Ein Kosmos für sich

Leben im Wassertropfen

Mit bloßem Auge ist nichts zu sehen. Schaut man sich jedoch einen Tropfen aus einem Teich, See oder einer Pfütze unter dem Mikroskop an, offenbart sich dem Betrachter eine Welt für sich. Dutzende von Kleinstlebewesen tummeln sich auf dem Objektträger: Wasserflöhe, Blaualgen, Rädertiere, Grünalgen und vieles mehr. Erstaunlich ist die Artenvielfalt und man ist oft fasziniert von der Ästhetik der äußeren Formen.

Doch in der Regel herrscht hier kein friedliches Zusammenleben. Es basiert auf dem einfachen Prinzip Fressen oder gefressen werden. Jeder hat seinen Platz in der Nahrungskette. Aber man ist nicht nur des anderen Beute, sondern auch abhängig voneinander.

Bakterien, die kleinsten Lebensformen in dieser Lebensgemeinschaft, zersetzen organisches Material und stellen so den Algen notwendige Nährstoffe zur Verfügung. Die Bakterien und Algen werden von den Wimpertierchen als Nahrungsquelle genutzt und diese werden ihrerseits von Rädertierchen und Kleinkrebsen gefressen. Leichen und ausgeschiedenes Material sind dann wieder eine begehrte Nahrungsquelle für Bakterien.

Mit der Zeit hat sich ein empfindliches Gleichgewicht unter den Lebewesen eingependelt, das jedes Mal in Gefahr ist, wenn äußere Faktoren auf die Lebensgemeinschaft einwirken, beispielsweise durch Verschmutzung der Gewässer…

Petra Jöstingmeyer
Stand: 15.04.2005

Unerlässlich für Mensch und Natur

Bakterien

Es gibt sie schon seit mehr als einer Milliarde Jahre. Sie haben sämtliche Naturkatastrophen unseres Planeten überlebt, von der Eiszeit bis zu Asteroideneinschlägen. Sie sind allgegenwärtig, doch im Wassertropfen variiert ihre Zusammensetzung und Menge mit den Wasserbedingungen. Wenn das Wasser stark verunreinigt ist, treten sie in großer Zahl auf, ist es rein, sind es eher wenige.

Bakterien sind einzellig und haben noch keinen echten Zellkern. Sie tragen zwar auch Erbinformation in Form von bakterieller DNA mit sich, allerdings ist diese nicht wie bei anderen Lebewesen von einer Kernhülle umgeben. Die Zellen sind kugelförmig, stäbchen- oder schraubenförmig. Sie können einzeln existieren oder zu Ketten aneinandergereiht sein. Trotz ihrer einfachen Struktur haben viele Bakterien sich so weit entwickelt, dass sie sich sogar bewegen können. Dazu haben sie zarte Geißeln aus Plasma ausgebildet. Bakterien vermehren sich durch simple Zweiteilung. Sind die Bedingungen günstig, passiert das alle 20 Minuten.

Das Bakterium Bacillus subtilis bei 1000-facher Vergrößerung © Achim Güth

Sind Nahrungs- und Umweltbedingungen ungünstig, können einige Arten, wie zum Beispiel Bacillus und Clostridium Sporen ausbilden. Das sind ungemein robuste Dauerformen, die Austrocknung, siedendes Wasser und sogar giftige Chemikalien überstehen. Werden die Umweltbedingungen wieder günstiger, können aus den Sporen wieder normale Bakterien auskeimen.

Rote Schwefelbakterien (Chromatium) © Anna-Louise Reysenbach

Teilweise haben sie sich hoch spezialisiert und sind in der Lage auch unter extremen Bedingungen zu überleben wie in heißen Quellen oder in der Tiefsee. Letzteres sind vor allem Arten, die ohne Sauerstoff auskommen, wie zum Beispiel die farblosen Schwefelbakterien. Bei ihnen läuft die Umwandlung von Schwefelwasserstoff zu Schwefel unabhängig vom Licht und dient ausschließlich der Energiegewinnung. Diese Bakterien haben ihren Lebensraum in der Umgebung von Schwarzen Rauchern, vulkanischen Schloten am Meeresgrund. Sie bilden die Existenzgrundlage von Lebensgemeinschaften, die sich in den heißen Quellen der Tiefsee angesiedelt haben. Besonders gut angepasste Bakterien können noch bei Temperaturen bis 130 Grad Celsius überleben.

Ziemlich fortgeschritten sind die Purpurbakterien. Im Gegensatz zu ihren Artgenossen sind sie autotroph. Das heißt, sie können mithilfe von Pigmenten Sonnenlicht einfangen und in organische Substanz umwandeln. Eigentlich sind sie noch ein Relikt aus der Zeit, als es noch keinen Sauerstoff in der Erdatmosphäre gab, denn sie setzen nicht wie die grünen Pflanzen Sauerstoff aus Wasser frei, sondern Schwefel aus Schwefelwasserstoff.

Helfer in der Not

Bakterien sind im Kreislauf der Natur unverzichtbar, weil sie totes Material mit Hilfe von Enzymen auflösen können. Der Mensch macht sich diese Fähigkeit zunutze, indem er die Bakterien zur Reinigung von Abwässern in Kläranlagen einsetzt. Die Zerlegung erfolgt bis in die mineralischen Grundbausteine, die dann wieder von den Pflanzen aufgenommen und in organische Verbindungen eingebaut werden.

Aber auch bei Ölkatastrophen als Folge von Tankerunfällen können die Mikroben wertvolle Dienste leisten. Forscher haben festgestellt, dass das Meeresbakterium Alcanivorax borkumensis in der Lage ist, Alkane, die den Hauptbestandteil von Erdöl bilden, umzusetzen. Doch noch gibt es einige Hürden zu nehmen bis die „Ölfresser“ in großem Maßstab in Aktion treten können. „Um allerdings verunreinigtes Wasser vollständig und schnell genug reinigen zu können, müsste man das Wachstum und die Vermehrungsgeschwindigkeit deutlich steigern“, heißt es in einem Bericht des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung.


