Entdeckungsgeschichte einer „unmöglichen“ Beziehung

Viren und Krebs

Krebszellen © NCI

Er ist das große Damoklesschwert, eine gefürchtete Plage unserer Zeit: Krebs. Millionen von Menschen weltweit leiden an der Krankheit mit den vielen Gesichtern, täglich müssen sich Tausende neu mit der Diagnose auseinandersetzen. Denn trotz modernster Technologien und Behandlungsstrategien bedeutet sie in vielen Fällen noch immer ein Todesurteil. Entsprechend fieberhaft suchen Mediziner nach den Ursachen für den bösartigen Amoklauf der Zellen.

Was löst dieses unkontrollierte Zellwachstum, die bösartige Wucherung aus? Gift, Strahlung, Erbanlagen – in einigen Fällen sind die Auslöser zumindest eingekreist, doch im Gegensatz zu vielen Infektionskrankheiten ist es bei Krebs mit einem einfachen Ursache-Wirkungs-Prinzip nur selten getan. Oft löst erst das Zusammenwirken mehrerer Faktoren die fatale Transformation von der normalen Körperzelle zur entarteten Krebszelle aus. Das komplexe Gefüge dieser Interaktionen haben die Wissenschaftler jedoch heute erst in Ansätzen durchschaut.

Unter den vielen Faktoren ist einer erst in den letzten Jahren in den Blickpunkt des Forscherinteresses gelangt: Tumorviren. Obwohl Wissenschaftler schon Anfang des letzten Jahrhunderts erste Hinweise auf eine Krebs auslösende Wirkung von Viren entdeckten, wurden ihre Ergebnisse zunächst Jahrzehnte lang schlicht ignoriert. Die herrschende Lehrmeinung verbot sich jeden Zusammenhang zwischen übertragbaren Krankheitserregern und den – nicht übertragbaren – Tumorerkrankungen.

Auch wenn sich letztendlich die Erkenntnis durchsetzte, dass Krebs und Viren sehr wohl etwas miteinander zu tun haben, mussten die Forscher auf diesem Gebiet wie auf kaum einem anderen gegen ein wahres Bollwerk aus Widerständen anrennen. Bis in die jüngste Zeit reicht diese Geschichte der Ignoranz, aber auch der Beharrlichkeit. Sie ist damit geradezu ein Paradebeispiel für den vom österreichischen Ingenieur und Schriftsteller Robert Musil beschriebenen typischen Ablauf des wissenschaftlichen Fortschritts: „Alle paar Jahre…revolutioniert etwas, das bis dahin als Irrtum galt alle bisherigen Sichtweisen,… eine verachtete Idee wird plötzlich zum Herrscher über ein neues Reich.“

Und das „neue Reich“ gewinnt zusehends an Größe: Immer mehr Viren werden von Krebsforschern auf die Liste der „Verdächtigen“ gesetzt, rund ein Dutzend sind bereits zweifelsfrei identifiziert. Darunter auch so verbreitete und vermeintlich harmlose Erreger wie das Papillomavirus oder andere Herpesarten. Noch sind zwar die Mechanismen der Krebsentstehung durch Viren nur im Groben bekannt, doch die Forschung arbeitet auf Hochtouren. Denn ist dieser Prozess verstanden, eröffnen sich auch neue, Hoffnung bringende Wege für Vorbeugung und Therapie…

Nadja Podbregar
Stand: 15.10.2004

Die Entdeckung der Krebsviren

Ein Huhn macht den Anfang

Wir schreiben das Jahr 1909. Am Rockefeller Institute of Medical Research in New York hat der junge Biologe und Arzt Peyton Rous gerade seine Arbeit aufgenommen, als er Besuch von einem Bauern erhält. Unter dem Arm trägt dieser einen Behälter mit einem krebskrankes Küken darin. Das Tier, ein gestreiftes Plymouth-Rock-Huhn hat einen großen, bösartigen Bindegewebstumor auf der rechten Brustseite, ein Sarkom.

Ein Küken macht den Anfang © USDA

Rous, der in dem noch jungen Gebiet der Krebsforschung arbeitet, nutzt die Chance und führt mit dem Küken und seinem Tumor eine Reihe von Untersuchungen durch. Dabei kommt er auf die Idee, aus dem befallenen Gewebe einen Extrakt herzustellen, diesen zu filtrieren, um ihn zellfrei zu machen und das Ganze schließlich jungen Küken derselben Hühnerrasse zu injizieren. Das Ergebnis dieses für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Experiments ist verblüffend: Die gesunden Tiere entwickeln plötzlich ebenfalls bösartige Tumore derselben Art.

Rous schließt daraus, dass in diesem Extrakt ein winziger Erreger enthalten sein muss, der den Tumor auslöst, er tippt auf einen parasitären Organismus, vielleicht einen der gerade neu entdeckten Viren. Um die Vermutung zu erhärten, versucht Rous, auch andere Hühnertumoren auf diese Weise zu übertragen – mit Erfolg. 1910 veröffentlicht er seine Ergebnisse und seine Hypothese eines krebserregenden Virus und löst damit eine wahre „Tumorextraktwelle“ aus.

