Kurzes Luftholen: Sauerstoffarme Tiefenregionen in der zentralen Ostsee erhalten zum ersten Mal seit über zehn Jahren frisches Salzwasser aus der Nordsee. Damit erhalten höhere Lebewesen wie Fische zumindest kurzfristig die Chance, sich in diesen „Todeszonen“ anzusiedeln. In die Ostsee gespülter Dünger sorgt dort seit Jahrzehnten für zunehmenden Sauerstoffmangel.
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In den Tiefen der Ostsee ist es stickig: In großen Bereichen des sogenannten Tiefenwassers, unterhalb von etwa 70 Metern Wassertiefe, herrscht Sauerstoffmangel. Dadurch können dort nur noch wenige Bakterien wachsen, die auch ohne Sauerstoff zurechtkommen – sie jedoch produzieren giftigen Schwefelwasserstoff, der die betroffenen tiefen Becken endgültig veröden lässt.
Dünger schafft Todeszonen
Grund für diese Todeszonen sind menschengemachte hohe Nährstoffeinträge, etwa durch Dünger: Übermäßiges Algenwachstum führt zu einem Sauerstoffbedarf im Tiefenwasser, der die Vorräte weit übersteigt. Das salzarme und belüftete Oberflächenwasser der Ostsee vermischt sich kaum mit dem Tiefenwasser, die salzigeren tiefen Regionen sind auf einströmendes Salzwasser aus der Nordsee angewiesen.
Genau einen solchen Einstrom haben Wissenschaftler des Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) nun im Zeitraum vom 19. Bis 30. Juli dieses Jahres gemessen. Zum ersten Mal seit 2003 erreicht damit sauerstoffreiches Salzwasser das Gotland-Becken in der zentralen Ostsee. Dieser Nachschub unterbricht eine seitdem anhaltende Phase von hohem Sauerstoffverbrauch und zunehmender Schwefelwasserstoffbildung. Die Lebensbedingungen in den „Todeszonen“ verbessern sich dadurch leicht für höhere Lebewesen wie Fische.
Sauerstoff drängt Schwefelwasserstoff zurück
Ein ähnliches Ereignis hatte es zuletzt bei den Herbststürmen im Jahr 2011 gegeben. Diese hatten jedoch lediglich das Tiefenwasser der südlichen Ostsee und der Danziger Bucht belüftet. Der aktuelle Einstrom von sauerstoffreichem Wasser schaffte es, weiter nach Nordosten bis in das zentrale Gotland-Becken vorzudringen. Dort versorgte er die bodennahe Wasserschicht in Tiefen zwischen 200 und 240 Meter zwar nur mit geringen Sauerstoffmengen von rund 0,37 Millilitern pro Liter Ostseewasser.
Dieser Sauerstoff reichte aber aus, um den giftigen Schwefelwasserstoff zurück zu drängen. Die weiter nördlich liegenden Teile des Gotland-Beckens profitierten während der bisherigen Messungen noch nicht von diesem Einstrom. Die Wissenschaftler verfolgen das Ereignis jedoch weiter.
Als Auslöser des momentanen Zustroms nehmen die Forscher zwei länger anhaltende Phasen von westlichen Winden im Februar und März 2014 an. Die Wasserstände in diesen Monaten zeigen in jedem Monat jeweils ein durch Wind ausgelöstes Einstromereignis an. Der Einstrom im März, der die größere Wassermenge mit sich brachte, war die Folge der Sturmtiefs „Danli“, „Ev“ und „Feliz“.
(Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, 08.08.2014 – AKR)