Biologie

DNA: Vom Knäuel zum Chromosom

Forscher enträtseln "Drehbuch" für fundamentalen Prozess der Zellteilung

Vor jeder Zellteilung verpackt die Zelle ihre DNA in kompakten Chromosomen – wie diese Verpackung jedoch abläuft, war bisher rätselhaft. © Koya79/ iStock.com

Zelle als Verpackungskünstler: Forscher haben einen der fundamentalen Prozesse des Lebens aufgeklärt – die vor jeder Zellteilung ablaufende Verpackung der DNA in Chromosomen. Jetzt zeigt sich: Die DNA wird dafür erst in immer kleinere, sich überlagernde Schlaufen gelegt, dann drehen Proteinmotoren diesen verdickten Strang zu einer spiraligen Wendeltreppe. Dieses „Drehbuch“ des Packprozesses löst nicht nur ein Jahrzehnte altes Rätsel – es vereint auch bisher widerstreitende Theorien.

Würde man die DNA einer unserer Zellen lang ausbreiten, dann ergäbe sich ein rund 1,80 Meter langer Strang. Dieser liegt normalerweise lose-klumpig verknäuelt im Zellkern. Vor jeder Zellteilung jedoch muss das Erbgut in seine kompakte „Transportform“ überführt werden: die Chromosomen. „Das ist einer der fundamentalsten Prozesse der Genetik“, erklärt Seniorautor Job Dekker von der University of Massachusetts. Denn nur so kann das Erbgut korrekt auf die Tochterzellen aufgeteilt werden.

Blick ins „Drehbuch“ der Zellmaschinerie

Doch wie die Zellen den Übergang von der lose verknäuelten DNA zu den kompakten Chromosomen bewerkstelligen, ist seit gut 100 Jahren ein Rätsel – auch, weil dieser Wandel erstaunlich schnell abläuft: „Der gesamte Prozess dauert nur zehn bis 15 Minuten – das ist einfach unglaublich“, sagt Dekker. Wie die Kondensation der DNA bei diesem Tempo ohne Fehler, Knoten oder Schäden ablaufen kann, blieb unklar.

Erst jetzt ist es Dekker und seinen Kollegen gelungen, dieses „Drehbuch“ der zellulären Verpackungsmaschinerie zu enträtseln. Dafür brachten sie Zellen von Hühnern dazu, durch chemisch-genetische Manipulation simultan mit der Prophase zu beginnen – dem Verpacken ihres Erbguts. Zu mehreren Zeitpunkten stoppten die Forscher diesen Prozess und konnten so „Schnappschüsse“ des jeweiligen Packzustands der DNA erstellen.

Zellteilung: Im Normalzustand liegt die DNA verknäuelt im Zellkern (oben links), in der Prophase kondensiert sie zu Chromosomen (unten rechts). Diese ordnen sich in der Metaphase in der Zellmitte an und werden in der Anaphase auseinander gezogen. © Alan Phillips/ iStock.com

Erst Schlaufen, dann Spirale

Und so läuft die DNA-Verpackung ab: Wenn die Prophase beginnt, ziehen sich die fädig-klumpigen DNA-Stränge zu dickeren Gebilden zusammen. Wie die Forscher herausfanden, spielt dabei ein bestimmtes Protein eine entscheidende Rolle: das Condensin II. Dieses sorgt dafür, dass die DNA-Fäden eine Abfolge dicht aneinander liegender Schlaufen bilden – dadurch verkürzen sich die Fäden. Die Proteinmoleküle bilden dabei das Gerüst für die geschlaufte DNA.

Mit dem Übergang in die Prometaphase tritt ein zweites Packprotein in Aktion: Condensin I. Dieses unterteilt die DNA-Schlaufen in noch kleinere Untereinheiten und bringt den Strang dann dazu, sich spiralig wie eine Wendeltreppe einzuwickeln. Im Laufe weniger Minuten wickelt sich das Erbgut dabei zu immer dickeren, flacheren Wendeln auf, wie die Forscher erklären. Die Bündel werden so immer dicker und kürzer, bis sie am Ende die kompakte Chromosomenform besitzen.

Dieses Modell zeigt einen Querschnitt durch ein Chromosom: Große DNA-Schlaufen sind in kleinere Schlaufen unterteilt und aufgewickelt. In der Mitte wird dies durch Ringe aus Condensin (dunkelblau, rot) zusammengehalten. © Anton Goloborodko

Widersprüche aufgehoben

Dieser Ablauf klärt damit erstmals einen der grundlegenden Vorgänge in allen höheren Zellen. Das „Drehbuch“ des Packprozesses enthüllt aber auch, wie komplex und gleichzeitig elegant die Zellmaschinerie die DNA-Verpackung bewerkstelligt. Wie die Forscher erklären, könnte die Kenntnis dieses Prozesses künftig dabei helfen, Fehler bei der Chromosomenbildung besser zu verstehen und sie vielleicht zu verhindern.

Hinzu kommt: „Dieses Modell versöhnt viele scheinbar widersprüchliche Beobachtungen, die in den letzten Jahrzehnten gemacht worden sind“, so Dekker und seine Kollegen. Denn während einige Forscher in den Chromosomen Anzeichen für eine spiralige Architektur fanden, sahen andere vorwiegend Schlaufen. Doch wie sich jetzt zeigt, hatten beide Fraktionen recht. „Das finde ich sehr befriedigend: Ausgehend von zwei Datensätzen, die augenscheinlich unterschiedliche Dinge sagen, finden wir einen Weg, beiden Recht zu geben“, sagt Dekker. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aao6135)

(Howard Hughes Medical Institute, 19.01.2018 – NPO)

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