Vom Naturparadies zum Krisengebiet?

Die Taiga

Taiga © Boreal Forest Network

Ein unendliches Meer aus Nadelbäumen, klirrend kalt, menschenfeindlich: so oder so ähnlich stellt man sich im behaglich warmen Mitteleuropa die Taiga vor.

Doch das gewaltige grüne Band, das große Teile der Nordhalbkugel zwischen dem 50. und 70. Breitengrad überzieht, hat viel mehr zu bieten. Riesige Moore unterbrechen immer wieder das Einerlei des Waldes und im Gewirr der Bäume oder auf den Grasinseln der Taiga haben viele seltene Tierarten ein letztes Rückzugsgebiet gefunden.

Das Paradies für Tiger, Rentiere und Elche hat heute aber auch mit massiven Problemen zu kämpfen. Schuld daran ist vor allem der Mensch. Er sorgt durch Holzeinschlag oder Umweltverschmutzung dafür, dass das sensible Ökosystem langsam aber sicher zum Krisengebiet wird…

Dieter Lohmann
Stand: 20.06.2003

Das Wichtigste in Kürze

Facts

  • Die Taiga überzieht die Nordhalbkugel wie ein gewaltiges grünes Band und hat insgesamt eine Größe von 1,2 Milliarden Hektar. Sie reicht von den Gebirgen Alaskas bis zur nordamerikanischen Atlantikküste und von Skandinavien bis zum Pazifik.
  • Die Artenvielvalt der Taiga ist sehr gering. Gerade mal rund 20 verschiedene Baumarten bilden das Grundgerüst für die zum Teil riesigen zusammenhängenden Waldgebiete.
  • In der borealen Zone dominieren längst nicht überall die Wälder. Immer wieder unterbrechen zum Beispiel Moore das grüne Einerlei. Jenseits des Urals in Westsibirien liegt mit rund 800.000 Quadratkilometern Fläche sogar das größte Moor der Welt.
  • Obwohl die Taiga auf den ersten Blick wie ein einheitliches Ökosystem wirkt, entpuppt sich je nach Lage auf den verschiedenen Kontinenten als Puzzle aus vielen klimatischen und ökologischen Einzelbausteinen.
  • Wissenschaftler stellen sich deshalb mittlerweile die Frage, ob die Taiga – wie bisher üblich – überhaupt als ein einziges Ökosystem betrachtet werden darf.
  • Alle Organismen, die im harten und zum Teil lebensfeindlichen Klima der Taiga überleben können, haben sich perfekt an die extremen Umweltbedingungen angepasst. Die Methoden mit denen sich Fauna und Flora vor der grimmigen Kälte, dem niedrigen Futterangebot oder einfach dem Entdecktwerden durch Fressfeinde schützen, sind dabei vielfältig.
  • Der boreale Nadelwaldgürtel entzieht der Atmosphäre zurzeit jährlich rund 2,6 Milliarden Tonnen CO2 und wirkt damit dem Treibhauseffekt entgegen. Waldbrände, Luftverunreingungen und konzentrierte Kahlschläge könnten aus dem Kohlenstoffspeicher jedoch schon bald eine Kohlenstoffquelle, die das Weltklima bedroht.
  • Schon heute hat die mittlerweile mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Massiver Holzeinschlag, aber auch Umweltverschmutzung durch den Betrieb von Minen und Industriebetrieben oder die Erdölförderung haben dazugeführt, dass große Teile des borealen Nadelwaldes mittlerweile in ihrer Existenz bedroht sind.


Stand: 20.06.2003

Die Taiga

Das grüne Band der Nordhalbkugel

Die Nordhalbkugel © Boreal Forest Network

Von den Gebirgen Alaskas bis zur nordamerikanischen Atlantikküste, von Skandinavien bis zum Pazifik – die Taiga überzieht die Nordhalbkugel mit einem gewaltigen grünen Band. 1,2 Milliarden Hektar groß ist dieser Gürtel „borealen Nadelwaldes der kalt-gemäßigten Klimazone“, wie er in der Fachsprache genannt wird (boreal = nördlich). Er bedeckt zwischen 50° und 70° Nord rund 13 Prozent des Festlandes der Erde.