Stand: 15.04.2005

Bindeglied zwischen Bakterien und Pflanzen

Cyanobakterien

Immer, wenn die Welt im Wassertropfen von einem gelben oder grünen Schleier überzogen scheint, haben Cyanobakterien ihre Finger im Spiel. Cyanobakterien sind einzellig oder fädig. Die einzelligen Arten bilden meist Kolonien, in denen die Individuen nach der Teilung in einer gemeinsamen Schleimhülle bleiben. Die fädigen Formen scheiden solche Schleimhüllen in Form von Röhren aus. Bei ihnen sind die einzelnen Zellen untereinander durch Plasmabrücken verbunden.

Die früher als Blaualgen bezeichneten Einzeller bilden in der Evolution das Bindeglied zwischen Bakterien und eigentlichen Algen. Wissenschaftler glauben, dass sie dazu beigetragen haben, dass wir heute eine auf Sauerstoffbasis aufgebaute Atmosphäre haben. Es gibt sie bereits seit 3,5 Milliarden Jahren. Damit sind sie die ältesten heute noch lebenden photoautotrophen Pflanzen. Das heisst, sie sind zur Photosynthese fähig, indem sie das Sonnenlicht mithilfe von Pigmenten einfangen. Die Pigmente schwimmen allerdings nicht frei in der Zelle herum, sondern sind wie bei den höheren Algen an Membranen gebunden. Was allerdings noch fehlt, ist eine Abgrenzung dieser Membranen vom übrigen Zellinhalt. Ihren Namen verdanken die Cyanobakterien dem blauen Farbstoff Phycocyan, der ihnen auch ihre meist charakteristische Farbe gibt. Je nach Zusammensetzung der anderen Pigmente, zu denen Chlorophyll, Carotinoide und häufig Phycoerythrin gehört, dominiert die blau-grüne Färbung.

Da sie selbst an ungewöhnlichen Standorten wie beispielsweise Thermalquellen und Gletschereis existieren können, gehören sie auch zu den zähesten.

Nostoc-Fäden mit Heterocysten © Morgan L. Vis

Cyanobakterien gehören zu den wenigen Organismen, die die Fähigkeit haben, atmosphärischen Stickstoff zu binden und in Nitrat oder Ammonium umzuwandeln. Da dies aber nicht in Gegenwart von Sauerstoff funktioniert, bilden fädige Cyanobakterien ab und zu spezielle Zellen dafür aus, die so genannten Heterocysten. Sie sind farblos, enthalten also keine Pigmente, und haben besonders dicke Zellwände, was schon im Lichtmikroskop gut zu erkennen ist.

Nahrhaft oder giftig?

Manche Arten bilden dichte Wasserblüten, die nicht immer gern gesehen sind. Doch da Cyanobakterien wichtige Produzenten von organischen Stoffen sind, werden in der Teichwirtschaft solche Blüten sogar durch Düngung gefördert. Das kann sich dann allerdings nachteilig auf die Trinkwassergewinnung auswirken.

Cyanobakterienblüte © Cyano Biotech GmbH

Ein gehäuftes Auftreten von Cyanobakterien sehen die Forscher oft als Warnsignal für die Überdüngung eines Gewässers an. Eutrophierte Seen sind häufig mit hässlichen Algenteppichen überzogen. Doch sie stören nicht nur die Ästhetik, sie sind auch giftig!

Wissenschaftler machen Cyanobakterienblüten für das Verenden von Fischen und Wasservögeln verantwortlich.

Auch beim Menschen wurden Symptome wie Haut- und Augenreizungen, Kopfschmerzen sowie Magen- und Darmerkrankungen beobachtet, wenn Kontakt mit Cyanobakterien im Trink- oder Badewasser bestand. Gefährlich sind Cyanobakterien, weil sie in der Lage sind, unterschiedliche Giftstoffe zu bilden. Zum Beispiel produziert Aphanizomenon flos aquae Toxine, die lähmend auf das Nervensystem von Mensch und Tier wirken. Andere Cyanogifte, wie beispielsweise das Microcystin aus dem Cyanobakterium Microcystis entfalten ihre Wirkung in den Leberzellen. Wer zuviel algenhaltiges Wasser schluckt, läuft Gefahr, dass sich seine Leberzellen innerhalb von wenigen Stunden auflösen.

Neuesten Erkenntnissen zufolge werden Cyanobakterien auch mit dem Ausbruch von Alzheimer in Verbindung gebracht. Australische Forscher haben entdeckt, dass sie ein Toxin produzieren, das in den Zellen von Alzheimer Patienten gefunden worden ist. „Zwar fehlt noch der Beweis für den direkten Zusammenhang, aber es empfiehlt sich Wasser-Reservoirs auf das Vorkommen des bestimmten Toxins hin zu untersuchen, um das Risiko einer Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten“, rät Geoffrey Codd, Professor für Naturwissenschaften in Dundee.

Spirulina © Mike Clayton

Doch nicht alle Cyanobakterien produzieren giftige Stoffe. Bereits die Azteken verwendeten einige Spirulina-Arten als Nahrung. Heute liegt das winzige Cyanobakterium wieder voll im Trend. Als Gesundbrunnen und Fitmacher stehen Spirulina-Produkte in den Regalen von Supermärkten und Reformhäusern. In Großanlagen wird Spirulina als Eiweißquelle für diätische Nahrung gezüchtet. Forscher sehen die Zukunft des Cyanobakteriums auch in der Weltraumforschung. Es gibt ehrgeizige Pläne bei der ESA und anderen Raumfahrtbehörden, das schnelle Wachstum von Spirulina für größer dimensionierte Lebenserhaltungssysteme zu nutzen, wobei Sonnenlicht und ausgeatmetes Kohlendioxyd der Astronauten in Sauerstoff, Protein und Energie für menschliches Leben im Weltraum umgewandelt werden sollen.