Im Abseits

Doch alle Versuche, auf diese Weise auch bei anderen Tierarten Wucherungen zu erzeugen, schlagen fehl. Schnell gerät Rous damit ins wissenschaftliche Abseits und seine Virentumore in den Ruch, eine nur bei Hühnern vorkommende Abnormität zu sein. „Die Ergebnisse zum Sarkoma-Virus stießen auf absoluten Unglauben“, erzählt Rous 1966 in seiner Rede anlässlich der Nobelpreisverleihung. „Dabei gelang es kurze Zeit später, auch andere morphologisch unterschiedliche „spontane“ Hühnertumore durch Transplantation zu erzeugen, bei denen in jedem einzelnen ein Virus nachgewiesen werden konnte.“

Selbst als in den 1930er Jahren ein Kollege von Rous, Richard Shope, dann doch ähnliche Ergebnisse mit einem Extrakt aus einem gutartigen Hauttumor, einem Papillom, aus der Haut einer Wildkaninchenart erzielt, werden die Resultate als nicht für Krebs relevant abgetan.

„Milchfaktor“ statt Viren

Krebszellen © NCI

Die vorherrschende Lehrmeinung, nach der Krebs allenfalls eine erbliche oder aber umweltbedingte Komponente besitzt, keinesfalls aber durch Viren oder anderer Erreger hervorgerufen werden kann, erweist sich als absolut resistent gegenüber Neuerungen. Nach dem Motto: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ werden alle Ideen zu Krebsviren abgeschmettert und als unseriös diskreditiert. Ein von der obersten amerikanischen Gesundheitsbehörde eingesetzter Sachverständigenrat gibt in den 1930er Jahren sogar offiziell den Leitsatz aus, dass Viren und andere Erreger als Krebsursachen ausgeschlossen werden können.

Von diesem Klima eingeschüchtert, traut sich kaum ein Forscher, Belege für die Existenz von Krebsviren zu veröffentlichen. Ende der 1930er Jahre entdeckt ein am größten Krebsforschungsinstitut der USA arbeitender Forscher, John Bittner, bei Mäusen einen über die Muttermilch übertragenen Virus, der Brustkrebs auslöst. Doch aus Angst um seine Stelle und weitere Foschungsgelder meidet er in seiner Publikation jeden Hinweis auf ein Virus und bezeichnet den Erreger stattdessen neutral als „Milchfaktor“.

Die Wende

Der große Umschwung und mit ihm die Rehabilitation der Krebsviren-Forscher findet erst Ende der 1950er Jahre statt. Zwei Faktoren lösen diese Wende aus: Virologen zu diesem Zeitpunkt entdeckt, dass bestimmte Viren Teile ihres genetischen Materials in das Genom der Wirtszelle einschleusen können. Sie verändern dadurch die Zellen dauerhaft, ohne sie jedoch zu zerstören. Zum anderen haben inzwischen so viele Wissenschaftler in ihren Experimenten Tumorviren nachgewiesen, dass sich die unbequeme Wahrheit nicht mehr ignorieren lässt.

Das Dogma der strikten Trennung von Krebs auf der einen Seite und durch Viren oder andere Erreger hervorgerufenen Infektionen auf der anderen Seite fällt. Rund zehn Jahre später, 1966 wird Peyton Rous für seine Pionierarbeit – und seine Beharrlichkeit – belohnt: Er erhält den Nobelpreis für Medizin und der von ihm entdeckte Virus wird ihm zu Ehren Rous-Sarkoma-Virus benannt..


Stand: 15.10.2004

Die Suche nach dem Mechanismus – erster Teil

DNA-Piraten

Krebszellen sind soziale „Missfits“: sie entziehen sich der Kontrolle des Organismus, wuchern scheinbar unbeirrbar und zerstörerisch im Körper und vererben ihre destruktives Potenzial auch noch an alle ihre Nachkommen. Und doch entstehen sie aus ganz normalen Zellen. Aber wie? Und welche Rolle spielen dabei Viren und andere Erreger? Genau diese Frage stellt sich auch Renato Dulbecco, Krebsforscher am California Institute of Technology (Caltech). Seit der Rehabilitierung von Peyton Rous sind Tumorviren zwar kein Tabuthema in der Krebsforschung mehr, doch über ihre Wirkungsweise ist so gut wie nichts bekannt.

Hamsterzelle bei der Zellteilung © NCI

1960 führt er gemeinsam mit seiner Kollegin Marguerite Vogt Laborversuche durch, bei denen er Hamsterzellen mit einem relativ einfach gebauten DNA-Virus, dem Polyoma-Virus, infiziert. Planmäßig beginnen sich die Zellen zu verändern und Tumore treten auf. Doch dann entdecken die Forscher Ungewöhnliches: Sobald die Umwandlung zu Krebszellen eingesetzt hat, stoppt auch die Vermehrung der Viren. Statt wie normalerweise bei einer Infektion üblich, sämtliche Ressourcen der Zelle für die Virenproduktion einzuspannen, stagniert deren Anzahl in der Kultur. Aber warum?