Waldland…

Hört man den Namen Taiga, fallen einem spontan meist die riesigen Waldgebiete in Sibirien ein. Und das hat durchaus seine Berechtigung, denn dort erreicht die Taiga mit rund 2.000 Kilometern ihre größte Nord-Süd-Ausdehnung und umfasst allein rund 5,5 Millionen Quadratkilometer Fläche. Das Wort Taiga stammt aus der jakutischen Sprache und bedeutet so viel wie „Waldland“. Es wurde ursprünglich nur für Sibirien verwendet, mittlerweile rechnet man aber auch den borealen Nadelwald in Europa und Nordamerika dazu.

Damit die Nadelwälder überleben können, benötigen sie bestimmte Umweltbedingungen. Vor allem müssen an mindestens 30 bis 120 Tagen im Jahr Temperaturen von 10° C oder mehr erreicht werden. Ist dies nicht der Fall weicht die Taiga im Norden der baumlosen, artenarmen Kältesteppe oder Tundra.

Auf der Südhalbkugel gibt es nichts, was der Taiga vergleichbar wäre. Denn dort fehlen die notwendigen riesigen Landmassen, die für das typische winterkalte Klima sorgen könnten.

Taiga gleich grün?

Wer Taiga mit „grün“ gleichsetzt, der wird bei einem Besuch schnell enttäuscht. Vor allem im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze verwandeln sich große Teile der Taiga in eine Wasserwelt. Verantwortlich dafür ist das Hochwasser der Flüsse und der tief gefrorene Boden, der meist nur oberflächlich auftaut und ein Versickern des Wassers verhindert. Im Sommer wird die Taiga dann immer wieder auch zu einer Flammenhölle, bei der durch Blitzschlag oder andere Ursachen große Teile des Waldes in Flammen gesetzt werden. Im acht Monate oder länger dauernden Winter schließlich entwickelt sie sich zur klirrend-kalten Eis- und Schneewüste.

Rentier © UNEP, Aztech

Obwohl die Taiga heute teilweise immer noch unberührt und deshalb ein Rückzugsgebiet für Tiere wie Elch, Wolf oder Rentier ist, hat sie mittlerweile auch mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Massiver Holzeinschlag, aber auch Umweltverschmutzung durch den Betrieb von Minen und Industriebetrieben oder die Erdölförderung haben dazugeführt, dass große Teile des borealen Nadelwaldes mittlerweile in ihrer Existenz bedroht sind.

Und auch der Klimawandel macht vor der Taiga nicht halt. Als Folge der globalen Erwärmung scheint aus einer der wichtigsten grünen Lungen der Erde in Zukunft eine Region zu werden, die gewaltige Mengen an CO2 in die Atmosphäre pustet und so den Treibhauseffekt noch weiter anheizt…


Stand: 20.06.2003

Gigantisches Puzzle aus zahlreichen Einzelbausteinen

Taiga ist nicht gleich Taiga

Die Taiga © IMSI MasterClips

Obwohl die Taiga auf den ersten Blick wie ein einheitliches Ökosystem wirkt, entpuppt sie sich je nach Lage auf den verschiedenen Kontinenten als Puzzle aus vielen klimatischen und ökologischen Einzelbausteinen.

Immer kälter und immer trockener…

So wird es beispielsweise in der eurasischen Taiga von Westen nach Osten im Jahresdurchschnitt immer kälter, die Winter werden länger, die Sommer immer kürzer. Grund dafür ist, dass der wärmende Einfluss des Atlantiks mit zunehmender Entfernung von der Küste immer mehr schwindet, es herrscht ein extremes, so genanntes kontinentales Klima.

Es ist deshalb nicht überraschend, dass auch der kälteste bewohnte Ort der Erde in Ostsibirien liegt. Im Dorf Oimjakon in der Provinz Jakutien wird es im Winter normalerweise nie wärmer als minus 30 Grad. Oft, vor allem im Januar, liegen die Temperaturen noch erheblich darunter. Der tiefste jemals gemessene Wert in dem 530 Seelen-Ort lag sogar bei minus 71,2 Grad. Da die Quecksilbersäule im kurzen Sommer durchaus auf Werte von 35°C steigen kann, betragen die Temperaturunterschiede im Jahresverlauf über 100°C.

