Paläontologen haben in Südafrika die älteste und seltsamste Wohngemeinschaft der Welt entdeckt: Vor rund 250 Millionen Jahren suchte ein verletztes Amphibium Schutz in der Erdhöhle eines schlafenden säugetierähnlichen Reptils – und blieb dort offenbar längere Zeit wohnen. Erst eine Sturzflut brachte beiden Mitbewohnern damals den Tod – und konservierte sie gleichzeitig für die Nachwelt. Ein internationales Team von Paläontologen hat nun die fossilen Skelette beider Tiere in einer versteinerten Erdhöhle aus dem Karoo-Becken entdeckt. Das sei der älteste bekannte Fall einer so engen Assoziation zweier nicht verwandter Tiere, erklären die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“
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Vor 250 Millionen Jahren, am Beginn der Trias, erholte sich die Pflanzen- und Tierwelt gerade erst von einem der größten Massenaussterben der Erdgeschichte. Das heutige Südafrika war damals Teil des Superkontinents Pangäa, es lag am Südende der Landmasse, im Gebiet des späteren Gondwana. Das Klima dieser Region war damals von starker Erwärmung geprägt, Hitze und monsunartige Regenfälle wechselten sich ab. Um in dieser Umwelt zu überleben, suchten viele Tiere Schutz vor der Hitze in unterirdischen Bauten.
Röntgenstrahlen enthüllen Inhalt von Urzeit-Erdhöhlen
Vor allem im Karoo-Becken Südafrikas sind viele versteinerte Erdbauten aus dem Perm und der frühen Trias erhalten. Da die einstigen Bewohner dieser Bauten oft durch versteinerten Schlamm verschüttet und quasi einzementiert sind, lässt sich mit herkömmlichen Mitteln nur schwer ermitteln, ob diese Urzeitbauten Fossilien enthalten und welche. Unter anderem deshalb untersuchten Vincent Fernandez von der University of the Witwatersrand und seine Kollegen einige dieser aus dem umgebenden Gestein gebrochenen Erdhöhlen nun mit Hilfe von Röntgenstrahlen an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble.
Ähnlich wie bei einer Computertomografie scannten die Strahlen das Fossil zunächst scheibchenweise, am Computer wurden die Schnittbilder dann zu einem dreidimensionalen Modell zusammengesetzt. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass im versteinerten Schlamm eingebettete Fossilien nicht herausgebrochen werden müssen und so weiterhin in ihrer Steinhülle geschützt bleiben können.
Einrolltes Reptil – und verletzes Amphibium
Als erstes zeigte sich dabei der Schädel von Thrinaxodon, eines zu den Therapsiden gehörenden Vierbeiners. Diese bis zu einem halben Meter langen Reptilien waren in vielen Merkmalen bereits sehr säugetierähnlich, hatten möglicherweise sogar Schnurrhaare und ein Fell. Das in der Erdhöhle entdeckte Exemplar lag zusammengerollt auf dem Bauch, wie die Forscher berichten. Verletzungen der Rippen und ein gebrochenes Genick seien vermutlich erst nach dem Tod des Tieres eingetreten.
„Richtig aufgeregt wurden wir aber, als wir einen zweiten Satz von Zähnen entdeckten, der völlig anders war als der dieses säugetierähnlichen Reptils“, erklärt Fernandez. Direkt neben Thrinaxodon trat in den fortschreitenden Scans immer deutlicher ein eng an das Reptil gekuscheltes zweites Tier auf. Es lag auf dem Rücken, ein Teil seines Körpers sogar auf dessen Flanke.
Nähere Untersuchungen enthüllten, dass es sich um einen Vertreter des ausgestorbenen Amphibiums Broomistegahandelte. Diese auf vier kräftigen kurzen Beinen laufenden Tiere mit großem Schädel lebten in ihrer Jugend vorwiegend im Wasser, später dann in Gewässernähe an Land. Wie die Forscher berichten, muss Broomistega verletzt gewesen sein, als es in die Erdhöhle kroch. Denn im Röntgenbild sind mehrere gebrochene, aber teilweise bereits wieder verheilte Rippen zu erkennen.
Kein Zufall und keine Beute
„Die faszinierende Frage ist: Was brachte diese beiden Tiere in einer Erdhöhle zusammen?“, sagt Fernandez. Denn unter heute lebenden Wirbeltieren seien solche engen Assoziationen in beengten Bauen höchst ungewöhnlich. Theoretisch wäre es möglich, dass das größere Reptil das junge, kleinere Amphibium gejagt, verletzt und anschließend in seine Höhle geschleppt hat.
Doch die Forscher fanden keine Bissspuren des Reptils und auch die Rippenverletzung passte nicht ins Bild. Die Position beider Körper spreche zudem gegen einen Kampf oder eine Fraßsituation. Sie schließen auch aus, dass das Amphibium zufällig bei der Sturzflut in die Erdhöhle geschwemmt wurde, die bereits das Reptil beherbergte. Der Höhleneingang sei dafür zu klein und zudem deute alles darauf hin, dass Broomistega noch eine ganze Weile in der Erdhöhle weitergelebt habe.
Sommerschlaf machte WG möglich
Was aber war dann der Grund für diese ungewöhnliche Assoziation? Einen Hinweis gab den Paläontologen die Haltung des säugetierähnlichen Reptils. „Ich bin immer wieder fasziniert, wie viele Thrinaxodon-Fossilien eingerollt erhalten geblieben sind – fast als hätten sie friedlich in ihren Höhlen geschlafen, als sie der Tod ereilte“, berichtet Koautor Fernando Abdala von der University of the Witwatersrand.
Die Forscher vermuten daher, dass diese säugetierähnlichen Reptilien besonders heiße und trockene Zeiten in einer Art Sommerschlaf überdauerten. Das verletzte Amphibium hat sich wahrscheinlich Schutz suchend in die Erdhöhle des Reptils geschleppt, während dieses in dieser Ruhephase war. „Das erklärt, warum das Amphibium nicht sofort wieder aus der Höhle verjagt wurde“, so die Forscher. Vermutlich ging diese Urzeit-WG einige Zeit lang gut, bis dann eine plötzliche Sturzflut die Erdhöhle mit Wasser und Schlamm füllte und sie für beide Tiere zur Todesfalle wurde. (PloS ONE; 2013; doi: 10.1371/journal.pone.0064978)
(PLoS ONE / University of the Witwatersrand, 24.06.2013 – NPO)