Ein Virus hinterläßt Fußabdrücke…

Für Dulbecco gibt es nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder löst das Virus die Transformation der Zelle aus und geht dabei zugrunde, oder es bleibt in der Zelle zwar präsent, kann sich aber nicht mehr vermehren. Einige Zeit und viele Experimente später hat der Wissenschaftler die Antwort: Er findet verräterische „Fußabdrücke“ des Virus in den transformierten Zellen und kann damit die erste Vermutung ausschließen – der Erreger ist offensichtlich noch vorhanden.

Mithilfe von molekularbiologischen Methoden kann er schließlich auch nachweisen, warum das Virus so seltsam inaktiv scheint: Ein für die Vermehrung wichtiger Teil seiner DNA steht nicht mehr zur Verfügung, weil es in das Genom der Zelle eingebaut wurde. Obwohl das insertierte DNA-Stück des Virus nur rund sieben verschiedene Proteine kodiert, scheint diese Information bereits auszureichen, um die Zellprozesse außer Kontrolle geraten zu lassen.

Gegen das Dogma

Während Dulbecco bei der Veröffentlichung seiner Ergebnisse großes Aufsehen, aber kaum Widerspruch erweckt, hat ein anderer Forscher, Howard Temin, ein junger Biologe an der Universität von Wisconsin, weniger Glück. Temin nutzt im Unterschied zu Dulbecco den Rous-Sarkoma-Virus, ein RNA-Virus, als Forschungsobjekt, kommt aber in seinen Experimenten zum gleichen Ergebnis: Das Virus muss dem Genom der Zelle etwas hinzufügen, das die Zellveränderungen auslöst, schreibt er 1964 in einer Veröffentlichung. Seiner Ansicht nach „übersetzt“ das Virus dazu seine als RNA kodierte Erbinformation zunächst in DNA, den „Provirus“, um diesen dann in die zelluäre DNA einzuschleusen.

DNA-Isolierung im Labor © NCI

Mit dieser Hypothese begeht er jedoch einen großen „Fehler“: Er stellt das zentrale Dogma der Molekularbiologie der damaligen Zeit in Frage. Nach diesem findet der Informationstransfer in lebenden Zellen immer von der DNA zur RNA und schließlich zum Protein statt – niemals aber umgekehrt. Temins Vorschlag eines Provirus, der genau diese „falsche“ Richtung nutzt, grenzt daher für die Mehrheit seiner Wissenschaftlerkollegen geradezu an Ketzerei. Entsprechend empört und höhnisch ist die Reaktion.

Auch hier braucht es fast zehn Jahre und die „Amtshilfe“ eines Kollegen, bis der diskreditierte Forscher Recht erhält. Ende der 1970er Jahre verpassen Temin und der Biologe David Baltimore dem Dogma endgültig den Todestoß. Beide entdecken unabhängig voneinander ein Enzym in den von Tumorviren befallenen Zellen, das RNA in DNA übersetzen kann und dies auch nachweislich tut. Das Einschleusen dieser „Provirus-DNA“ in das Erbgut der Zelle kann ebenfalls an Experimenten belegt werden.

Dulbecco, Temin und Baltimore erhalten für diese bahnbrechenden Erkenntnisse zur Biologie der Tumorviren im Jahr 1975 den Nobelpreis. Doch den genauen Mechanismus der Entstehung von Krebs durch Viren und die Frage, ob auch menschliche Tumoren durch solche Viren ausgelöst werden, können auch die drei noch nicht beantworten. Temin erklärt dazu in seiner Nobelpreisrede vorsichtig: „Ich glaube nicht, dass infektiöse Viren die Ursache für die meisten menschlichen Tumoren sind, denke aber, dass die Viren uns Modelle für die Entwicklung des Krebses liefern können.“


Stand: 15.10.2004

Auf der Suche nach dem Krebsgen

Tumorviren ohne Infektion?

Kaum hat die Wissenschaftlergemeinde die neue Erkenntnis verdaut, dass Krebsviren – darunter auch und vor allem RNA-Viren – einen Teil ihrer Erbinformation in die DNA der Zelle einbauen, kommt der nächste Schock: Zwei Forscher am amerikanischen National Cancer Institute, Robert Huebner und George Todaro, experimentieren in den 1970er Jahren mit dem Rous-Virus an verschiedenen Säugetieren. Dabei stellen sie zu ihrem großen Erstaunen fest, dass in den Tumorzellen auch dann Viren-DNA nachweisbar ist, wenn die Tumoren gar nicht durch Infektion mit dem Virus, sondern durch physikalische oder chemische Einflüsse erzeugt worden sind. Wie ist das zu erklären?

Die „Virogen-Onkogen“-Hypothese

Huebner und Todaro erklären sich das Auftauchen der Viren-DNA „aus dem Nichts“ damit, dass die Zellen in ihrer Erbinformation Virengene enthalten müssen, die irgendwann im Laufe der Evolution in das Genom eingeschleust worden sind. Diese bis heute konservierten DNA-Abschnitte werden unter bestimmten äußeren Einflüssen aktiv und erzeugen virale Proteine und damit neue Viren. Ein Teil dieser „Virogene“, so ihre Hypothese, löst dabei jedoch auch die Bildung von Tumoren aus und fungiert damit als „Onkogen“.