Auch hinsichtlich der Niederschläge bietet die Taiga kein einheitliches Bild. Zwischen 200 Millimeter Niederschlag im Inneren der Kontinente und über 1.000 Millimeter an den Küsten schwanken die Werte und dementsprechend unterscheidet sich auch die Artenzusammensetzung der Lebensgemeinschaften.

Wissenschaftler wie Kurt Loris von der Uni Hohenheim, der unter anderem die Pflanzengeographie und Pflanzenökologie des borealen Nadelwaldes untersucht, stellen deshalb mittlerweile die Frage, ob die Taiga – wie bisher üblich – überhaupt als ein einziges Ökosystem betrachtet werden darf.

Artenarm und menschenfeindlich

Im Gegensatz zur bunten Vielfalt im tropischen Regenwald wird der Baumbestand der Taiga meist von nur rund 20 Arten dominiert. Fichten, Kiefern, Tannen und vor allem in Ostsibirien auch Lärchen bestimmem das Aussehen der borealen Zone. Überall, wo die Lebensbedingungen einigermaßen erträglich sind, versuchen sich auch Laubbäume wie Birken und Aspen mehr oder weniger erfolgreich gegen die Übermacht der Nadelbäume zu behaupten. Im Schutz der Wälder wachsen im unteren Stockwerk vor allem Zwergsträucher, Flechten und Moose.

Am Boden hat sich im Laufe der Zeit eine bis zu 50 Zentimeter hohe Streuschicht angesammelt. Dies liegt daran, dass es in den kalten Taigawäldern rund 350 Jahre dauert, bis abgefallene Nadeln oder andere Pflanzenreste komplett zersetzt sind. Zum Vergleich: in unseren wohltemperierten Laubwäldern läuft dieser Vorgang rund 20 bis 100 Mal so schnell ab.

Für den Menschen hat die Taiga außer natürlichen Ressourcen wie Holz, Erdöl oder Diamanten nicht allzu viel zu bieten. Die Taigaböden sind meist sauer, nährstoffarm, kalt und feucht. Viel Dünger, wenig Ertrag – so lautet deshalb die Losung für alle, die im Bereich des borealen Nadelwaldgürtels Ackerbau betreiben wollen. Die wenigen Menschen in der Taiga leben deshalb eher von Torfabbau, Holzeinschlag oder Rentierzucht.

Hauptverkehrsadern sind neben dem Flugzeug vor allem Ströme wie Ob, Irtysch oder Lena. Im Sommer flößen Waldarbeiter auf ihnen gewaltige Mengen an Holz stromabwärts, sobald die Eisdecke im langen Winter dick genug ist, dienen sie aber auch als Ersatz für Straßen und Autobahnen.


Stand: 20.06.2003

Überlebensstrategien von Tieren und Pflanzen

Molekulare Kneippkur oder Winterstarre?

Schneehasen tun es, Elche tun es und Bäume und Pflanzen tun es auch. Alle Organismen, die im harten und zum Teil lebensfeindlichen Klima der Taiga überleben wollen, müssen sich perfekt an die extremen Umweltbedingungen anpassen.

Rentier © IMSI MasterClips

Die Methoden mit denen sich Fauna und Flora vor der grimmigen Kälte, dem niedrigen Futterangebot oder einfach dem Entdecktwerden durch Fressfeinde schützen, sind außerordentlich vielfältig. Viele Tiere verbringen beispielsweise den langen Winter der Taiga in Winterstarre oder -ruhe. Andere wie beispielsweise der Elch oder das Rentier haben sich im Laufe der Evolution ein im wahrsten Sinne des Wortes „dickes Fell“ zugelegt, damit sie noch bei Temperaturen von über minus 40 °C auf Futtersuche gehen können. Der Schneehase dagegen trägt in der schneereichen Jahreszeit ein weißes Fell, um in der unberührten, weißen Umgebung nicht weiter aufzufallen.

Auch die immergrünen Nadelbäume wissen sich gegen den extremen Frost gut zu schützen. Die Fichtennadeln schaffen es durch eine Art „molekulare Kneippkur“ im Herbst, die Kälteresistenz ihrer Nadeln auf Temperaturen von minus 30 Grad oder mehr zu verbessern. Ermöglicht wird dies durch eine Erhöhung der Zuckerkonzentration des Zellsafts und andere Veränderungen in den Zellen. Darüberhinaus schützt eine dicke Wachsschicht auf der Epidermis vor der Austrocknung im Winter. Im Frühjahr werden die Frostschutzmittel wieder entfernt, damit die Photosynthese oder andere wichtige Lebensvorgänge anlaufen können.

