Nicht die spanischen Eroberer, sondern Robben brachten die Tuberkulose nach Amerika. Schon vor tausend Jahren überquerten infizierte Tiere den Atlantik. Die Ureinwohner steckten sich an, als sie das Robbenfleisch aßen. Das belegen DNA-Analysen von drei peruanischen Mumien, die vor 1.000 Jahren starben. Kolumbus und Co sind damit zwar nicht entlastet, denn auch sie schleppten Tuberkulose ein, aber die ersten waren Robben und Seelöwen aus Afrika, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
{1l}
Die Tuberkulose gehört zu den großen Seuchen der Menschheit, trotz Antibiotika sterben noch heute weltweit ein bis zwei Millionen Menschen pro Jahr an dieser bakteriellen Infektion. Der Erreger der Tuberkulose begleitet den Menschen möglicherweise bereits seit rund 70.000 Jahren, wie Forscher 2013 herausfanden. Schon die frühen Vertreter des Homo sapiens in Afrika könnten demnach an dieser Krankheit gelitten haben, mit der Ausbreitung des Menschen erreichte der Erreger dann auch Europa und Asien.
„Mitbringsel“ von Kolumbus und Co?
Wie die Seuche auf den amerikanischen Kontinent gelangte, blieb jedoch lange unklar. Weil die spanischen Eroberer auch andere Krankheiten aus Europa in die Neue Welt einschleppten, lag der Schluss nahe, dass sie auch die Tuberkulose mitbrachten. Dafür sprach, dass sich die heute in Europa und Amerika verbreiteten Stämme der Tuberkulose stark ähneln.
Doch etwas passte nicht ins Bild: Einige Mumien und Skelette aus der präkolumbianischen Ära zeigen bereits Knochenveränderungen, wie sie typisch für die Tuberkulose sind. Die Krankheit musste demnach schon einige hundert Jahre früher auf dem Kontinent präsent gewesen sein. Aber woher kam sie?
Spurensuche in Mumien-DNA
Um das herauszufinden, begaben sich Kirsten Bos von der Universität Tübingen und ihre Kollegen auf genetische Spurensuche: Sie analysierten Knochenproben von 68 Skeletten aus der Neuen Welt und suchten dabei gezielt nach der DNA von Mycobacterium tuberculosis. Bei drei rund 1.000 Jahre alten Mumien aus der Chiribaya-Kultur Perus wurden sie fündig. Durch Vergleiche mit verschiedenen heute bekannten Tuberkulosestämmen gelang es den Forschern, Verwandtschaft und Herkunft der präkolumbianischen Seuche zu bestimmen.
Das Ergebnis dieser Auswertungen war allerdings ziemlich überraschend: Der in den Mumien präsente Erreger war am engsten mit einem Tuberkulosestamm verwandt, der heute nur bei Robben und Seelöwen vorkommt. „Das war völlig unerwartet“, sagt Koautor Sebastien Gagneux vom Schweizerischen Tropeninstitut und der Universität Basel. Dieser Stamm löst heute bei Menschen noch Erkrankungen aus, aber er ist sehr selten und sicherlich nicht für die üblichen Tuberkuloseinfektionen beim Menschen verantwortlich.“
Robbenjagd mit Folgen
Dennoch liefert dieser Erregertyp endlich eine plausible Antwort darauf, wie die Seuche in die Neue Welt gelangte. Das Szenario spielt sich nach Ansicht der Forscher wahrscheinlich folgendermaßen ab: Vor rund 2.500 Jahren steckten sich Robben in Afrika bei einer anderen Tierart mit der Tuberkulose an. Einige Zeit später durchschwammen einige dieser Tiere den Atlantik – dass Robben dies schaffen, ist schon länger bekannt. Entlang der südamerikanischen Küste siedelten sie sich an, begegneten dabei aber einem neuen Feind: den dort lebenden Ureinwohnern.
Diese Küstenbewohner lebten von Fischfang, jagten aber auch Robben und aßen ihr Fleisch. Darüber steckten sie sich wahrscheinlich mit der Tuberkulose an. Aus der Datierung der Skelette und dem Vergleich der Erreger-DNA schließen die Forscher, dass alle drei Fälle auf eine einzige Übertragung dieser Art zurückgehen könnten.
Im Laufe der Zeit breitete sich dieser Erreger dann durch gegenseitige Ansteckung in der Neuen Welt aus, wurde dann aber nach Ankunft der Spanier durch den neueingeschleppten europäischen Bakterienstamm verdrängt. Die Eroberer brachten daher zwar durchaus die Tuberkulose nach Amerika, sie waren aber nicht die ersten. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13591)
(Nature/ Universität Tübingen, 21.08.2014 – NPO)