Auf der Suche nach dem Tumorgen

Michael Bishop und Harold Varmus © NCI

Stimmt diese Theorie, müsste das Rous-Onkogen tatsächlich in der zellulären DNA auch von gesunden Tieren nachweisbar sein. Ein weiteres Forscherpaar, Michael Bishop und Harold Varmus von der Universität von Kalifornien in San Francisco, macht sich auf die Suche und will zu diesem Zweck das Genom des Rous-Sarkoma-Virus mit der Hühner-DNA vergleichen. Ohne moderne Hilfsmittel wie PCR oder Sequenzierautomaten eine langwierige und fast unlösbare Aufgabe.

Doch da kommt ihnen der Zufall zu Hilfe: 1971 entdeckt Peter Vogt von der Universität von Südkalifornien eine Virusmutante, die sich zwar vermehren kann, der aber die Fähigkeit zur Tumorauslösung zu fehlen scheint. Da das Genom des Virus gleichzeitig auch 15 Prozent kürzer ist als normal, liegt der Schluss nahe, dass sich genau in diesem fehlenden Stück möglicherweise das oder die entscheidenden Tumorgene befinden.

Für Bishop und Varmus ist das genau der Hinweis, den sie brauchen. Jetzt können sie gezielt testen, ob dieses „src“ getaufte Genstück in der zellulären DNA ihrer Versuchshühner enthalten ist und damit als zelleigenes potenzielles Krebsgen in Frage kommt. Zu ihrer Überraschung werden sie jedoch nicht nur bei Hühnern, den Hauptwirten des Rous-Virus, fündig, sondern auch bei Vögeln quer durch den gesamten Stammbaum.

Und dessen nicht genug, finden andere Wissenschaftler sehr schnell auch src-Varianten in Schweinen, Kaninchen, Ratten, Schlangen und sogar dem Menschen. Das von Huebner und Todaro postulierte Onkogen scheint damit gefunden. Aber Bishop und Varmus trauen dem Frieden nicht. Die extrem weite Verbreitung macht sie stutzig. Stammt dieses Gen wirklich aus dem Rous-Virus?


Stand: 15.10.2004

Das Geheimnis der Onkogene

Der Innere Feind

Mit der Identifizierung eines zelleigenen Proto-Onkogens ist ein wichtiger Durchbruch erreicht. Schon kurze Zeit später haben die Forscher an die 40 verschiedene retrovirale Onkogene identifiziert. Sie wagen die Hypothese, dass in den meisten Zellen Gensequenzen existieren könnten, die einem tumorauslösenden Viren-Gen entsprechen und damit möglicherweise selbst potenziell krebserzeugend sind. Es gibt demnach einen „inneren Feind“, der bei der Tumorbildung eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielt wie Tumorviren und andere äußere Faktoren.

Mikroskopbild des vom src-Gen kodierten Proteins © NCI

Doch die neuen Erkenntnisse werfen fast ebenso viele neue Fragen auf, wie sie beantworten. Eine der wichtigsten formuliert Varmus so: „War die Erhaltung des src-Gens während der Evolution ein Indiz für seinen zellularen Ursprung? Oder könnte es trotzdem ein ursprünglich von einem Virus stammendes Gen sein, dass einfach nur besser konserviert wurde als vergleichbare virale Elemente?“

Zelleigen statt eingeschleust

Antworten auf diese Frage kommen sehr schnell aus unterschiedlichen Richtungen. Den letztendlich entscheidenden Hinweis gibt jedoch die Sequenzanalyse. Sie zeigt, dass das src-Gen an vielen Stellen durch Introns, scheinbar informationslose „Junk-DNA“ unterbrochen ist, ein Charakteristikum von zellulärer DNA, das bei viralen Genen normalerweise nicht auftritt.

Im Rückblick kommentiert Harold Varmus: „Alle unsere Argumente und Experimente ließen nur einen Schluss zu: Der Vorläufer von src war ein konserviertes – und damit lebensnotwendiges – zelluläres Gen, das durch Rekombination seinen Weg in das Rous-Sarkoma-Virus fand.“ Damit deutet alles daraufhin, dass der ursprünglich in der „Virogen-Onkogen“-Hypothese aufgestellte Entwicklungsweg genau umgekehrt verlaufen sein muss.

Ein Onkogen ist ein Gen, das bei der Umwandlung einer normalen Zelle in eine Krebszelle als Auslöser oder beitragender Faktor wirkt. Aktiviert und zum Tumorgen werden kann es durch äußere Einflüsse wie Strahlung, Chemikalien oder eben ein Virus , aber auch durch Mutation. Geschieht dies, wird das vom Gen kodierte Protein im Übermaß exprimiert und dadurch beispielsweise andere, für die Tumorunterdrückung wichtige Gene ausgeschaltet oder das Zellwachstum unkontrolliert angeregt. © NCI/MMCD

Das erklärt auch, warum das Onkogen so lange in der Zelle erhalten geblieben ist: „Weit entfernt davon, ein schädliches Element zu sein, das nur darauf lauert, durch ein karzinogenes Signal aktiviert zu werden, scheinen die Vorstufen der viralen Onkogene eine für den Organismus wichtige Funktion zu haben, sonst wären sie nicht im Laufe der Evolution erhalten geblieben“, so Varmus. Tatsächlich spielen die Gene bei so grundlegenden Prozessen wie dem Zellwachstum und der Zellentwicklung und –differenzierung eine Rolle.