Stand: 15.04.2005

Schön, aber gefährlich

Goldalgen

Goldalge Dinobryon © Cytographics Pty Ltd

Ihr Anblick kann einen schon in Erstaunen versetzen, wenn man die zarten, ästhetischen Gebilde unter dem Mikroskop zum ersten Mal sieht. Gold schimmernd und fragil gleichen sie winzigen Kunstwerken. Ihre Gehäuse aus Zellulose und Pektin sind bei der Gattung Dinobryon zum Beispiel wie winzige glockenförmige Vasen symmetrisch ineinander gesteckt. Aber längst nicht alle sind so gesellig. Im Gegenteil: die meisten Goldalgen leben einzeln und schieben sich mithilfe ihrer zwei unterschiedlich langen Geißeln durch das Wasser.

Doch der idyllische Schein trügt. Zwar können Goldalgen durchaus Photosynthese betreiben und so ihren Energiebedarf decken. Doch wehe, das Licht fehlt. Dann entpuppen sich die scheinbar harmlosen Mikroorganismen als gefährliche Räuber. Weder Bakterien noch Kieselalgen sind dann vor ihnen sicher.

Die einzellige Alge Prymnesium parvum hat diese Fähigkeit soweit optimiert, dass sie inzwischen bei Fischzüchtern gefürchtet ist. Anstatt als Nahrung für andere Einzeller wie Geißeltierchen zu dienen, dreht die Alge den Spieß einfach um. Sie produziert ein schnell wirkendes Gift, das ihre Feinde tötet und frisst sie anschließend auf.

Vorsicht giftig!

„Die von Prymnesium ins Wasser abgegebenen Gifte greifen offensichtlich die Zellmembran anderer Einzeller an. Es setzt ein Prozess ein, bei dem die Zelle zuerst ihre Beweglichkeit verliert, dann ihre Form, und letztendlich vollständig zerfällt“, erklärt Urban Tillmann vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut.

„Dermaßen befreit von jeglicher Fraßkontrolle kann Prymnesium zu enormen Dichten heranwachsen. Ganze Horden von Algen machen sich so über die dreimal größeren Leichen von Geißeltierchen her und verzehren sie Stück für Stück. Zum einen werden Fressfeinde eliminiert, zum anderen werden aus deren Zellen noch Energie und Nährstoffe für das eigene Wachstum gewonnen.“ Das Gift der hauptsächlich im Brackwasser vorkommenden, weltweit verbreiteten Alge wirkt sogar auf Fische tödlich.

Vor allem in Dänemark, Japan und Texas sind Goldalgenblüten in den letzten Jahren vermehrt in Fischzuchten zum Problem geworden. Als Folge der Massenvermehrung herrscht häufig ein Mangel an Sauerstoff im Wasser, den die Fische zum Überleben brauchen. Dies gilt besonders während der Nacht, wenn die Algen ihren Stoffwechsel auf Atmung umstellen. Entsetzen machte sich breit, als eines morgens plötzlich zahlreiche Fische mit dem Bauch nach oben an der Oberfläche trieben. Zwar wurden die Fische eingesammelt und entsorgt, aber am nächsten Morgen wiederholte sich das gleiche Spiel. Die Züchter waren in Sorge, denn das Phänomen machte nicht nur Arbeit, sondern kostete auch richtig Geld. Daher musste schnell die Ursache für das Fischsterben gefunden werden. Erst ein Blick in den Wassertropfen aus einem der Gewässer brachte Klarheit. Im Wasser wimmelte es nur so von der gefürchteten Goldalge.


Stand: 15.04.2005

Lebende Fossilien

Diatomeen

1867 versuchte ein junger Chemiestudent namens Alfred Nobel in Stockholm das Nitroglycerin als Sprengstoff in die Technik einzuführen. Da Nitroglycerin jedoch extrem empfindlich gegenüber Erschütterungen ist, kam es regelmäßig zu ungewollten Explosionen. Sein Ziel war es fortan, den Stoff so zu verändern, dass man besser mit ihm hantieren konnte, ohne jedoch etwas von seiner Sprengkraft einzubüßen. Die Lösung fand er eher durch Zufall, als er Nitroglycerin mit Kieselgur vermischte. Das hochexplosive, jedoch stoßunempfindliche Gemisch nannte er Dynamit und machte mit der Patentierung 1867 ein Vermögen.

Navicula © Jason K. Oyadomari

Kieselgur wird aus fossilen Ablagerungen von Diatomeenschalen gewonnen und vielseitig verwendet. 70 Prozent der Kieselgurgewinnung werden bei industriellen Filtrationsprozessen verbraucht, besonders in der Zuckerraffinerie und im Brauereigewerbe. Bei der Produktion von Antibiotika werden störende Zellfäden über Kieselgurplatten abgetrennt. Da das Material die Eigenschaft hat, Trübstoffe an sich zu binden, verwendet man es auch bevorzugt bei der Reinigung von Wasser. Außerdem ist Kieselgur ein begehrter Zusatz in Reinigungsmitteln, Poliermitteln, Farben und sogar Zahnpasta. 1836 wurde Kieselgur erstmals bei Bohrungen in der Lüneburger Heide entdeckt.

Asterionella © Jan Parmentier

Doch was genau steckt hinter diesen fossilen Ablagerungen? Diatomeen gibt es seit Beginn der Kreidezeit, also seit 135 Millionen Jahren. Ein Blick durchs Mikroskop zeigt, dass sie in außergewöhnlicher Formenvielfalt auftreten können. Auffällig und nicht zu übersehen sind ihre stabilen Zellwände, in die Kieselsäure eingelagert ist. Dadurch entstehen richtige Schalen, die den Algen eine einzigartige Form geben und vielfältig strukturiert sind. Man findet unter anderem Linien-, Löcher- und Rippenmuster. Die Wand umschließt das Zellinnere wie eine zweiteilige Schachtel mit Deckel.

