Venedig im Jahr 1254: Die blühende Lagunenstadt liefert sich mit anderen Stadtstaaten wie Genua oder Pisa einen heftigen Kampf um die Vorherrschaft in Europa um den Handel mit Gewürzen, Edelsteinen und anderen exotischen Schätzen aus dem Orient. Venedig kontrolliert zur damaligen Zeit zahlreiche wichtige Häfen am Mittelmeer und weit darüberhinaus in Richtung Osten.
Bosporus © NASA/JSC
Auch Nicolao Polo und sein Bruder Maffeo, zwei Nachkommen einer altehrwürdigen Kaufmannsfamilie in Venedig, haben schon seit langer Zeit Handelsbeziehungen nach Konstantinopel und auf die Krim aufgebaut. Sie kaufen und verkaufen und machen dabei glänzende Geschäfte. Mitte der 50er-Jahre beschließen sie die boomenden Metropole am Bosporus und ihre Partner zu besuchen und dort nach dem Rechten zu sehen.
Auf ihrer Reise haben es die Brüder nicht eilig und bleiben fast sechs Jahre in Konstantinopel. Dann machen sie sich auf nach Sarei an der unteren Wolga, um neue Kontakte zu knüpfen. Vom Entdeckergeist getrieben und auch in der Hoffnung auf weitere lohnende Handelsbeziehungen jenseits der Wolga, wagen sie sich 1260 immer weiter vor auf für sie unbekanntes Terrain.
Einem Abstecher nach Bulgar folgt ein längerer Zwischenstopp in der großen und reichen Stadt Buchara. Hier aber wissen die Polos nicht so recht, was sie tun sollen. Wieder nach Westen in Richtung Venedig oder doch zu den bereits bekannten Goldvorkommen am Kaspischen Meer? Das Eintreffen einer tartarischen Karawane in der Stadt lenkt ihre Gedanken jedoch in eine ganz andere Richtung. Warum nicht dem gerade auf den Thron gestiegenen Kublai Khan in China einen Besuch abstatten? Die Polos schließen sich deshalb der Gesandtschaft des Khans Hülägü von Persien an, die dieser an seinen Bruder im fernen Osten geschickt hat.
Für die Europäer beginnt eine Zeit voller Abenteuer. Zwar ist der Weg nach Osten bereits einigermaßen gut bekannt, auf die Polos jedoch warten immer neue Überraschungen. Mit großem Interesse lernen sie immer neue Völker, Sitten und Gebräuche in den Gebieten kennen, die sie durchqueren. Die Reise geht zunächst nach Samarkand und von dort aus über die nördliche Route der Seidenstraße vorbei am Tienschan-Gebirge und 0weiter Richtung Urumtschi und Beijing. In der Nähe von Zhangye südlich der Wüste Gobi sehen sie zum ersten Mal mit eigenen Augen ein gewaltiges Bauwerk, das die früheren chinesischen Kaiser zum Schutz gegen die Barbaren errichtet hatten, die chinesische Mauer. Als die Polo-Brüder schließlich in Beijing – von den Europäern Cambulac genannt – ankommen, haben sie eine historische Tat vollbracht. Als ersten Abendländern ist es ihnen gelungen, fast den gesamten asiatischen Kontinent zu durchqueren.
Kublai Khan © Fordham University
In Beijing werden sie von Herrscher Kublai Khan mit allen Ehren empfangen und lernen das Leben am Hof in allen Facetten kennen. Der Mongolenführer interessiert sich sehr für die Europäer und will vor allem mehr über das Christentum erfahren. Er erkundigt sich aber auch nach den Herrschern in Europa und den Sitten und Gebräuchen im Abendland.
Als sie 1269 schließlich wieder in die so genannte zivilisierte Welt zurückkehren, haben sie ein Begleitschreiben an den Papst in der Tasche, in denen Kublai Khan für seine Wissenschaftlerstreitgespräche, die er regelmäßig in seinem Palast abhalten lässt, um die Entsendung von 100 versierten christlichen Gelehrten und Doktoren bittet. Er stellt den Polos sogar in Aussicht zum Christentum überzutreten, wenn die Theologen ihn von den Vorteilen der Religion überzeugen könnten.
Die Briefe des Kublai Khan aber finden in Europa keinen Abnehmer. Als die Polo-Brüder nach dreijähriger Landreise in Akka, in der Nähe von Jerusalem ankommen, erfahren sie, dass der amtierende Papst kurz vor ihrer Heimkehr gestorben ist. Die Nachfolgegespräche im Vatikan ziehen sich nun wie Gummi. Wie im Flug vergehen die Monate, ohne dass sich ein Ansprechpartner für die Wünsche Kublai Khans da ist.
Stand: 28.01.2002