Unfreundliche Übernahme

Wie aber wird dieses so nützliche Gen zum Auslöser für einen „Amoklauf“ der infizierten Zelle? Bishop und Varmus postulieren, dass das Retrovirus, wenn es die Zelle befällt, das harmlose Proto-Onkogen erkennt und in seine pathogene Form umwandelt. Im Laufe dieses als Transduktion bezeichneten Prozesses blockiert das Virus die normale Aktivität des Gens und entzieht es der Steuerung durch den Organismus. Als Folge induziert das überaktivierte und fehlgeleitete Gen beispielsweise unkontrolliertes Wachstum der Zelle.

Diese Umwandlung, so vermuten die beiden Forscher, könnte aber durchaus auch durch chemische oder physikalische Einflüsse stattfinden und damit die seltsamen Befunde von Huebner und Todaro erklären. 1983 wird diese Hypothese bestätigt, als Wissenschaftler eine Reihe von zellulären Genen entdecken, die sowohl viralen Krebsgenen als auch Onkogenen aus nicht von Viren erzeugten Tumoren gleichen.


Stand: 15.10.2004

HTLV-1 und der erste Beweis

Krebs durch Viren auch beim Menschen?

Mit der Identifizierung des „Inneren Feinds“ und der Erkenntnis, wie Viren zu Auslösern bei der Tumorentstehung werden können, haben Bishop und Varmus die Tür zur modernen Krebsforschung weit aufgestoßen. 1989 erhalten beide dafür den Nobelpreis für Medizin.

Und doch handeln auch sie sich mit ihren Thesen und Theorien durchaus Widerspruch und sogar Spott ein. Denn ihre Annahme, ein ähnlicher Mechanismus könne auch beim Menschen für die Entstehung von Tumoren verantwortlich sein, passt nicht in das etablierte wissenschaftliche Weltbild. Nach diesem gelten Viren bei Tieren zwar als bekannte und nachgewiesene Auslöser von Tumorerkrankungen, beim Menschen jedoch wird ein solcher Zusammenhang bezweifelt. Hier werden nach wie vor erbliche oder aber Umweltfaktoren als Hauptverursacher angesehen.

Das erste humane Retrovirus

HTLV-1 Virus © NCI

Erst Anfang der 1980er Jahre ändert sich das. 1980 untersucht der Virenforscher Robert Gallo gemeinsam mit Kollegen am National Cancer Institut in den USA einen Patienten, der unter einem gutartigen Hautgeschwür, einem so genannten kutanösen T-Zell Lymphom leidet. In den Gewebeproben entdeckt er einen bisher noch niemals bei einem Menschen nachgewiesenen Erreger, einen Retrovirus. Während diese RNA-Viren bei Tieren schon seit langem bekannt sind – auch das Rous-Sarkoma-Virus gehört zu dieser Gruppe – geschieht dieser Nachweis beim Menschen damit zum ersten Mal.

Gallo erforscht in den folgenden Jahren gemeinsam mit japanischen Kollegen seine Verbreitung und Biologie. Dabei stoßen die Wissenschaftler auf einen unvermuteten Zusammenhang: Während ein Großteil der Infizierten im Laufe der Jahre nur gutartige Hautveränderungen entwickelt, erkranken einige wenige von ihnen an einer besonders schweren Form der Leukämie, dem so genannten adulten T-Zell Leukämie Lymphom. Diese Krebsform tritt zwar meist erst im sechsten Lebensjahrzehnt auf, führt dann aber relativ schnell zum Tode. Während nur rund ein bis vier Prozent der Infizierten an dieser Leukämie erkranken, tragen alle Erkrankten das Virus in sich.

…und die Leukämie

Ist das Virus demnach der Auslöser für den Krebs? Die Präsenz eines Virus in einer Krebzelle allein wäre noch kein ausreichender Beleg für einen ursächlichen Zusammenhang. Doch Gallo und Co. gelingt es 1982 im Genom des Virus einen „Missetäter“ dingfest zu machen. Das virale Gen „tax“ ist kein Onkogen im klassischen Sinne, denn es besitzt keine Entsprechung im Genom der Körperzellen. Aber es wirkt, wenn es in die DNA der Zelle eingeschleust wird, aktivierend auf bestimmte Wachstumfaktoren der T-Zellen und löst damit das Leukämie-typische ungehemmte Wachstum dieser Zellen aus. Wie dieser Prozess allerdings im Einzelnen abläuft, ist bislang nur teilweise geklärt.

