Physik

16 Millionen Atome verschränkt

Quantenphysikalische Kopplung großer Atommengen wird nachweisbar

Diese Laseranlage produzierte die Einzelphotonen, die die Atome im Kristall zur Verschränkung brachten. © Université de Genève

Gekoppelte Atome: Physikern ist es gelungen, 16 Millionen Atome in einem Kristall miteinander zu verschränken – und diese quantenphysikalische Kopplung auch nachzuweisen. Sie entwickelten dafür eine Möglichkeit, die Verschränkung der Atome von außen zu ermitteln, ohne dass die Kopplung dabei verloren ging. Das Spannende daran: Solche Kristalle aus verschränkten Atomen könnten in künftigen Quantennetzwerken als Verstärker genutzt werden.

Eine der Eigenheiten im Reich Quantenphysik ist das Phänomen der Verschränkung: Die Zustände von zwei Teilchen sind dabei so miteinander gekoppelt, dass der Zustandswechsel des einen automatisch den des Partners verursacht – und dies selbst dann, wenn beide Teilchenhundert Kilometer voneinander entfernt sind. Sogar bis in den Orbit reicht diese quantenphysikalische Kopplung. Der große Vorteil daran: Jeder unbefugte Zugriff auf die in diesen Teilchen kodierte Information sofort erkennbar.

Das Problem ist der Nachweis

Doch eine Verschränkung ist nicht nur auf zwei Photonen oder Atome beschränkt: Rein theoretisch können riesige Mengen von Teilchen quantenphysikalisch miteinander gekoppelt werden. Sogar bei makroskopisch sichtbaren Objekte müsste dies möglich sein. Praktisch ist dies Forschern jedoch bisher nur bei hunderten Ionen und bis zu 2.900 Atomen nachweisbar gelungen.

Das Problem: „Die Verschränkung großer Systeme zu erreichen ist meist sehr viel einfacher, als diese dann auch zu beweisen“, erklären Florian Fröwis und seine Kollegen von der Universität Genf. „Denn um die Kopplung zwischen mehreren Millionen Atomen direkt zu beobachten, müsste man ungeheure Mengen an Daten sammeln und analysieren.“

Die Merkmale des ausgestrahlten Photons verraten, dass die Atome im Kristall verschränkt sind. © Fröwis et al./ Nature Communications, CC-by-sa 4.0

Kalter Kristall und Indikator-Photon

Durch einen Trick ist es Fröwis und seinen Kollegen nun jedoch gelungen, dieses Problem zu umgehen. Für ihr Experiment nutzten sie einen Kristall aus Ytterbium-Orthosilikat (Y2SiO5), der mit Neodym-Atomen dotiert war. Diesen Kristall kühlten sie bis auf 270 Grad unter Null ab und bestrahlten ihn dann mit einem Photon. Wenn dieses Photon den Kristall passiert, löst es bei dessen mehreren Millionen Atomen eine Verschränkung aus – so jedenfalls die Theorie.

Um dies nachzuweisen, konzentrierten sich die Forscher auf das, was der Kristall wieder abgibt: Sendet er nur Streulicht aus, können seine Atome nicht verschränkt sein, wie sie erklären. Anders aber ist es, wenn der Kristall ein Photon aussendet, das die gleichen Merkmale wie das ursprüngliche Auslöser-Photon aufweist. Die Quantenphysik voraus, dass dieser Effekt nur dann auftreten kann, wenn die Atome im Kristall durch das eingestrahlte Photon verschränkt wurden.

16 Millionen Atome verschränkt – mindestens

Und tatsächlich: In ihrem Experiment registrierten die Physiker 50 Nanosekunden nach Einstrahlung des Photons die vorhergesagte Reaktion. Die angeregten, verschränkten Atome im Kristall sendeten eine „Kopie“ dieses Photon aus. Aus ihren Messungen schließen die Forscher, dass dafür mindestens 16 Millionen Atome im Kristall verschränkt gewesen sein müssen. Unmittelbar nach Absorption des Auslöser-Photons könnten es sogar eine Milliarde gewesen sein.

„Das demonstriert, dass auch große Verschränkungstiefen experimentell verifizierbar sind“, konstatieren Fröwis und seine Kollegen. „Das gilt selbst für Systeme mit mehr als zehn Milliarden Atomen und geringen Reemissions-Effizienzen.“ Das Prinzip ihrer Nachweismethode sei zudem über eine große Bandbreite physikalischer Systeme anwendbar.

Spannend ist dies vor allem deshalb, weil solche Kristalle mit verschränkten Atomen in künftigen Quantennetzwerken als Relais dienen könnten. Die gekoppelte Ausstrahlung der Atome verstärkt dabei das Signal der eingestrahlten Quanteninformationen, wie die Forscher erklären. Dadurch ließe sich die Reichweite von Quantensignalen beispielsweise in Glasfasernetzen erhöhen. (Nature Communications, 2017)

(Universität Genf, 16.10.2017 – NPO)

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