Gyrosigma © Jason K. Oyadomari

Nun sollte man meinen, dass solch eine gewichtige Schale die Organismen am Schweben im Plankton hindert. Dieses Problem haben sie geschickt mithilfe von Öltröpfchen gelöst. In dieser Form werden Öle, die während der Photosynthese als Reservestoffe entstehen, gespeichert. Durch Auf- und Abbau der Öltröpfchen können die Diatomeen sogar bestimmte Wasserschichten aufsuchen. Größere Mengen schwebender Diatomeen täuschen in stehenden Gewässern schillernde Ölfilme vor.

Forensische Beweismittel

Eine praktische Anwendung finden Diatomeen mittlerweile auch in der Kriminalistik. Da bestimmte Kieselalgengemeinschaften oft charakteristisch für ein bestimmtes Gewässer sind, lässt sich anhand der gefundenen Arten in der Lunge und anderen Organen von Wasserleichen auf den Tatort schließen. Weiß man, wie sich die Diatomeen-Zusammensetzung im Lauf des Jahres in einem Gewässer verändert, kann man anhand der entnommenen Probe auch auf den Zeitpunkt des Todes schließen.

Doch Kieselalgen können noch viel mehr. Sie gelten auch als wichtige Indikatoren bei der Renaturierung von Hochmooren. Bereits nach einigen Wochen lässt sich allein anhand der Diatomeen Zusammensetzung sagen, ob sich ein Hochmoor entwickeln wird.


Stand: 15.04.2005

Einzeller mit effektiven Verteidigungsstrategien

Euglenophyta und Dinophyta

Das Augentierchen Euglena bei 25-facher Vergrößerung © Piotr Rotkiewicz

Tier oder Pflanze? Das ist hier die Frage. In der Evolution gibt es nicht immer so klare Grenzen, wie der systematisch denkende Mensch sie gern hätte. Das Augentierchen Euglena aus der Gruppe der Augenflagellaten (Euglenophyta) ist so ein Grenzfall. Es ist ein einzelliger Organismus, der sich mithilfe von Geißeln fortbewegt. Dadurch ist man geneigt, sie als Tiere zu betrachten. Photosynthese-Pigmente und die photoautotrophe Ernährungsweise sind dagegen eindeutig pflanzlicher Natur. Die Wissenschaft hat ihnen eine eigene Schublade eingeräumt und zählt sie zu den so genannten Protisten.

Auffällig ist der so genannte Augenfleck von Euglena, ein Organell, das durch Carotinoide rot gefärbt ist und bei der Phototaxis eine Rolle spielt. Das heißt, die Zellen bewegen sich immer in Richtung auf eine Lichtquelle zu, solange diese nicht zu grell ist. Der eigentliche Lichtrezeptor befindet sich allerdings an der Basis der Geißel. Der Augenfleck dagegen dient als eine Art Sonnenschirm, der den eigentlichen Photorezeptor beschattet, so dass ihn kein seitlich einfallendes Licht treffen kann.

In dunkleren Wassertiefen könnten die Zellen wegen mangelndem Licht keine Photosynthese mehr betreiben. Daher reagiert der Photorezeptor am empfindlichsten auf blaugrünes Licht. Denn das entspricht genau den Wellenlängen, wie sie in größeren Tiefen vorherrschen. Somit wird die Zelle effektiv daran gehindert, in noch dunklere Wassertiefen abzusinken. Dazu kommt die negative Gravitaxis, die dafür sorgt, dass sich die Zellen entgegen der Schwerkraft in Richtung Wasseroberfläche orientieren. Wie aber können die Tiere die Schwerkraft wahrnehmen? Wirbeltiere haben in ihren Gleichgewichtsorganen kleine Steinchen, so genannte Statolithe, deren Lage das Gleichgewichtsempfinden beeinflusst. Bei den Euglenophyta wirkt der gesamte Zellkörper wie ein Statolith, da er schwerer als das umgebende Wasser ist. Er drückt auf eine untenliegende Membran, die empfindlich darauf reagiert und einen Ionenstrom aktiviert. Forscher haben festgestellt, dass eine Änderung im elektrischen Potential für die Zelle das Signal ist, die Bewegungsrichtung zu wechseln.

Einige Euglenophyta-Arten besitzen keine Pigmente und auch keine Augenflecke mehr. Überleben können sie trotzdem, indem sie gelöste Nahrung über die Zelloberfläche aufnehmen. Andere haben eine trichterförmige Einstülpung, die Ähnlichkeit mit einem Schlund hat. Damit können sie Algen, Bakterien und andere Mikroorganismen fressen.

Euglenophyta sind vor allem in nährstoffreichen Gewässern oft vorherrschend. Ihr häufiges Auftreten kann eine Wasserblüte verursachen.

Red Tide

Noctiluca © PS Franks

In der Nordsee, aber auch an Floridas Küste oder im Golf von Mexiko tritt in regelmäßigen Abständen die so genannte rote Tide auf. Ursache hierfür ist eine Massenvermehrung von Dinoflagellaten, wobei sich das Wasser wegen der großen Menge gebildeten Carotinoids rot färbt. Solch eine Phase dauert circa zwei Wochen.