Der in der Folge HTLV-1 benannte Erreger geht als das erste Virus, das beim Menschen Krebs hervorruft, in die Medizingeschichte ein und bahnt den Weg zu einer bis heute anhaltenden Suche nach weiteren humanen Tumorviren. Der Hepatitis C-Erreger gilt inzwischen als mitauslösender Faktor für bestimmte Leberkrebsformen und möglicherweise auch für einige Arten des Non-Hodgkin-Lymphoms, doch weitere RNA-Viren stehen bislang allenfalls auf der Verdächtigenliste, nachgewiesen ist ihnen noch nichts…


Stand: 15.10.2004

HPV und Gebärmutterhalskrebs

Der Modellfall

Er ist klein, kugelförmig und kann jeden treffen: Das Humane Papillomavirus (HPV). Mehr als 20 Millionen Menschen weltweit sind heute mit diesem DNA-Virus infiziert. Über die Hälfte aller Männer und Frauen fangen sich irgendwann im Laufe ihres Lebens den sexuell übertragbaren Erreger ein.

Wer befallen ist, merkt in der Regel kaum etwas davon. Das Virus überdauert in der Haut und den Schleimhäuten ohne Symptome zu erzeugen, nur in einigen Fällen entstehen gutartige Warzen. Doch HPV ist nicht nur weit verbreitet, es ist auch vielgestaltig: Mehr als 130 Varianten des Virus sind inzwischen identifiziert. Und 18 davon haben es in sich: Denn sie gelten als Hochrisikotypen und potenziell krebserzeugend. 1983 entdeckt, ist dieser Zusammenhang zwischen einem Virus und Krebs heute einer der best untersuchten und nachgewiesenen überhaupt. Die Virologin Maura Gillison von der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore schätzt, dass mindestens 600.000 Krebsfälle weltweit durch HPV verursacht werden, andere gehen sogar von zwölf bis 15 Prozent aller Tumorerkrankungen aus.

Zwei Proteine als Zellpiraten

Dafür verantwortlich sind insbesondere zwei Virustypen: HPV 16 und 18. Sie finden sich in mehr als 90 Prozent aller Tumoren an Schleimhäuten des Hals- und Kopfbereichs und in 99 Prozent aller Gebärmutterhalskrebse. Normalerweise gelingt es dem menschlichen Immunsystem, eine HPV-Infektion innerhalb von acht bis zehn Monaten zu besiegen. Doch kommen Risikofaktoren wie beispielsweise Rauchen, eine Immunschwäche oder eben ein besonders aggressiver Virusstamm dazu, nimmt die Entwicklung einen anderen Verlauf:

Die befallenen Zellen beginnen damit, zwei virale Proteine zu produzieren, E6 und E7. E6 bindet sich an ein bestimmtes Zellprotein und bringt es dazu, das Tumorsuppressor-Gen P53 zu markieren und so dessen Zerstörung einzuleiten. Damit fehlt der Zelle eine der wichtigsten Kontrollinstanzen gegen Mutationen und bösartige Veränderungen. Das zweite Virenprotein, E7, „entert“ ein weiteres zelleigenes Protein, das an wichtigen Steuerungsprozessen beteiligt ist und verurteilt es dadurch ebenfalls zum Tode. Die Folge: Es werden Transkriptionsfaktoren freigesetzt, die die Zellteilung vorantreiben. Mithilfe von nur zwei Proteinen greift das Virus so in fundamentale Stoffwechsel- und Entwicklungsprozesse der Zelle ein und nimmt ihr wichtige Abwehrmöglichkeiten gegen Mutationen.

Dieser Mechanismus ist aber bei weitem nicht der einzige, der bei der Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs durch HPV eine Rolle spielt. Im Gegenteil: „Fast jede Woche werden neue Mechanismen beschrieben“, erklärt Gillison. „Aber diese beiden sind die einschneidensten und wichtigsten.“

Das dreckige Dutzend

Doch gerade die Vielzahl und Komplexität der beteiligten Prozesse und Regulationsmechanismen stellt die Forscher bei der Suche nach weiteren tumorinduzierenden Viren vor große Probleme. Unter anderem deshalb sind bis heute nur wenig mehr als ein Dutzend Virus-Krebs-Verbindungen beim Menschen eindeutig belegt.

Neben HTLV-1 und HPV etabliert sind unter anderem das Humane Herpesvirus-8 (HHV-8) als Auslöser für das Karposi-Sarkom, der Epstein-Barr-Virus (EBV) bei Nasenrachenkrebs und Hodgkins-Lymphom und die Hepatitisviren B und C für Leberkrebs. Auf der Verdachtsliste stehen zurzeit noch das Polyomavirus, Hepatitis C bei Non-Hodgkins-Lymphom und ein noch unidentifizierter Erreger für eine Form der kindlichen Leukämie. Die Zahl der „überführten“ Krebsviren wächst…


Stand: 15.10.2004

Helicobakter pylori und die Magenkrebs-Connection

Ein kleiner Schluck für einen Forscher…

Nicht nur Viren, auch andere Mikroorganismen können Tumore hervorrufen. Doch bis sich diese Erkenntnis durchsetzt, muss wieder einmal ein Dogma der Medizin zu Fall gebracht werden. Am Anfang dieser neuerlichen Revolution stehen ein beharrlicher Wissenschaftler, ein Selbstversuch und ein großer Schluck. Hauptakteure der Geschichte sind der australische Wissenschaftler Barry Marshall und sein Kollege Robin Warren sowie ein stäbchenförmiges Bakterium, Helicobacter pylori.

