Neurobiologie

Gehirn: Dauerstress verändert Gedächtnis-Zentrum

Forscher finden die Ursache für stressbedingte Vergesslichkeit

Dauerstress kann nicht nur krankmachen, er beeinträchtigt auch das Gedächtnis. Wie genau dies geschieht, haben US-amerikanische Forscher herausgefunden – und auch, wie sich dieser Effekt möglicherweise verhindern lässt. Bei jungen Ratten beobachteten sie, dass das wiederholte Bombardement mit Stresshormonen die Anzahl wichtiger Andockstellen im sogenannten präfrontalen Kortex verringerte. Dieses Zentrum des Kurzzeitgedächtnisses wurde dadurch unempfindlicher für Glutamat, einen anregenden Hirnbotenstoff. Diese Abstumpfung verursache die Gedächtnisstörungen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Neuron“.

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Schon seit längerem ist bekannt, dass chronischer Stress die geistige Flexibilität, die Aufmerksamkeit und auch das kurzzeitige Erinnerungsvermögen beeinträchtigt. Zuständig für diese Funktionen ist ein hinter der Stirn liegendes Gehirnareal, der präfrontale Kortex. Welche Veränderungen der Stress dort auf molekularer und physiologischer Ebene bewirkt, haben Eunice Yuen von der State University of New York in Buffalo und ihre Kollegen erst jetzt aufgeklärt.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wiederholter Stress die Empfänglichkeit des präfrontalen Kortex für den Botenstoff Glutamat senkt“, schreiben die Forscher. Diese Veränderung führe dazu, dass diese Gehirnregion wichtige Funktionen wie das Kurzzeitgedächtnis nur noch eingeschränkt ausführen könne.

Gehirn von Jugendlichen ist besonders stressanfällig

Wie die Forscher berichten, reagiert dabei das Gehirn Heranwachsender besonders sensibel auf kontinuierlich hohe Stresspegel. Denn in der Jugend und Pubertät ist der präfrontale Kortex noch mitten in der Entwicklung. Prägende Stresserfahrungen könnten daher in dieser Zeit die Weichen stellen für spätere psychische Probleme.

Dank dieser Erkenntnisse hoffen die Forscher auch, zukünftig besser zu verstehen, wie sich psychische Krankheiten entwickeln und welche Rolle der Stress dabei spielt. „Denn Störungen der Glutamat-Übertragung gelten als eines der Kernmerkmale und grundlegenden Ursachen für psychische Krankheiten“, sagen die Forscher.

Junge Ratten unter Stress gesetzt

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler vier Wochen alte, männliche Ratten verschiedenen Stressformen ausgesetzt: Einige wurden nur einmalig für zwei Stunden in einen engen Behälter gesetzt, andere wurden auf diese Weise jeden Tag zur gleichen Zeit gestresst. Eine weitere Rattengruppe wurde unberechenbarem Stress ausgesetzt: Sie wurden zu jeweils unterschiedlichen Zeiten aus ihren Käfigen geholt, durch Licht geblendet, mussten schwimmen oder wurden anderen stressenden Erfahrungen ausgesetzt.

In anschließenden Tests prüften die Forscher das Kurzzeitgedächtnis der Ratten. Außerdem analysierten sie die Funktionen und die Physiologie des präfrontalen Kortex durch verschiedenen Messungen und Proben. Wie die Wissenschaftler berichten, entwickelten nur die Ratten unter Dauerstress ein schlechteres Kurzzeitgedächtnis und eine verringerte Anzahl von Glutamat-Rezeptoren im Gehirn. Einmaliger, kurzzeitiger Stress hatte dagegen diese Wirkung nicht.

Forscher blockieren molekularen Stressmechanismus

In einem ergänzenden Versuch blockierten die Forscher den neuentdeckten molekularen Stressmechanismus. Durch Verabreichung eines Blockade-Wirkstoffs konnten sie so verhindern, dass die Menge der Glutamat-Rezeptoren im präfrontalen Kortex der Tiere abnahm. Auch die Gedächtnisleistung der Ratten blieben dadurch stabil. (Neuron, 2012; doi: 10.1016/j.neuron.2011.12.033)

(Neuron / dapd, 09.03.2012 – NPO)

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