Gefürchtet ist das Phänomen, weil die Organismen giftige Substanzen abgeben, die auf andere Organismen tödlich wirken können. Gymnodinium breve zum Beispiel scheidet ein Toxin ab, das auf Fische letal wirkt, aber wirbellose Tiere verschont. Verschiedene Gonyaulax-Arten produzieren dagegen ein Gift, das vorwiegend Wirbellosen schadet. Dabei handelt es sich um ein Nervengift mit einer ähnlichen Wirkung wie Strychnin. In den geringen Konzentrationen, in denen es von Gonyaulax abgegeben wird, ist es für größere Meeresbewohner eigentlich ungefährlich. Wenn sich die Gifte jedoch in der Nahrungskette anreichern, wird die kritische Grenze überschritten. Bei Fischen und Seevögeln treten zunächst Lähmungen auf, später ersticken die Tiere dann.

Auch Menschen können davon betroffen sein. 1971 klagten mehrere Menschen an der niederländischen Küste nach dem Verzehr von Miesmuscheln über Magen- und Darmbeschwerden. Die Symptome wurden auf eine Massenvermehrung des Dinoflagellaten Prorocentrum micans zurückgeführt, dessen Gift sich in den Muscheln angereichert hatte.

Ceratium (Dinoflagellat) © Cytographics Pty Ltd

Doch Dinoflagellaten sind nicht nur gefährlich. Einige, zum Beispiel Noctiluca, können im Dunkeln leuchten. Dabei wird ein Protein durch das Enzym Luciferase gespalten. Die Reaktion ist sauerstoffabhängig und verbraucht Energie. Diese Lumineszenz kann durch Wellenschlag ausgelöst werden, beispielsweise, wenn sich ein Fisch nähert, der sich von Plankton ernährt. Die Zellen reagieren auf die Störung mit Lichtblitzen von circa einer Zehntelsekunde Dauer. Durch dieses Aufflackern werden größere Fische angelockt, die den potentiellen Feind der Dinoflagellaten fressen.

Viele Dinoflagellaten haben sich eine andere effektive Form der Verteidigung angeeignet. Forscher fanden heraus, dass sie auf bestimmte Reize hin Schleimfäden, so genannte Trichozysten ausschleudern. Mögliche Angreifer verfangen sich darin und sterben ab.


Stand: 15.04.2005

Kolonieleben mit Arbeitsteilung

Grünalgen und Jochalgen

Kolonie der Grünalge Volvox bei 160-facher Vergrößerung © Ralf Wagner

Wenn man sich einen Wassertropfen unter dem Mikroskop ansieht, finden sich darin häufig symmetrische kugelförmige Gebilde, die wie durchsichtige Golfbälle aussehen. In der Kugel befinden sich mehrere kleinere. Dabei handelt es sich um Kolonien der Grünalge Volvox. Diese sind nicht nur schön, sondern beinahe sogar intelligent. Denn innerhalb der Kolonie gibt es eine richtige Arbeitsteilung. Ein Teil der Zellen ist nur für die Vermehrung zuständig und befindet sich hauptsächlich am hinteren Pol der Kugel. Für die Fortbewegung sorgen die vorderen kleineren Zellen, die oft längere Geißeln haben als die übrigen Individuen. Es gibt eine bevorzugte Bewegungsrichtung, die sich nach dem Lichteinfall orientiert. Die Zellen stehen über ein symmetrisch gebautes Netzwerk von Plasmabrücken miteinander in Verbindung, das es ihnen ermöglicht, Informationen in Form von Signalen auszutauschen. Dies geschieht zum Beispiel, wenn ein Hindernis im Weg ist und die Richtung geändert werden muss.

Einen interessanten Anblick bietet auch die Kolonie von Scenedesmus. Hier sind meist vier Zellen aneinandergereiht. Die äußeren haben jeweils zwei lange Fäden, die es der Kolonie ermöglichen, im Wasser zu schweben.

Die Grünalge Pediastrum duplex bei 640-facher Vergrößerung © Ralf Wagner

Grünalgen sind weit verbreitet. Die meisten Arten leben im Süßwasser. Nur zehn Prozent sind Meeresbewohner.

Nur wenige Arten, beispielsweise Spirogyra, vermehren sich auf einmal so massenhaft, dass es zur Bildung von Wasserblüten kommt. Einige fädige Arten bilden bei starkem Nährstoffangebot so genannte Watten aus. Dabei verflechten sich die einzelnen Fäden ineinander und bilden Aggregate, die meist an der Oberfläche schwimmen.

Closterium (Jochalge) © Mark Simmons

Die Chlorophyten haben mehr Gemeinsamkeiten mit den höheren Pflanzen als alle anderen Algenarten. Sie haben dieselbe Pigmentzusammensetzung, denselben Zellwandaufbau und speichern ihre Reservepolysaccharide in Form von Stärke. Zu den schönsten Chlorophyten zählen wohl die Jochalgen. Sie fallen vor allem wegen ihrer Symmetrie ins Auge. Meist bestehen sie aus zwei spiegelbildgleichen Zellhälften, die über ein schmales Band miteinander verbunden sind. Es gibt sie nur im Süßwasser, und das auch nur unter absolut sauberen und unbelasteten Milieubedingungen. In diese Gruppe gehören auch die Zieralgen, die hauptsächlich in Hochmoorgewässern anzutreffen sind, weil sie zum Überleben eine saure Umgebung benötigen.


Stand: 15.04.2005

Der Zoo unter der Lupe

Zooplankton

Wie ein Tiergehege im Miniformat kommt einem das Gewimmel auf dem Objektträger oft vor. Denn nicht weniger interessant als das Phytoplankton sind die Kleinsttiere, die sich in den Wassertropfen unter dem Mikroskop tummeln. Neben diversen Würmern sind am häufigsten wohl Wimpertierchen, Rädertiere und Wasserflöhe anzutreffen.

