Medizintechnik

Hubschrauber fliegt per Gedankensteuerung

Forscher lenken einen ferngesteuerten Miniatur-Helikopter allein mit ihren Hirnströmen

So funktioniert die Steuerung des Hubschraubers per Gedanken © He et al. /University of Minnesota

Ein ferngesteuerter Hubschrauber fliegt wendig durch den Raum, steuert durch eine Reihe von Reifen hindurch, ohne sie zu berühren. Die Besonderheit daran: Der Helikopter wird nicht von einer herkömmlichen Fernsteuerung kontrolliert, sondern allein durch Gedanken. Die über eine Elektrodenkappe abgeleiteten Hirnströme des steuernden Menschen verraten dem Fluggerät, ob es nach links, rechts, oben oder unten fliegen soll. Entwickelt haben diese Technik US-amerikanische Forscher, die nach Methoden suchen, mit denen Gelähmte und Körperbehinderte künftig Prothesen oder Assistenzroboter kontrollieren können.

So funktioniert die Steuerung des Hubschraubers per Gedanken© He et al. /University of Minnesota

Vor fast genau einem Jahr sorgte eine Querschnittsgelähmte US-Amerikanerin weltweit für Aufsehen. Denn die 58-Jährige hatte gelernt, mit ihren Gedanken einen Roboterarm zu steuern. Er verhalf ihr dazu, nach fast 15 Jahren erstmals wieder alleine Kaffee trinken zu können. Eine kleine, in ihr Gehirn eingepflanzte Elektrode übertrug die dafür nötigen Nervensignale an das Kontrollprogramm des Roboterarms. Der Nachteil dieser Methode: Die Elektrode wird direkt in das für Bewegungen zuständige Hirnareal eingepflanzt – die Patienten müssen dafür operiert werden und tragen fortan ständig einen Kabelanschluss im Schädel.

Kappe mit Elektroden statt Implantat im Gehirn

Ein erster Ansatz, dieses Problem zu umgehen, war Forschern der University of Minnesota in Minneapolis bereits vor zwei Jahren gelungen: „Wir haben gezeigt, dass ein Mensch einen virtuellen Helikopter auf einem Bildschirm allein durch seine Gedanken steuern kann“, berichten Studienleiter Bin He und seine Kollegen. Die Ableitung der Hirnsignale erfolgte dabei nicht-invasiv über eine wie eine Badekappe auf dem Kopf sitzende Haube mit Elektroden.

In ihrem aktuellen Experiment gingen die Forscher nun noch einen Schritt weiter: Ihre fünf Probanden steuerten nun nicht mehr ein Bild auf einem Computerbildschirm, sondern einen echten, sich frei durch die Luft bewegenden Miniatur-Hubschrauber. Damit dies klappte, absolvierten die Teilnehmer und mit ihnen auch das Steuerprogramm der Mensch-Maschine-Schnittstelle zunächst einige Trainingsdurchläufe. Die Probanden übten dabei zunächst nur vor einem Bildschirm, auf dem ein blinkender Cursor zu sehen war. Sie stellten sich nun vor, den Cursor entweder mit ihrer rechten Hand nach rechts zu bewegen oder mit ihrer linken Hand nach links.

Die auf ihrem Kopf befestigte Elektrodenkappe sendete ihre Hirnströme an den Computer und dieser filterte die Signale heraus, die für die Handbewegungen zuständig waren. Nach einigen Versuchen gelang es den Teilnehmern auf diese Weise, den Cursor gezielt zu bewegen und sogar um Hindernisse herum zu steuern. In einem weiteren Training lernten Mensch und Maschine dann, den Cursor durch das gedankliche Ballen oder Entspannen einer Hand hoch und runter zu lenken.

Hindernisparcours aus Ballonringen

Nach diesen Vorübungen wurde es dann ernst: Nach kurzem Eingewöhnen mit einem virtuellen Helikopter ging es in die Turnhalle, wo ein echter ferngesteuerter Quadrokopter – ein Helikopter mit vier Rotoren – auf die fünf Versuchsteilnehmer wartete. Diese setzten sich mit dem Rücken zum Raum vor einen Bildschirm, der die Bilder einer kleinen Bordkamera des Hubschraubers übertrug. Als säßen sie im Cockpit, sahen die Probanden nun aus der Perspektive eines Piloten, wohin das Fluggerät gerade flog.

Hubschrauber auf dem Weg durch den Ring-Parcours © He et al. / University of Minnesota

Indem sie sich wie geübt verschiedene Handbewegungen vorstellten, konnten die Teilnehmer nun den Helikopter gezielt auf und ab und rechts und links fliegen lassen. Wie gut ihnen dies gelang, testeten die Forscher, indem sie eine Reihe von Ringen im Raum aufhängten, durch die der Hubschrauber gesteuert werden sollte. „Die Probanden schafften es erfolgreich, den Helikopter in drei Dimensionen akkurat zu steuern“, berichten die Forscher. In immerhin zwei Dritteln der Versuche flogen die Teilnehmer alle Ziele korrekt an und stießen weder an die Wand noch an einen der Ringe.

Trefferquote drei von zwölf

Innerhalb der maximalen Flugzeit von vier Minuten gelang es ihnen durchschnittlich drei Ringe zu durchfliegen. Zum Vergleich: Eine Kontrollgruppe, die den Helikopter per Tastatur steuerte, schaffte zwölf Ringe. „Unsere Mensch-Maschinen-Schnittstelle schaffte damit rund ein Viertel der als Goldstandard geltenden Tastatursteuerung“, konstatieren die Forscher. Das sei gemessen an der kurzen Einübungszeit und der Schwierigkeit der Aufgabe schon ziemlich gut.

„Unser Versuch zeigt zum ersten Mal, dass Menschen den Flug eines Roboters durch Gedanken steuern können – und dies nur mit Hilfe von von außen abgeleiteten Hirnströmen“, erklärt He. Das nächste Ziel sei es nun, diese Schnittstelle so weiter zu entwickeln, dass Patienten mit Lähmungen oder neurodegenerativen Erkrankungen sie nutzen können – beispielsweise um Roboterarme oder anderer technische Hilfsmittel per Elektrodenkappe zu steuern. (Journal of Neural Engineering, 2013)

(IOP Science /Journal of Neural Engineering, 05.06.2013 – NPO)

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