Astronomie

Sternpassage warf Kometen aus der Bahn

Stellare Annäherung vor 70.000 Jahren störte Brocken der Oort'schen Wolke

Unsere Vorfahren könnten ihn als rötlichen Lichtpunkt gesehen haben: Vor 70.000 Jahren kam ein kleiner Doppelstern dem Sonnensystem nahe. © José A. Peñas/ SINC

Stellarer Störer: Vor rund 70.000 Jahren streifte ein fremder Stern den Außenrand unseres Sonnensystems. Wie Astronomen nun festgestellt haben, hat diese stellare Passage Spuren hinterlassen: Die Flugbahnen einiger Kometen und Eisbrocken aus den Außenbezirken unseres Sonnensystems sind bis heute von diesem „Eindringling“ geprägt. Obwohl der störende Stern eine sehr geringe Masse hatte, reichte sie offenbar aus, um einige Objekte in der Oort’schen Wolke aus ihre Bahn zu werfen.

Heute liegt der nächste Nachbarstern rund vier Lichtjahre von der Sonne entfernt – ein bequemer Sicherheitsabstand. Doch das war nicht immer so: Im Laufe der Sonnensystem-Geschichte hat es auch immer wieder nahe Passagen fremder Sterne gegeben. Kam der Stern dabei nahe genug, könnte sein Schwerkrafteinfluss sogar die Flugbahnen von Objekten im Außenbereich des Sonnensystems verändert haben. Gängiger Theorie nach könnten einige langperiodische Kometen ihre Flugbahn solchen Passagen verdanken.

Nahe Begegnung vor 70.000 Jahren

Doch gab es tatsächlich Sternenpassagen, die nah genug waren, um die Himmelskörper im Sonnensystem zu stören? Lange blieb dies unklar. 2015 jedoch entdeckten Astronomen Indizien für die bisher nächste Annäherung eines Sterns: Vor 70.000 Jahren kam der Doppelstern WISE J072003.20-084651.2, auch „Scholz‘ Stern“ genannt bis auf weniger als ein Lichtjahr an die Sonne heran.

Dieses Doppelsternsystem besteht aus einem Roten Zwerg, der von einem Braunen Zwerg umkreist wird. Dieses Sternsystem ist eher lichtschwach und war daher bei seiner nahen Passage vermutlich nicht dauerhaft am Nachthimmel sichtbar. Weil der Rote Zwerg aber immer wieder heftige Ausbrüche durchlebte, könnten unsere Vorfahren und die Neandertaler stundenweise einen rötlichen Lichtpunkt am Himmel gesehen haben.

Zu leicht für Störeffekte?

Aber was waren die Folgen dieser Passage? Weil Roter und Brauner Zwerg zusammen nur 0,15 Sonnenmassen auf die Waage bringen, hielten Astronomen bisher einen Störeinfluss dieses stellaren Leichtgewichts für eher unwahrscheinlich. Doch Carlos de la Fuente Marcos von der Complutense-Universität Madrid und seine Kollegen haben nun Indizien dafür entdeckt, dass die Passage von Scholz‘ Stern sehr wohl Spuren hinterließ.

Scholz' Stern besteht aus zwei Leichtgewichten: einem kleinen Roten Zweerg und einem Braunen Zwerg. © Michael Osadciw/ University of Rochester

Für ihre Studie hatten die Astronomen die Bahnen von knapp 340 Objekten untersucht, die auf extrem asymmetrischen Bahnen durch das Sonnensystem rasen. „Mithilfe von numerischen Simulationen haben wir ermittelt, aus welchen Richtungen des Himmels diese hyperbolischen Objekte zu kommen scheinen“, erklärt de la Fuente Marcos. „Man würde erwarten, dass ihre Positionen dabei gleichmäßig über den Himmel verteilt sind.“ Denn die meisten dieser eisigen Objekte stammen gängiger Annahme nach aus der Oort’schen Wolke – und sie umgibt unser Sonnensystem allseits wie eine Hülle.

„Signifikante Häufung“

Doch das war nicht der Fall: „Was wir finden, ist stattdessen etwas anderes: Es gibt eine statistisch signifikante Häufung einer Richtung“, sagt de la Fuente Marcos. Ein Großteil der eisigen Brocken folgt demnach Flugbahnen, die in Richtung des Sternbilds der Zwillinge zeigen. Damit jedoch haben diese Objekte ihren Ursprung genau in dem Bereich der Oortschen Wolke, der damals dem vorbeiziehenden Doppelstern am nächsten lag.

Nach Ansicht der Astronomen ist das kein Zufall. „Diese Häufung wurde wahrscheinlich durch die nahe Passage von Scholz‘ Stern verursacht „, konstatieren sie. Ort und Zeit dieser Bahnstörungen stimmen so gut mit der Passage von Scholz‘ Stern überein, dass es schwer sei, hierin einen bloßen Zufall zu sehen. Sie vermuten, dass es in der Oort’schen Wolke und in den Bahnen langperiodischer Kometen und anderer kosmischer „Wanderer“ noch weitere Hinweise auf vergangene Sternenpassagen gibt.

Den Berechnungen der Astronomen nach kam Scholz‘ Stern der Sonne vor 70.000 Jahren sogar ein wenig näher als zunächst angenommen. Er könnte demnach in weniger als 0,6 Lichtjahren Entfernung vorbeigezogen sein. Bei dieser Passage durch die Oort’sche Wolke muss er mehrere Eisbrocken aus ihrer Bahn geworfen haben. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Letters, 2018; doi: 10.1093/mnrasl/sly019)

(Plataforma SINC, 22.03.2018 – NPO)

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