Ciliaten – Wimpertierchen

Paramecium (Pantoffeltierchen) © Piotr Rotkiewicz

Ihren Namen verdanken sie dem Wimperkleid, das die gesamte Zelle umgeben kann. Bei manchen Arten sind davon nur noch ein paar wenige vorhanden, die zu Borsten verdickt sind. Die Wimpern dienen der Fortbewegung, aber auch der Nahrungsaufnahme. Wie eine Galeere mit winzigen Rudern gleitet das Pantoffeltierchen Paramecium mit unglaublicher Geschwindigkeit durchs Wasser. Dabei laufen Wellenmuster über den Körper, weil jede einzelne Cilie zeitlich verschoben auf ihre benachbarte reagiert. Man muss die Probe unter dem Mikroskop schon mit einem Verdickungsmittel versetzen, um die Fortbewegung in Zeitlupe genau studieren zu können. Dann erkennt man, dass es während des Schwimmens um seine eigene Achse rotiert und dabei kleine Nahrungspartikel aufnimmt. Wenn es auf ein Hindernis stößt, hält es an und ändert seinen Wimpernschlag, so dass es nun rückwärts schwimmt. Dann macht es einen Bogen und bewegt sich auf einem anderen Kurs wieder vorwärts.

Wimpertiere leben räuberisch von so ziemlich allem, was ihnen in den Weg kommt. Das können Bakterien, Flagellaten, Algen, Rädertiere und sogar andere Wimpertierchen sein. Erstaunlich weit entwickelt ist bei den Wimpertierchen bereits das Verdauungssystem. Aufgenommene Nahrungsteilchen werden in Vakuolen zwischengelagert und dort von Verdauungssäften zersetzt. Lebendige Beute wird in diesen Vakuolen zunächst getötet und dann mithilfe von ähnlichen Enzymen in ihre Bestandteile zerlegt, wie sie auch im Magen- und Darmtrakt von höheren Tieren und beim Menschen zu finden sind. Die gelösten Bestandteile nimmt die Zelle dann auf, unverdautes Material wird aus dem Zellleib ausgestoßen.

Sauginfusor bei 45-facher Vergrößerung © Piotr Rotkiewicz

Als Wegelagerer ist die Gruppe der so genannten Sauginfusorien berüchtigt. Anstelle von Wimpern besitzen sie Saugtentakel, mit denen sie ihre Beute festhalten können. Die Tentakel enden in kugeligen Knöpfchen, an denen die Beutetiere kleben bleiben, sobald sie damit in Berührung kommen. Durch Fluchtbewegungen gerät das Beutetier, in der Regel andere Wimpertiere, mit weiteren Tentakeln in Berührung. Über die Kontaktstellen ergießt der Räuber saure Sekrete und Stoffe, die den Wimperschlag der Beute lähmen, in das Innere des Opfers. Der Räuber saugt dann das gesamte Opfer aus, so dass von dem nur noch eine zerknitterte Hülle übrig bleibt…

Rädertiere

Aufgrund ihrer Transparenz gehören Rädertiere zu den faszinierendsten Beobachtungsobjekten unter dem Mikroskop. Bei genauem Hinsehen erkennt man, wie die inneren Organe pulsieren. Rädertiere sind nämlich trotz ihrer geringen Größe erstaunlich weit entwickelt. Schon bei geringer Vergrößerung kann man bei den schlauchartigen Würmern eine deutliche Einteilung in Kopf, Rumpf und Fuß unterscheiden. Sie besitzen eine Speiseröhre und einen Kaumagen, in dem aufgenommene Nahrungspartikel zunächst zerkleinert werden, bevor sie in den eigentlichen Magen kommen. Nach der Verdauung werden nicht verwertbare Teilchen über den Darm ausgeschieden.

Ihren Namen verdanken sie dem so genannten Räderorgan am Kopf, das hauptsächlich dazu dient Nahrungspartikel mithilfe von Cilien herbeizustrudeln, aber auch zur Fortbewegung beiträgt.

Rädertiere leben überwiegend im Süßwasser. Manche unter ihnen machen es sich dabei sehr bequem und haften sich mit dem Fuß irgendwo fest, um dann in aller Ruhe Nahrung herbeizustrudeln. Rädertiere sind Allesfresser, einige leben sogar vom Kannibalismus. Die meisten Arten ernähren sich von zerfallendem organischen Material sowie Algen und Phytoplankton.


Stand: 15.04.2005

Krebse im Miniformat

Wasserflöhe

Wenn man in einem See oder in einer Pfütze nach Lebewesen sucht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man Wasserflöhe findet. Denn sie kommen in allen Arten von Süßwasseransammlungen vor. Nur in schnellfließenden Gewässern können sie sich nicht halten. Meistens findet man sie in Ufernähe, wo es viele Pflanzen gibt, die sie zur Nahrungsaufnahme abweiden können. Sie filtrieren aber auch Plankton, durchwühlen Bodenschlamm oder gleiten an der Unterseite des Wasserspiegels entlang.

Mit bloßem Auge kann man sie schon an ihrer leicht hüpfenden Fortbewegungsart erkennen. Diese kommt durch ruckartige Schläge der langen Antennen zustande, die mit zur Fortbewegung genutzt werden. An den Enden befinden sich große Schwimmborsten, die sich beim Ruderschlag auffächern und so den Widerstand im Wasser erhöhen. Bei der Rückbewegung klappen die Borsten um, so dass der Widerstand reduziert wird. Bewegt werden die Antennen über stark ausgebildete Muskeln.

Wasserflöhe sind echte Verwandlungskünstler. Ihr Aussehen ist meist an den bevorzugten Aufenthaltsort angepasst. Die Arten, die sich vom Plankton ernähren, sind in der Regel durchsichtig, solche, die in Bodennähe leben, sind gelblich. In moorigen Gewässern gibt es sogar grün bis schwarz gefärbte Arten. Ebenso flexibel ist auch die Ausbildung von Verteidigungsmechanismen. In fischreichen Gewässern gibt es ausschließlich Daphnien, bei denen der Panzer so weit ragt, dass er wie ein Helm den Kopf schützt. Zusätzlich haben diese Tiere einen langen Schwanzstachel. Forscher fanden heraus, dass diese Umwandlung nicht genetisch bedingt ist, sondern durch chemische Signalstoffe im Wasser ausgelöst wird. So können die Wasserflöhe innerhalb von Tagen auf Änderungen reagieren und sich zur Verteidigung rüsten.