Magenbakterium Helicobacter pylori © NCI

Wir schreiben das Jahr 1982. In der Welt der Medizin gilt das Paradigma: „Bakterien sind überall –aber der menschliche Magen ist bakterienfrei.“ Denn, so die gängige Lehrmeinung, Mikroorganismen können in dem extrem sauren Milieu des Verdauungsorgans nicht überleben, die Magensäure macht allem den Garaus. Und nicht nur das. Die Säure ist es auch, so glaubt die Mehrheit aller Ärzte und Pharmakologen aber auch der Patienten, die Schuld ist an schmerzhaften Entzündungen der Magenschleimhaut und den häufig daraus entstehenden Magengeschwüren. Nach dem Motto: „Keine Säure, kein Geschwür“ wirbt die Pharmaindustrie für Säureblocker verschiedendster Art und die Verkaufszahlen sind entsprechend hoch.

Im Magen lebt es

Doch dann entdeckt der Pathologe Robin Warren bei der mikroskopischen Untersuchung von Gewebeproben aus Magengeschwüren und entzündeter Magenschleimhaut etwas, was es eigentlich nicht geben dürfte: Putzmuntere Bakterien. Und das in mehr als der Hälfte aller von ihm untersuchten Proben. Ihre Menge scheint zudem auch noch mit der Schwere der Entzündung in Zusammenhang zu stehen. Überzeugt, dass seine Entdeckung irgendetwas zu bedeuten haben muss, kontaktiert Warren den Internisten Barry Marshall.

Beiden gemeinsam gelingt es erstmals, das Bakterium in Kultur zu züchten. Damit ermöglichen sie mikrobiologische Untersuchungen, die enthüllen, wie das Bakterium den lebensfeindlichen Bedingungen des Mageninneren trotzt. Zum einen nutzt es seine Geißeln, um sich tief in die schützende Schleimschicht einzugraben und dort an den Schleimhautzellen anzudocken. Mithilfe eines Enzyms, der Urease, zerlegt es gleichzeitig die von den Zellen abgegebene Harnsäure in Kohlendioxid und Ammoniak. Damit schafft sich ein neutrales Umfeld und umgeht die Mikrobenabwehr-Strategie des Magens.

Ein Schluck macht Geschichte

Doch diese Erkenntnisse belegen leider noch lange nicht, dass das Bakterium tatsächlich der Auslöser einer Entzündung oder sogar von Krebs ist. Auch wenn die statistischen Zahlen darauf hindeuten, fehlt der letztendliche Beweis. Nach monatelangen Experimenten entschließt sich Marshall im Juli 1984 zu einem radikalen Schritt: dem Selbstversuch. Er trinkt eine brackige Lösung von Milliarden Bakterien, frei nach dem Motto: Ein kleiner Schluck für einen Menschen – ein großer für die Medizin. „Jeder sagte: ‚Du bist verrückt’“, erzählt Marshall später. „Es schien eine viel zu unglaubliche Erklärung für etwas so Komplexes wie Magengeschwüre zu sein.“

Doch der Versuch gibt ihm Recht. Nach wenigen Tagen entwickelt er grippeähnliche Symptome, nach zwei Wochen eine Magenschleimhautentzündung. Eine Gewebeprobe enthüllt deutlich einen Belag von unzähligen Bakterien auf den Schleimhautzellen des Wissenschaftlers. Damit hat Marshall Helicobacter zwar eindeutig als Verursacher einer Entzündung enttarnt. Der von ihm postulierte Zusammenhang zwischen dem Bakterium und Magenkrebs ist allerdings noch nicht bewiesen.

Blut verrät Täterschaft

Inzwischen sind jedoch auch andere Forscher auf seine Hypothese aufmerksam geworden und haben festgestellt, dass sich das Bakterium über Antikörper im Blut nachweisen lässt. Gleich drei groß angelegte epidemiologische Studien bauen darauf auf. Sie untersuchen gezielt das vor Jahrzehnten im Rahmen anderer Studien entnommene und gelagerte Blut von Tausenden von Magenkrebspatienten auf die Helicobacter-Antikörper und vergleichen die Ergebnisse mit den Blutwerten einer genauso großen, aber krebsfreien Patientengruppe. Die statistische Analyse ist eindeutig: Diejenigen, die vor 20 Jahren mit dem Bakterium infiziert waren, haben mit sechs Mal höherer Wahrscheinlichkeit Krebs entwickelt als die Helicobacterfreien. Die Ergebnisse sind so überzeugend, dass schließlich auch das wissenschaftliche Establishment in Form der WHO Agentur für Krebsforschung (IARC) den Zusammenhang anerkennt: 1994 wird Helicobacter pylori offiziell als Klasse 1 Karzinogen eingestuft.