Einfallsreiche Schwarzfichte

Zu einem der einfallsreichsten Lebewesen beim „Kampf ums Dasein“ hat sich die unscheinbare Schwarzfichte Picea mariana entwickelt. Je nachdem, welche Lebensbedingungen am Standort herrschen, kann sie beispielsweise ihr Wachstum sehr stark variieren. Während in besonders kalten Regionen gerade mal ein Meter hohe Zwergformen des Baumes dominieren, kann die Schwarzfichte an wärmeren, nährstoffreicheren Standorten auch 20 oder 30 Meter hohe Giganten hervorbringen.

Ebenso anpassungsfähig ist die Schwarzfichte, wenn es um die Fortpflanzung geht. Normalerweise erfolgt die Vermehrung ganz normal über Samen, die in geeigneter Erde auskeimen und Wurzeln schlagen. Doch Picea mariana kann auch anders. Bei ungünstigen Bodenbedingungen wachsen an den untersten Äste Wurzeln heran und die Zweige verwandeln sich nach und nach zu richtigen „Baumbabies“.

Der Nachwuchs erweist sich als echter Nesthocker, denn er bleibt zunächst auf dem „Mutterbaum“ und gibt ihm ein außergewöhnliches kerzenleuchterartiges Aussehen. Erst wenn die alten Bäume absterben, schicken die Baumkinder ihre Wurzeln in den Boden und wachsen mit der Zeit zu vollwertigen Schwarzfichten heran.

Bei diesem enormen Einfallsreichtum und der großen Anpassungsfähigkeit der Art ist es kein Wunder, dass die Schwarzfichte, beispielsweise in Labrador, viele unterschiedliche Lebensräume erobert hat und zu den häufigsten Bäumen des boreralen Nadelwaldgürtels gehört.


Stand: 20.06.2003

Taigamoore als Kohlenstoffspeicher

Triumph der Feuchtgebiete

Wer schon einmal in der Taiga gewesen ist, weiß, dass innerhalb der riesigen borealen Zone längst nicht überall Wälder dominieren. Immer wieder unterbrechen zum Beispiel Moore das grüne Einerlei.

Jenseits des Urals in Westsibirien sind es sogar die Feuchtgebiete und Sümpfe, die in der Taiga eindeutig die Oberhand gewinnen. Dort liegt mit rund 800.000 Quadratkilometern Fläche das größte Moor der Welt. Zum Vergleich: das Feuchtgebiet ist damit etwa neun mal so groß wie Portugal. Nur inselartig tauchen dort größere Waldgebiete zwischen Torf und Wasser auf.

Entstanden ist dieses Moor vor rund 10.000 Jahren, als in dem gewaltigen flachen Becken zwischen Ural, Ob und Jenissei große Mengen an wasserundurchlässigen Sedimenten abgelagert wurden. Das relativ feuchte Klima, bei dem die Niederschläge die Verdunstung deutlich übertreffen, und der Dauer- oder Permafrostboden haben im Laufe der Zeit zur Moorbildung beigetragen.

Vor allem im Frühjahr während der Schneeschmelze treten zudem die mächtigen Ströme der Region immer wieder über die Ufer und überschwemmen riesige Areale. Da das Relief zu flach ist, um die Wassermassen problemlos abfließen zu lassen, sind die Moorgebiete im Laufe der Jahrtausende immer größer geworden.

Heute ist ein Fünftel der Taiga Nordamerikas und Eurasiens von Mooren bedeckt. Sie stellen nicht nur eine schier unerschöpfliche Quelle für Torf, Gas oder Erdöl dar, auch für das irdische Klima spielen die Feuchtgebiete eine Schlüsselrolle. Denn dort sind immerhin knapp zwei Drittel des gesamten Kohlenstoffs der borealen Zone gespeichert. Niedrige Temperaturen, Sauerstoffmangel in Böden und Mooren und die nur geringe Anzahl an Mikroorganismen sorgen hier dafür, dass die toten Überbleibsel der Natur nur äußerst langsam abgebaut werden.