Durch ihr massenhaftes Auftreten liefern sie einen entscheidenden Beitrag zur Fischnahrung. Dabei spielen sie jedoch kleineren Fischen häufig einen Streich. Da diese nicht in der Lage sind, die Wasserflöhe mitsamt ihrem Panzer zu schlucken, gehen sie leer aus und müssen sich andere Beute suchen. Eine Massenvermehrung von Daphnien kann durchaus zum Problem für die Fische werden, da sie sich teilweise von denselben Zooplankton-Arten ernähren wie einige Jungfische, die auf diese Nahrungsquelle angewiesen sind. Dazu gehören zum Beispiel andere winzige Krebstiere und Rädertiere. Die meisten leben aber als Filtrierer von einzelligen Algen und Bakterien.


Stand: 15.04.2005

Anpassung an widrige Umweltbedingungen

Überlebenskünstler

Bakterien, Algen, Wasserflöhe, Pantoffeltierchen oder Rädertiere, die in größeren Seen leben, haben es gut: Diese Gewässer trocknen nur selten aus und die Organismen müssen sich nicht mit Wassermangel oder anderen widrigen Umweltbedingungen auseinandersetzen. Anders sieht das bei den Bewohnern von Pfützen, Auenwäldern oder Feuchtwiesen aus. Sie haben in ihren Lebensräumen regelmäßig mit schwankenden Wasserspiegeln zu kämpfen. Manchmal verlanden diese Gebiete sogar für längere Zeit ganz.

Kaum kehrt das Wasser zurück, wimmelt es dort sofort wieder von tierischem und pflanzlichem Treiben. Aber wie schaffen es diese Organismen selbst monatelange Trockenphasen zu überstehen? Viele der Arten haben sich im Laufe der Evolution zu wahren Überlebenskünstlern entwickelt. Sie haben die verschiedensten Strategien erfunden, um beim Kampf ums Dasein erfolgreich zu sein.

Kapseln und Dauereier

Bakterien beispielsweise haben die Fähigkeit, Sporen zu bilden, mit denen sie ungünstige Perioden überstehen können. Einen anderen Trick verwendet das Pantoffeltierchen. Es kann eine runde Kapsel bilden, in der es vor widrigen Unwelteinflüssen geschützt ist. In diesem Zustand wird es aus seinem eingetrockneten Lebensraum verweht und verschleppt bis es wieder in einer feuchten Umgebung landet.

Wasserflöhe haben eine andere Überlebensstrategie entwickelt. Hier kommt es vor allem darauf an, dass die Art überlebt anstatt das Individuum. Normalerweise vermehren Daphnien sich ungeschlechtlich. Daher sind 98 Prozent der Tiere weiblich und produzieren Eier, aus denen auch wieder nur Weibchen schlüpfen. Männchen werden erst geboren, wenn sich die Umweltbedingungen zum Nachteil verändern, das heißt bei einsetzender Trockenheit oder, wenn Giftstoffe den Lebensraum verseuchen. Einzige Aufgabe der Männchen ist es dann, die Eier zu befruchten. Diese so genannten Wintereier sind durch eine Hülle besonders geschützt und können bis zu zwei Jahre Trockenheit überstehen. Bei günstigen Umweltbedingungen schlüpfen aus ihnen dann wieder ausnahmslos Weibchen.

Eine ähnliche Überlebensstrategie haben sich die Rädertiere angeeignet. Auch sie vermehren sich bei günstigen Bedingungen eingeschlechtlich. Verschiedene Umweltbedingungen wie Austrocknung oder Kälte bewirken das Auftauchen von Männchen. Erst dann kommt es zur geschlechtlichen Vermehrung. Die daraus entstehenden Dauereier haben harte Schalen und sind sehr widerstandsfähig.

Bärtierchen

Bärtierchen © NASA

Sie sehen aus wie kleine Gummibärchen und haben von den Zoologen prompt den Namen Bärtierchen verpasst bekommen. Es sind winzige Gliedertiere, die in der Tiefsee, an Meeresstränden, Süßwasserseen, heißen Quellen und Pfützen, aber auch auf Moosen, Flechten und in lockeren Böden vorkommen. Entscheidend für eine Besiedlung ist Feuchtigkeit. Trocknet der Lebensraum aus, geben die Tiere Wasser ab und ziehen sich zusammen. Nach 45 Minuten sind Kopf und Beine vollständig verschwunden. Diese Tönnchen können zehn Jahre überdauern und extreme Umwelteinflüsse ertragen, zum Beispiel große Hitze. Während dieser Zeit bleiben die inneren Organe erhalten und Stoffwechselprozesse laufen stark verlangsamt weiter. Bringt man die Tönnchen ins Wasser, quellen sie innerhalb von 30 Minuten auf und verwandeln sich wieder zum normalen aktiven Tier.

Doch die Dauerstadien sichern nicht nur das Überleben, sie dienen oft auch der Verbreitung. Wie Staub werden sie empor gewirbelt und mit den Winden verdriftet. Auch Vögel können an der Verschleppung von Wasserbewohnern beteiligt sein, wenn beispielsweise Dauerstadien von Ciliaten an ihrem Gefieder haften bleiben.