Stand: 15.10.2004

Begriffe rund um Viren, Krebs und Gene

Glossar

Ein Großteil dessen, was heute über die Rolle von Genen bei der Krebsentwicklung bekannt ist, wurde im Rahmen der Forschungen an Tumorviren entdeckt. Erst die relative Einfachheit des Virengenoms hat es ermöglicht, die an der Entwicklung von Krebs im Menschen beteiligten DNA-Bausteine zu identifizieren oder zumindest näher einzugrenzen.

Bei Tieren schon seit Mitte des letzten Jahrhunderts etabliert, ist die kanzerogene Wirkung von Viren beim Menschen erst seit den 1980er Jahren bekannt. Im Gegensatz zu den tierischen Tumorviren konnte für die inzwischen anerkannten humanen Krebsviren meist kein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip nachgewiesen werden, sondern der Zusammenhang beruht auf Korrelationen oder angenommenen Mechanismen. Die Viren agieren dabei entweder als Kofaktoren oder Kokarzinogene. Dies zeigt deutlich, dass die Krebsentstehung beim Menschen ein komplexer, vielschrittiger Prozess ist.

Zurzeit sind sieben Virenfamilien bekant, die in Zusammenhang mit Tumorbildungen beim Menschen stehen, davon sechs DNA-Viren, ein RNA-Virus.

RNA-Viren:

Viren, deren Erbinformation nicht in Form von DNA sondern als RNA gespeichert ist. Dabei kann die RNA sowohl als Einzelstrang als auch als Doppelstrang vorliegen. Zu den RNA-Viren gehören beispielsweise die Grippeviren, das Poliovirus oder Ebola, als potenziell krebserregend gilt das Hepatitis C-Virus.

Retroviren:

Retroviren sind ebenfalls RNA-Viren. Sie nutzen das Enzym Reverse Transkriptase um eine DNA-Übersetzung ihres Genoms zu erzeugen und dieses in das Chromosom ihrer Wirtszelle einzuschleusen. Hier wird es zu einem permanenten Teil der zellulären Erbinformation. Zu diesen Viren gehört das Aids-Virus, aber auch das Leukämie-auslösende Virus HTLV-1.

DNA-Viren:

Diese Viren tragen ihre genetische Information als DNA in sich und können diese daher ohne vorherige „Übersetzung“ in das Genom der Wirtszelle einbauen. Zu ihnen gehören die Herpesviren, das Humane Papillomavirus (HPV), das als auslösender Faktor bei Gebärmutterhals nachgewiesen wurde und das Epstein-Barr-Virus, das bei einigen Leukämieformen als Verursacher gilt.

Transduktion/Transformation:

Die Umwandlung von normalen Zellen in Krebszellen. Die Fähigkeit von Viren, Zellen in einer Kultur zu transformieren, hat diesen Prozess entscheidend erhellt. Die transformierten Zellen besitzen typische Tumoreigenschaften wie unkontrolliertes Wachstum, eine verringerte Abhängigkeit von umgebendem Gewebe und eine verringerte Abhängigkeit von exogenen Wachstumsfaktoren. Einige transformierte Zellen können auch Tumoren bilden, wenn sie von einem Organismus auf den anderen übertragen werden.

Die Transformation einer Zelle durch ein Tumorvirus hat immer drei Kennzeichen: Sie ist ein „Einzeltreffer-Prozess“, das heißt ein Virus befällt eine Zelle und löst die Umwandlung aus. Außerdem bleibt ein Teil der viralen Erbinformation in der Zelle erhalten und letztlich wird die Transformation in Gang gehalten durch die Expression einer bestimmten Anzahl viraler Gene.

Onkogen:

Ein Gen, das bei der Umwandlung einer normalen Zelle in eine Krebszelle als Auslöser oder beitragender Faktor wirkt. Aktiviert und zum Tumorgen wird es entweder durch Punktmutationen, Umordnung seiner DNA-Bausteine oder Entfallen einzelner Bruchstücke, aber auch durch eine von Viren induzierte übermäßige, unkontrollierte Genexpression. Der Wortstamm „Onko„ stammt vom griechischen Wort für Masse, Klumpen.

Zelluläre Onkogene:

Ein Begriff, der benutzt wird, um entweder ein in Tumorzellen aktiviertes zelluläres Gen zu bezeichnen, oder aber auch ein normales Gen, das verändert werden kann und dann zu einem aktiven Onkogen wird.

Virales Onkogen:

Entweder eine in einem Retrovirus präsente Variante eines normalen zellulären Gens, das so verändert oder aktiviert wurde, dass es als Tumorauslöser wirkt, oder, bei DNA-Viren, ein virales Gen, das keine Entsprechung in der Zelle hat, aber bei Infektion krebsauslösend wirken kann.

Proto-Onkogen:

Ein normales Gen der Zelle, das durch äußere Einflüsse zu einem aktiven Onkogen werden kann und als Vorläufer der viralen und zellulären Onkogene gilt.

Tumorsuppressor-Gen:

Zelleigenes Gen, das die Umwandlung einer normalen Zelle in eine Krebszelle verhindert. Jüngste Studien deuten daraufhin, dass diese Gene möglicherweise bei der Krebsentstehung eine wichtigere Rolle spielen als die aktiven Onkogene.


Stand: 15.10.2004