Stand: 20.06.2003

Klimawandel bedroht die Taiga

Artensterben und Versumpfung

Um 1,4 bis 5,8° Celsius soll die Temperatur in den nächsten hundert Jahren nach den neuesten Studien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) weltweit steigen. Gerade die hohen nördlichen Breiten – so die Wissenschaftler – werden von der starken globalen Erwärmung besonders betroffen sein. Welche Folgen dies für die Taiga haben wird, ist bisher noch nicht genau bekannt und wird zurzeit von vielen Wissenschaftlern untersucht.

Nach Ergebnissen einer NASA-Studie aus dem Jahr 2000 hat bereits die zwischen 1982 und 1998 gemessene leichte Zunahme der Durschnitttstemperaturen im Taigagürtel der Erde um 0,8°C dazu geführt, dass die Erde in den nördlichen Breitengraden immer grüner geworden ist. Die Forscher konnten dies mithilfe von Satellitenbildauswertungen eindeutig belegen. Wenig später hat ein internationales Wissenschaftler-Team unter Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung anhand eines Computermodells nachgeweisen, dass dieses unnatürliche Pflanzenwachstum ausschließlich auf die Erwärmung der Erdatmosphäre zurückzuführen ist.

Sollte es in Zukunft noch heißer werden, drohen nach Angaben von Forschern jedoch verheerende Folgen für Natur und Klima. So hat der WWF in der umfangreichen Studie „Global Warming and Species Loss in Globally Significant Terrestrial Ecosystems“ die Auswirkungen des Treibhauseffekts auf die biologische Vielfalt besonders schützenswerter Ökoregionen an Land untersucht. Die Umweltschutzorganisation kommt dabei zu dem Schluss, dass eine drastische Verminderung der Treibhausgasemissionen dringend notwendig ist, um einen weitverbreiteten und in einigen Fällen katastrophalen Artenverlust zu verhindern. Einige Regionen in Kanada und Asien, aber auch die Taiga im russischen Uralgebirge sind nach Angaben der Studie bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre bis zum Jahr 2100 besonders von einem Exodus in Fauna und Flora bedroht.

Laut dem Gesamtwaldbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2001 können stärkere Verdunstung und die damit größere Bodentrockenheit in Folge des Klimawandels in Zukunft zudem dazu führen, dass die abgestorbene organische Masse in vielen Taigaböden schneller abgebaut wird. Dadurch würden große Mengen an CO2 in die Atmosphäre entweichen. Höhere Temperaturen würden dagegen in den Permafrostregionen der Taiga zudem zu immer schlimmeren Versumpfungen und zum Vordringen von Arten wie Sphagnum-Moosen führen, die dann den Baumbestand verdrängen.


Stand: 20.06.2003

Tigerhatz in Ostsibirien

Showdown für den König der Taiga?

Sibirischer Tiger © IMSI MasterClips

Manchmal ist der Mensch jedoch auch direkt für das Artensterben in der Taiga verantwortlich. Waren es über Jahrzehnte die Fallensteller und Pelztierjäger, die im großen Maßstab in der Natur ihr Unwesen trieben, sind es heute Wilddiebe, die die biologische Vielfalt unter den Tieren bedrohen. Besonders schlimm steht es dabei um den König der Taiga, den Sibirischen Tiger. Gerade mal 450 Exemplare hat der WWF im Rahmen einer groß angelegten Studie vor knapp zehn Jahren in der Amurregion Ostsibiriens nur noch gezählt. Tendenz fallend.

Denn Tiger sind vor allem in China als „Rohmaterial“ für diverse Pillen, Salben oder Pülverchen begehrt. Rund 200 Euro bringt beispielsweise ein Kilo Knochen im Reich der Mitte auf dem Schwarzmarkt. Ein einziger erlegter und nach China geschmuggelter Tiger sichert so den Lebensunterhalt einer sibirischen Familie auf Jahre hinaus. Kein Wunder, dass früher die Wilddieberei fast schon zum guten Ton gehörte und jährlich rund 50 Tiger illegal erlegt wurden. Dazu kamen weitere zehn, die als angebliche Menschenfresser ihr Leben lassen mussten.

Seit Jahren bemühen sich Umweltschutzorganisationen wie der Woldwide Fund for Nature (WWF) oder die Wildlife Conservation Society (WCS) um den Erhalt der Tiger und anderer gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wie Bären oder Ginseng. Den Ausverkauf der Natur konnten sie zwar mildern, aber bis heute nicht endgültig zum Stillstand bringen.