Stand: 15.04.2005

Artenvielfalt sagt Wassergüte voraus

Zeigerorganismen

In den hohen Alpen gibt es sie noch: glasklare Bergseen mit Trinkwasser-Qualität. Das Wasser ist rein und sauerstoffreich. Doch im einzelnen Tropfen herrscht gähnende Leere. Vergeblich wird man nach einer großen Artenvielfalt an Kleinstorganismen Ausschau halten, weil das Wasser einfach zu nährstoffarm ist, um viele Bewohner zu sättigen. So haben sich nur einige wenige Arten hier angesiedelt, die typisch für diesen Gewässertyp sind. Dazu gehören unter anderem bestimmte Jochalgen, Sonnentierchen, Wimpertiere und Kieselalgen.

Ursprünglich gehörten alle tiefen Seen, zum Beispiel auch der Bodensee dieser so genannten Gewässergüteklasse I an. Jedoch haben zunehmende Überdüngung, teils durch Haushaltsabwässer oder eingeschwemmte Mineraldünger zu einer Massenvermehrung des Pflanzenplanktons in diesen Seen geführt.

Zellfäden des Bakteriums Sphaerotilus natans bei 1000-facher Vergrößerung © Ron Sharman, Water and Wastewater Technology, LBCC

Besonders in den Sommermonaten sickern oft Mineraldünger, die in der Landwirtschaft verwendet werden, in die umliegenden Gewässer und reichern das Wasser mit Nährstoffen an. Es kommt zu einer Massenproduktion von Algen. Wenn diese in der kalten Jahreszeit absterben, entstehen Fäulnis und Sauerstoffmangel. Das Gewässer „kippt um“. Durch Flussbegradigungen fließt das Wasser schneller und verliert so die Möglichkeit sich selbst zu reinigen und durch Stromschnellen Sauerstoff aufzunehmen. Nicht selten wird so aus einem „Mustersee“ oder „–fluß“ ein stinkendes totes Gewässer.

Der Prozess beginnt ganz langsam und ist zunächst nur unter dem Mikroskop wahrnehmbar. Untersucht man einen Wassertropfen aus einem Gewässer der Güteklasse II, fällt auf, dass das Plankton sehr artenreich ist. Es gibt Kieselalgen, Dinoflagellaten, Rädertiere, Kleinkrebse und Grünalgen. Die Organismen sind sehr empfindlich gegen Fäulnisstoffe, benötigen einen gewissen Sauerstoffgehalt und vertragen keine Schwankungen des pH-Werts. Bakterien sind Mangelwahre in dem klaren, sauerstoffreichen Gewässer.

Die nächste Stufe enthält zwar noch genügend Sauerstoff, so dass Oxidationsprozesse überwiegen. Allerdings ist die Bakteriendichte so hoch, dass der Gehalt an Sauerstoff ständigen Schwankungen ausgesetzt ist. Hier leben viele Kieselalgen, Grünalgen, Geißel- und Wimpertierchen.

Cyanobakterienblüte © Anthony J.A. Ouellette

Güteklasse IV ist am stärksten verschmutzt. Das Wasser ist sauerstoffarm, Faulschlamm setzt sich ab. Es gibt massenweise Bakterien aber nur sehr wenige Arten anderer Lebewesen. Die paar Arten, die unter solchen Bedingungen lebensfähig sind, treten in der Regel dann aber in hoher Anzahl auf. Bestimmte Arten sind typische Bewohner dieser eutrophierten Gewässer. Dazu gehören beispielsweise Bakterien wie Sphaerotilus natans, weiße und rote Schwefelbakterien, wenige Cyanobakterienarten, einige Geißeltierchen und viele Wimpertierchen, die sich von den Bakterien ernähren. Stammgast unter den mehrzelligen Tieren ist vor allem der Schlammröhrenwurm (Tubifex tubifex).

Schlammröhrenwurm © Seespiegel

Diese Güteklasse findet man meist in ungeklärten Abwässern, an Stellen, wo Abwässer in Flüsse und Seen eingeleitet werden, aber auch wenn Wasser zulange in Blumenvasen bleibt und langsam zu faulen beginnt. Nicht jedes Mal ist die Schuld für das Umkippen eines Gewässers beim Menschen zu suchen. Auch verwesende Tierleichen in flachen Buchten können die Eutrophierung verursachen.

Die Einteilung der Güteklassen

England zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Forscher arbeiten an einem System, die Gewässergüte anhand ihrer Bewohner festzulegen. Richard Kolkwitz und M. Marsson legen zwischen 1902 und 1935 den Grundstein für dieses System, das in den Fünfziger Jahren verfeinert wird und auch heute immer noch als verlässlich gilt. Zunächst teilen sie den Verschmutzungsgrad von Gewässern in vier Stufen ein, und zwar anhand der Prozesse, die bei der biologischen Selbstreinigung von Fließgewässern ablaufen.

Dann beschreiben sie 300 Pflanzen und 500 Tiere, die als typische Bewohner der verschiedenen Gewässertypen gelten. Später wird die Einteilung auf etwa 160 Makro- und 90 Mikroorganismen reduziert und die Güteklassen noch um drei Zwischenstufen ergänzt. So wird die Belastung eines Gewässers mit organischen Stoffen anhand der art- und mengenmäßigen Zusammensetzung von Zeigerorganismen bestimmt.

Natürlich eignen sich nicht alle Arten als Zeigerorganismen, sondern nur diejenigen, deren Überleben eng an spezielle Umweltverhältnisse gebunden ist. Das ist abhängig von verschiedenen Faktoren, zum Beispiel der Nahrung oder dem Sauerstoffbedarf. Bakterienfresser benötigen zum Überleben bakterienreiche, also stark verschmutzte Lebensräume. Auch das Bedürfnis nach Sauerstoff ist sehr unterschiedlich. In sauerstoffarmen Gewässern halten sich zum Beispiel bevorzugt Anaerobier auf, die gar keinen Sauerstoff benötigen und ihren Energiebedarf mithilfe von Gärungen abdecken.


Stand: 15.04.2005