Ökologie

Karte zeigt Hauptrouten von Bioinvasoren

Stark frequentierte Häfen in mildem Klima sind Haupteinfallstore für eingeschleppte Arten

Hauptrouten eingeschleppter Arten (je heller die Farbe, desto höher das Risiko) © Michael Gastner

Sie kommen unbemerkt im Ballastwasser der Schiffe zu uns: Bioinvasoren – aus fernen Ländern eingeschleppte Tiere und Pflanzenarten. Ein deutsch-britisches Forscherteam hat jetzt erstmals ermittelt, welche Häfen weltweit besonders durch solche ungebetenen Neuankömmlinge gefährdet sind. Hotspots sind demnach vor allem Hafenorte in Südostasien und in den USA, aber auch der Suezkanal. Ihre im Fachmagazin „Ecology Letters“ veröffentlichte Studie erklärt zudem, warum die Nordseehäfen trotz enormen Schiffsverkehrs noch glimpflich davonkommen.

Ob Killeralge, Wollhandkrabbe oder Bohrmuschel – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie sind Invasoren. Eingeschleppt über den Schiffsverkehr haben diese Tier- und Pflanzenarten erfolgreich neue Gefilde erobert – teilweise tausende von Kilometern von ihrer ursprünglichen Heimat entfernt. Im neuen Territorium haben sie oft keine natürlichen Feinde und breiten sich rasant aus. Kein Wunder also, dass solche Bioinvasoren als eine der größten Bedrohungen für die weltweite Artenvielfalt gelten.

Ballastwasser birgt das größte Risiko

„Während der letzten Jahrhunderte haben tausende von Arten sich über ihren natürliches Verbreitungsgebiet hinaus ausgebreitet und Meeresökosysteme rund um die Welt verändert“, erklären Hanno Seebens von der Universität Oldenburg und seine Kollegen. Durch die Globalisierung habe sich dies noch um mehrere Größenordnungen verstärkt. In einige Regionen siedeln sich heute gleich mehrere neue Arten pro Jahr an. Einer der Hauptwege, auf denen die meist ungebetenen Gäste in neue Gefilde gelangen ist das Ballastwasser von Frachtschiffen. Dies wird im Ausgangshafen aufgenommen, um dem Schiff mehr Stabilität zu verleihen. Am Zielhafen angelangt, wird es wieder abgepumpt – meist direkt in das Hafenbecken. „Dieser Prozess gilt als der größte Bioinvasions-Förderer der Welt“, so die Forscher.

Aber wie groß ist die Gefahr für einen Hafen tatsächlich, zum Einfallstor für eingeschleppte Arten zu werden? Will man dies klären, reicht es nicht aus, nur zu schauen, wie viele Schiffe und woher dort verkehren, wie die Wissenschaftler erklären. Denn ob eine Tier- oder Pflanzenart sich am neuen Ort halten kann und damit zu einem Invasor wird, hänge auch von ökologischen und klimatischen Faktoren ab. Eine an warme tropische Gewässer gewöhnte Spezies überlebt beispielsweise in der Regel die kalten Winter unserer Breiten nicht – sie ist für diese Regionen daher keine Gefahr.

Hauptrouten eingeschleppter Arten weltweit (je heller die Farbe, desto höher das Risiko) © Michael Gastner

32.500 Schiffe und drei Millionen Fahrten

Für ihre Risiko-Karte der Bioinvasion werteten Seebens und seine Kollegen zum einen Tracking-Daten aus, die die an jedem größeren Schiff angebrachten Sender automatisch an Küstenstationen übermitteln. Auf diese Weise erfassten sie die Bewegungen von 32.511 Schiffen, die in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt fast drei Millionen Fahrten absolvierten und dabei 1.469 verschiedene Häfen ansteuerten.

Zusätzlich gingen die in den verschiedenen Häfen gültigen Vorschriften zum Ballastwasser, sowie die Temperatur und der Salzgehalt des dortigen Wasser in das Modell mit ein und als weiterer Faktor die Biogeographie – also die Verbreitungsgebiete verschiedener Arten. Aus den Daten erstellten die Forscher sowohl eine Top 20-Liste der gefährdetsten Häfen, als auch eine globale Karte, die die Hauptverbreitungswege von Bioinvasoren zeigt.

Höchstes Risiko in Singapur, Suez und Hongkong

Ergebnis: „Das höchste Risiko für Bioinvasionen konzentriert sich auf nur wenige Häfen weltweit“, berichten Seebens und seine Kollegen. Allen Hotspots gemeinsam sei dabei neben starkem Schiffsverkehr ein gleichmäßig mildes Klima. So liegen unter den Top-20 acht Häfen in Südostasien, fünf im Mittleren Osten und drei in den südlichen USA. Am stärksten gefährdet sind der Auswertung nach Singapur, der Suezkanal in Ägypten, Hongkong und der Panamakanal. Ihnen drohen invasive Arten aus nahezu allen Weltregionen.

Die meisten eingeschleppten Arten legen eine Schiffsreise von durchschnittlich 8.000 bis 10.000 Kilometern zurück, wie die Forscher ermittelten. Bei längeren Strecken sei die Überlebenschance für Tiere und Pflanzen im Schiffsbauch zu gering – sie sterben bevor sie den Zielhafen erreichen. Bei sehr kurzen Strecken ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Ökosystem in der neuen Heimat dem alten ähnlich ist und es daher für die Neuankömmlinge natürliche Feinde gibt. Als Folge können sie sich nicht so rasant ausbreiten und möglicherweise gar nicht erst Fuß fassen.

US-Ostküste größte Gefahr für Nordseehäfen

Entgegen früheren Erhebungen nur auf Basis des Schiffsverkehrs finden sich die Nordseehäfen trotz ihres enormen Verkehrsaufkommens nicht in den Top-20. Wie die Forscher erklären, ist das Wasser der Nordsee ist für die meisten tropischen Invasoren zu kühl, sie können sich daher dort nicht ansiedeln. Das allerdings heißt nicht, dass gar keine fremden Arten eingeschleppt werden. Sie stammen aber fast alle aus ebenfalls kühleren Gewässern: der anderen Seite des Atlantiks. „Nur der Nordwest-Atlantik bietet ausreichend ähnliche klimatische Bedingungen und dominiert daher als Quellregion für hiesige Bioinvasoren“, so Seebens und seine Kollegen.

Aus der Studie geht aber auch hervor, dass sich das Risiko für Bioinvasoren schon mit simplen Mitteln stark eindämmen ließe: Würde man das Ballastwasser nur in den zehn Häfen mit den höchsten Risiken vor dem Ablassen filtern, könnte sich dadurch das Risiko weltweit um ein Viertel senken lassen, so die Forscher. Behandelt man das Ballastwasser an jedem Hafen, den ein Schiff ansteuert, reduziert sich die Wahrscheinlichkeit für eine Bioinvasion schon um bis zu 82 Prozent. „Unsere Erkenntnisse können daher dazu beitragen, effektive, gezielte Maßnahmen gegen die Bioinvasion zu entwickeln“, konstatieren die Wissenschaftler. (Ecology Letters, 2013; Ecology Letters, doi: 10.1111/ele.12111)

(Ecology Letters, 06.05.2013 – NPO)

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