Zwar wurden in vielen Regionen Schutzgebiete für bedrohte Tierarten angelegt, doch fehlt es meist an geschultem Personal, um die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren und den Schmugglerbanden auf die Schliche zu kommen. Was den Tigerschutz angeht, haben sich in den letzten Jahren Antiwildererbrigaden bewährt. Die meist bis zu fünf Personen starken Gruppen verfolgen die Fährten der wenigen verbliebenen Tiger und versuchen so Wilddiebe in freier Wildbahn aufzuspüren. Auch den illegalen Holzeinschlag sollen sie dabei mit eindämmen.

Nicht zuletzt deswegen hat sich der Bestand an fortpflanzungsfähigen Tigerweibchen nach Angaben von Umweltschützern mittlerweile wieder bei rund 200 Exemplaren eingependelt. Eine Gewähr für das dauerhafte Überleben der Art ist das allerdings nicht.

Viele Bewohner in der Amurregion sind laut WWF so arm, dass sie darauf angewiesen sind, sich direkt aus der Natur zu bedienen. Indem sie Wildschweine oder Hirsche dezimieren – die natürliche Beute der Tiger -, gefährden sie so auch das dauerhafte Überleben der Großkatzen.


Stand: 20.06.2003

Steigt die Waldbrandgefahr?

Flammenhölle Taiga

Schäden durch einen Waldbrand © Boreal Forest Network

1,7 Millionen Hektar Wald werden in Kanada jährlich durch Waldbrände vernichtet, in Russland waren es allein 1998 sogar rund vier Millionen Hektar. Hochburg für Waldbrände ist dort die Republik Sacha (Jakutien), in der in den letzten Jahrzehnten durchschnittlich die meisten Flammen loderten.

Waldbrand ist nicht gleich Waldbrand

Wie katastrophal die Bilanz jedes einzelnen Feuers ausfällt, hängt entscheidend davon ab, wo der Brand stattfindet. Sind vor allem Streu- und Humusschicht von den Flammen betroffen, haben Bäume wie Kiefer oder Fichte wegen ihrer dicken Borke gute Chancen zu überleben. Kommt es dagegen zu den relativ seltenen, aber dafür besonders heißen Kronenbränden, schützt die Nadelbäume auch die natürliche „firewall“ nicht mehr vor dem Flammentod.

Verwandelt sich die angeblich so grüne Taiga demnach öfter mal in eine Flammenhölle, in der nichts überlebt? Ja und nein. Zwar werden bei jedem Brand große Mengen an lebender oder toter Biomasse vernichtet, die Brände sorgen aber auch dafür, dass sich die Wälder regelmäßig auf natürliche Art und Weise verjüngen. Zudem werden große Mengen an Nährstoffen aus der Streu- oder Humusschicht für das aufkeimende neue Leben nach der Brandkatastrophe bereit gestellt.

Denn schon bald nachdem alle Flammen durch Regen gelöscht sind, erobert die Natur die Brandflächen wieder zurück. Zwischen Ascheresten und halbverbrannten Ästen wuchern bereits wieder die ersten Keimlinge. Nach den Moosen und verschiedenen Kräutern sind Birken und Kiefern meist die ersten Baumarten, die ihr ehemaliges Refugium zurückerobern. Bis dagegen Fichtenwälder die anderen Bestände ablösen, kann es rund 100 oder 150 Jahre dauern. Oft unterbricht dann jedoch bereits der nächste Waldbrand die Erneuerung und das ganze Spielchen beginnt von vorn.

Mehr Waldbrände durch Klimawandel?

Wenn es tatsächlich zu den von der IPCC prognostizierten globalen Temperaturveränderungen kommt, wird sich auch die Welt des borealen Nadelwalds drastisch verändern. Wärmer und trockener wird es dort und damit steigt die Waldbrandgefahr noch weiter an. Wie aus dem Gesamtwaldbericht der Bundesregierung hervorgeht, erwarten Wissenschaftler deshalb in Zukunft eine deutlich erhöhte Feuerfrequenz und -intensität in der Taiga.

