landen, keineswegs ausgeblendet werden. Das Sehzentrum bildet auch diese Informationen geordnet ab und verschachtelt sie zudem mit dem korrekten Abbild in der anderen Gehirnhälfte.

Offene Fragen

Die Ursache für diese Störung im visuellen System ist bisher unklar. Was man aus Untersuchungen mit albinistischen Tieren weiß und was durch Versuche beim Menschen bestätigt wurde, ist, dass die Melaninsynthese bereits während der Embryonalentwicklung einen Einfluss darauf hat, wie die Nervenfasern des Sehnervs ihren Weg durchs Gehirn zum Sehzentrum finden.

Wie genau die Entwicklung von Sehnerven und Sehzentrum und eine gestörte Melaninsynthese zusammenhängen, ist noch ungeklärt. Der Albinismus bietet deshalb eine Möglichkeit, diese Fragen zu klären.


Stand: 26.05.2006

Höhlenbewohner brauchen kein Melanin

Wo Albinismus die Regel ist

Bei einigen Tierarten ist Albinismus nicht die Ausnahme, sondern eine Eigenschaft, die alle Individuen der Art gemein haben. So genannte Troglobiten, Tiere, die ausschließlich in Höhlen leben, haben die Fähigkeit, Melanin zu bilden gänzlich verloren, weil sie es einfach nicht brauchen – Höhlenkäfer oder –spinnen beispielsweise aber auch Fische, die in unterirdischen Gewässern zu Hause sind.

Blinder, pigmentloser Höhlenkrebs © www.watersheds.org

Höhlenkrebse haben sich so an das Leben ohne Licht angepasst, dass sie keine Augen mehr haben und die Melaninproduktion genetisch dauerhaft ausgeschaltet ist. Der Vorteil für die Höhlenbewohner: Sie sparen Energie, Zellmaterial und Stoffwechselressourcen, da sie mit den Augen sowieso nichts sehen würden und in der Höhle keine Gefahr besteht, UV-Licht ausgesetzt zu werden. Ans Tageslicht gebracht würden Höhlenkrebse nicht überleben. In ihrer natürlichen Umgebung dagegen können die blassen Tiere bis zu 75 Jahre alt werden.

Der Grottenolm dagegen, ein Schwanzlurch, der ausschließlich in den Karsthöhlen von Istrien, Kroatien und Slowenien lebt, hat die Fähigkeit, Pigment zu bilden nicht gänzlich verloren. Das urtümliche Wesen hat verkümmerte Extremitäten, Außenkiemen und degenerierte Augen, die unter der Haut verborgen sind.

Normalerweise ist der Grottenolm fleischfarben und wird deshalb auch „Menschenfisch“ genannt. Wird er dem Tageslicht ausgesetzt, verdunkelt sich seine Haut zu Braun- und Violettönen. In der Dunkelheit verliert der Grottenolm die Farbe wieder. Wissenschaftler vermuten, dass diese Fähigkeit als eine Art Relikt aus einer früheren Evolutionsphase erhalten geblieben ist.


Stand: 26.05.2006