Medizin

Dick durch Jetlag und Schichtarbeit?

Zeitverschiebungen stören die Darmflora und fördern dadurch Übergewicht

Unser Tagesrhythmus beeinflusst auch unsere mikrobiellen Mitbewohner © freeimages, NIAD

Die Zeitverschiebung ist schuld: Jetlag und Schichtarbeit fördern Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten. Warum das so ist, haben jetzt Forscher in Versuchen mit Mäusen und Menschen herausgefunden: Der Jetlag stört nicht nur unsere innere Uhr, sondern auch die Rhythmen unserer Darmflora. Dadurch gewinnen diejenigen die Überhand, die uns dick und krank machen können, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Cell“ berichten.

Schon länger ist bekannt, dass häufige Wechsel der Zeitzonen und Schichtarbeit nicht nur müde machen und die innere Uhr durcheinander bringen. Die Rhythmusverschiebungen fördern auch Übergewicht und Stoffwechsel-Erkrankungen wie Diabetes und sogar Krebs. Warum und wie dies geschieht, war aber bisher unklar. Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science in Rehovot und seine Kollegen haben nun einen möglichen Verdächtigen genauer untersucht: die Darmflora. Von ihr weiß man, dass sie einen enormen Einfluss auf unsere Gesundheit hat und auch für Übergewicht eine wichtige Rolle spielt.

Zeitverschiebung verändert Darmflora

Für ihre Studie untersuchten sie zunächst die Bakterienzusammensetzung von Stuhlproben von Mäusen und Menschen, die zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten genommen wurden. Ihre Theorie: Gibt es bei der Darmflora auch einen festen Tag-Nacht-Rhythmus, könnte sich dies an der Aktivität und Art der Mikroben im Darm und Kot zeigen. Tatsächlich stellten die Forscher von der Tageszeit abhängige zyklische Schwankungen der Darmbakterien und ihrer mikrobiellen Aktivität fest.

Häufiger Jetlag kann Übergewicht fördern © freeimages

Aber war der Tagesrhythmus auch der Grund für diese Schwankungen? Um dies zu überprüfen, hielten die Forscher nun Mäuse unter wechselnden, unregelmäßigen Licht-Dunkel-Regimes und fütterten sie auch in entsprechend irregulären Abständen. Wie Kotproben zeigten, brachte dieses Rhythmus-Chaos auch die Darmflora der Tiere aus dem Gleichgewicht. Die Aktivität und Zusammensetzung der Bakterien änderte sich messbar. Das hatte Folgen: Erhielten sie eine fettreiche Nahrung, nahmen die „Jetlag“-Mäuse stark zu, die im normalen Tagesrhythmus gehaltenen Kontrolltiere dagegen nicht.

Effekt auch beim Menschen nachweisbar

Auch beim Menschen kann schon ein einziger Jetlag die Darmflora negativ beeinflussen, wie ein Test ergab: Bei zwei Personen, die aus den USA nach Israel geflogen waren, stellten die Forscher ebenfalls eine hinterher deutlich veränderte Darmflora fest. Der Jetlag schien bei ihnen das Wachstum von Bakterienarten begünstigt zu haben, die mit Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen in Verbindung stehen könnten.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Jetlag und Rhythmusverschiebungen durch Schichtarbeit nicht nur die innere Uhr des Menschen durcheinander bringen, sondern offenbar auch die der Mikroben in unserem Darm. Das wiederum scheint die Bakterien zu begünstigen, die Übergewicht und andere negative Gesundheitswirkungen fördern, so die Schlussfolgerung der Forscher. Gleichzeitig eröffnet dies die Chance auf ein Gegenmittel: Möglicherweise könnte eine gezielte probiotische Therapie die Veränderungen der Darmflora verringern oder rückgängig machen und so auch die negativen Folgen verhindern. (Cell, 2014; doi: 10.1016/j.cell.2014.09.048)

(Cell Press, 17.10.2014 – NPO/MVI)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Im Fokus: Strategien der Evolution - Geniale Anpassungen und folgenreiche Fehltritte von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Kleine Wunderwerke - Die unsichtbare Macht der Mikroben von Idan Ben-Barak

Welt der Bakterien - Die unsichtbaren Beherrscher unseres Planeten

Sonst noch Fragen? - Warum Frauen kalte Füße haben und andere Rätsel von Ranga Yogeshwar

Phänomen Mensch - Körper, Krankheit, Medizin von Andreas Sentker und Frank Wigger

Top-Clicks der Woche