Satellitenbild der Taiga © NASA/GSFC/MODIS

Schon ein einziger Blitzschlag könnte dann ausreichen, um große Teile der Taiga in Brand zu setzen und vielleicht für immer zu vernichten. Die Rentierflechte, die in einigen Regionen der Taiga die Böden bedeckt oder die trockene Streuschicht unter den Bäumen brennen schon in den normalen Sommern manchmal wie Zunder und geben den Flammen immer neue Nahrung…

Nicht nur für die Artenvielfalt der Taiga wäre die Häufung an Waldbränden schlecht, auch das Weltklima hätte darunter erheblich zu leiden. Rund 700 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, so haben Wissenschaftler herausgefunden, sind in den Wald- und Moorgebieten der Taiga gespeichert. Würde nur ein kleiner Teil davon kurzfristig in Form von CO2 in die Atmosphäre gelangen, wäre ein weiteres Anheizen des Treibhauseffektes und damit der globalen Erwärmung nahezu unvermeidlich.


Stand: 20.06.2003

Gefahr durch Holzeinschlag

Papier aus der Taiga

Nicht nur der prognostizierte Klimawandel bedroht die Taiga, auch der legale und illegale Holzeinschlag trägt schon heute dazu bei, dass die ehemals riesigen zusammenhängenden Waldgebiete anfangen löchrig zu werden. So sind nach Informationen der Umweltorganisation Greenpeace beispielsweise in Finnland nur noch fünf Prozent der ehemaligen Urwälder erhalten geblieben.

Die Menge an Wald, die Jahr für Jahr weltweit den kreischenden Kettensägen der Arbeiter zum Opfer fällt, ist gewaltig. Allein in Kanada sind es rund eine Million Hektar Nadelbaumbestand, die zu Papier oder Schnittholz verarbeitet werden. Und nach Berechnungen von Greenpeace wird die russische Taiga – vorausgesetzt das derzeitige Einschlagstempo bleibt gleich – in 30 bis 40 Jahren sogar ganz verschwunden sein.

Zwar hat man weltweit riesige Schutzgebiete mit insgesamt rund 200 Millionen Hektar Fläche in der Taiga installiert. Ob die Richtlinien und Auflagen jedoch auch eingehalten werden, ist vor allem in Russland aufgrund der riesigen Entfernungen kaum zu überprüfen.

Kenner der dortigen forstwirtschaftlichen Szene gehen aber davon aus, dass ein nicht unerheblicher Teil der russischen Holzexporte aus illegalem Einschlag stammen. Laut Schätzungen von russischen NGOs werden allein in einem Teil Ostsibiriens rund fünf Millionen Kubikmeter borealer Nadelwald im Jahr ohne Erlaubnis gefällt. Die Hölzer tauchen aber in keiner amtlichen Statistik auf und werden weit unter Weltmarktpreis nach China oder Japan verschoben.

Und noch ein anderes Problem macht der Forstwirtschaft in Russland zu schaffen. Wissenschaftler herausgefunden, dass große Teile des in der Taiga geschlagenen Holzes gar nicht bis in die Weiterverarbeitungsbetriebe gelangen. Rund ein Fünftel des wertvollen Biomaterials geht beispielsweise allein während des Flößens verloren und verfault langsam aber sicher in den Flüssen.


Stand: 20.06.2003

Fördertürme und Minen bedrohen borealen Nadelwald

Risikofaktor Bodenschätze

Borealer Nadelwald © Boreal Forest Network

Schauplatz Tura im Herzen Sibiriens. Hier in dieser Region jenseits des riesigen Stroms Jenissei und rund 1.000 Kilometer nordwestlich des Baikalssees leben noch rund 20.000 Ureinwohner Sibiriens aus dem Volk der Ewenken. Ruhig, beschaulich und eintönig ist es in der Region. Das Leben geht seinen gewohnten Gang. Was die Regierung im fernen Moskau plant und tut, interessiert hier kaum jemanden.

Doch das könnte sich schon bald ändern. Denn im riesigen Stammesgebiet der Ewenken, das mehr als doppelt so groß ist wie Deutschland, hat man riesige Erdöllagerstätten entdeckt. Der russsische Ölmulti Yukos macht sich nun daran, diese Rohstoffreserven auszubeuten und steckt mehrere Milliarden Euro in modernste Technologie, um das Öl aus dem tief gefrorenen Boden der Taiga zu holen. Sprudeln soll dabei nicht nur das schwarze Gold, sondern auch der Gewinn für die Ölgesellschaft.

