Die Vorfahren der ersten Menschen auf dem amerikanischen Kontinent kamen wahrscheinlich aus dem Gebiet des zentralasiatischen Altai-Gebirges. Dieses Gebirge liegt im Grenzgebiet zwischen Russland, der Mongolei, China und Kasachstan. Darauf deuten genetische Ähnlichkeiten zwischen den heutigen Bewohnern des Altai und den nordamerikanischen Indianern hin. Sowohl über die mütterliche als auch über die väterliche Vererbungslinie entdeckten Forscher Genmutationen, die sich bei beiden Volksgruppen fanden. Bei anderen Volksgruppen Asiens habe man diese Mutationen dagegen nicht gefunden, berichten die Forscher im Fachmagazin „American Journal of Human Genetics“.
„Die Frage, woher genau die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner stammten, ist heiß umstritten, vorgeschlagen wurden bereits die Mongolei, Zentralasien, aber auch verschiedene Teile Sibiriens“, schreiben Theodore Schurr von der University of Pennsylvania in Philadelphia und seine Kollegen. Vom Altai-Gebiet wisse man, dass dort schon seit mindestens 45.000 Jahren Menschen lebten. Seine Position im Zentrum Asiens machte es zudem zu einer wichtigen Durchgangsstation für Wanderungen der frühen Menschen. Deshalb habe man dort gezielt nach genetischen Ähnlichkeiten zu den amerikanischen Ureinwohnern gesucht – und diese gefunden.
Trennung der genetischen Linien vor 13.400 Jahren
Anhand des Erbgut-Vergleichs konnten die Forscher abschätzen, wann sich die Vorfahren der amerikanische Ureinwohner in etwa auf den Weg machten. Vor etwa 13.400 Jahren hätten sich die Genlinien der heutigen Altaibewohner und der Indianer getrennt, sagen Schurr und seine Kollegen. Das passe zeitlich sehr gut zu archäologischen Funden auf dem amerikanischen Kontinent. Die ersten Spuren menschlicher Besiedelung stammen etwa aus diesem Zeitraum.
Dennoch schließen die Forscher nicht aus, dass auch Menschen aus anderen asiatischen Gebieten einst nach Amerika auswanderten oder dass es mehrere Wanderungswellen gab. Als nächstes wolle man versuchen aufzuklären, auf welcher Route die Bewohner des Altai einst nach Nordost-Sibirien wanderten, um dann von dort aus nach Amerika zu ziehen.
Y-Chromosom und Mitochondrien-DNA verglichen
Für ihre Studie hatten die Forscher zunächst Erbgutproben verschiedener Stämme der amerikanischen Ureinwohner und von Asiaten gesammelt und analysiert. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf zwei Genbereiche: das Y-Chromosom, das nur Männer tragen und an ihre Söhne weitergeben und die Mitochondrien-DNA, die nur von Müttern an ihre Töchter vererbt wird. Insgesamt habe man Hunderte von Genmarkern verglichen, berichten die Wissenschaftler. Dadurch seien die Ergebnisse relativ präzise und verlässlich.
Die größten genetischen Übereinstimmungen entdeckten die Wissenschaftler bei einem Volksstamm, der heute im Süden des Altai lebt. Diese Menschen seien mit den Mongolen, Uiguren und Burjaten verwandt, berichten die Forscher. In ihrem Erbgut habe man unter anderem eine Mutation in einer bestimmten DNA-Gruppe auf dem Y-Chromosom entdeckt, die auch bei den amerikanischen Ureinwohnern vorkomme. „Aber auch von Seiten der Mitochondrien-DNA gibt es Ähnlichkeiten“, sagt Schurr. Bei den Bewohnern des südlichen Altai ähnelten zwei mitochondriale Gengruppen stark denen der Gründerpopulationen in Nordamerika. (American Journal of Human Genetics, 2012; doi:10.1016/j.ajhg.2011.12.014)
(American Journal of Human Genetics / dapd, 27.01.2012 – NPO)