Taigaöl für China?

Die Abnehmer für das Taigaöl, von dem spätestens ab 2005 jährlich rund acht Millionen Tonnen fließen sollen, stehen bereits Schlange. Allen voran Chinas boomende Wirtschaft verlangt nach immer mehr von den wertvollen fossilen Brennstoffen. Bei Yukos rennen die in Russland sonst eher ungeliebten Machthaber aus dem Reich der Mitte offene Türen ein. Geplant ist sogar der Bau einer neuen Pipeline, damit das Öl schnell und problemlos an die Bestimmungsorte in China gelangen kann.

Durch Öl entstandene Umweltschäden © Boreal Forest Network

Russische NGOs, aber auch internationale Umweltorganisationen, sehen den bevorstehenden Ölboom jedoch mit einigem Unbehagen. Zwar bietet sich möglicherweise für die Ewenken eine Chance von den erwarteten horrenden Gewinnen zu profitieren und die Infrastruktur in der Region zu verbessern. Die Umweltschützer befürchten aber auch eine ähnlich gigantische Umweltkatastrophe wie bei der Ausbeutung der Ölvorräte Westsibiriens. Schlamperei und Unfälle in den Förderfeldern oder leckende Pipelines haben dort dafür gesorgt, dass große Gebiete mit Erdöl verseucht sind und so zum Teil irreparable Umweltschäden entstanden sind.

Doch der Lebensraum der Ewenken ist längst nicht die einzige Taigaregion, in der Bohrtürme oder Minen wie Pilze aus dem Boden schießen. Neben Erdöl und Erdgas werden in Sibirien bereits Rohstoffe wie Kohle, Eisenerz, Gold, Platin, Diamanten oder Wolfram gefördert, andere Lagerstätten warten noch auf ihre Ausbeutung.

Die Folgen dieser Bergbautätigkeiten sind zum Teil verheerend. Neben dem Verlust der reinen Waldflächen beklagen Umweltschützer vor allem die Luftverschmutzung und die Verseuchung von Flüssen, Seen oder Sumpfgebieten mit toxischen Substanzen. So werden beispielsweise in den Minen noch immer große Mengen an Natriumzyanid oder Quecksilber zum Extrahieren der Rohstoffe verwendet. Geraten die damit kontaminierten Abwässer ungefiltert in die Flüsse, ist eine schwere Umweltkatastrophe meist nicht mehr zu verhindern.

Wozu das im Extremfall führen kann, zeigte vor einiger Zeit das Beispiel Rumänien. Beim Unglück am 30. Januar 2000 in der rumänischen Goldmine „Aurul“ in Baia Mare im Nordwesten des Landes flossen damals rund 100.000 Kubikmeter zyanidhaltige Abwässer in die Theiß. Die Giftflut sorgte für ein schlimmes Fischsterben und Trinkwasseralarm entlang von Theis und Donau.

Wende oder Ende?

Trotz aller Probleme und Umweltzerstörungen ist die Taiga in vielen Regionen bis jetzt noch eine unberührte Wildnis geblieben. Natur pur, die zudem heute und in Zukunft eine große Bedeutung für das Weltklima hat. Wissenschaftler haben festgestellt, dass der boreale Nadelwaldgürtel der Atmosphäre jährlich rund 2,6 Milliarden Tonnen CO2 entzieht. Die gigantische Kohlenstoffsenke Taiga wirkt damit dem Treibhauseffekt entgegen und mildert den Klimawandel deutlich ab.

Doch vielleicht schon nicht mehr lange, denn aus dem Kohlenstoffspeicher könnte – so scheint es – vielleicht schon bald eine Kohlenstoffquelle werden. So lautet jedenfalls das Resumee des Gesamtwaldberichts der rotgrünen Bundesregierung im Juli 2001: „Waldbrände, Luftverunreingungen und konzentrierte Kahlschläge könnten jedoch die borealen Wälder in absehbarer Zukunft vom Kohlenstoffspeicher in eine nicht unbedeutende Kohlenstoffquelle umwandeln, so dass dann mit einer Erhöhung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre zu rechnen ist. Dies hätte eine Verstärkung des Treibhauseffektes zur Folge.“


Stand: 20.06.2003