Washington D.C., 15. Oktober 1999: Aufgeregtes Gemurmel auf der Pressekonferenz der National Geographic Society. Eine Sensation ist angekündigt: Nichts weniger als das seit 150 Jahren gesuchte Bindeglied zwischen Vögeln und Sauriern, der ultimative „Missing Link“ soll endlich entdeckt worden sein. Der Archaeoraptor, so der Name des Fossils, gleiche an Armen, Rumpf und Kopf einem frühen Vogel, habe in seinem Schwanz aber noch Dinosauriermerkmale. Und im Gegensatz zu allen bisher entdeckten gefiederten Sauriern soll „Archaeoraptor liaoningensis“ tatsächlich geflogen sein.
Fund auf Fossilienbörse
Die Wissenschaftler, die das Fossil vorstellen, berichten, dass es aus der chinesischen Provinz Liaoning stammen soll. Im Februar 1999, während einer internationalen Fossilienbörse in Tucson, Arizona, sei es dem Sammler und privaten Museumsbesitzer Stephen Czerkas aufgefallen. Wohl wissend, dass das Fossil illegal aus China herausgeschmuggelt worden sein musste, habe er es für 80.000 US-Dollar gekauft und sich dann an die National Geographic Society gewandt, um eine ausführliche wissenschaftliche Untersuchung zu ermöglichen. Als Teil des Archaeoraptor-Teams wird auch Xu Xing vom Institut für Wirbeltierpaläontologie und Paläoanthropologie in Peking eingeladen, kann aber zunächst nicht kommen.
Seltsame Diskrepanzen
In der Zwischenzeit erhält Kevin Aulenback, Präparator des Royal Tyrrell Museum of Palaeontology in Alberta, den Auftrag, das Fossil zur Analyse vorzubereiten. Er tut dies und stellt dabei fest, dass das Relikt ein aus mindestens drei, vieleicht sogar fünf unterschiedlichen Exemplaren zusammengesetztes Komposit ist. So scheinen die beiden Hinterbeine ein spiegelbildlicher Abdruck ein und desselben Beines zu sein. Die National Geographic Society, immerhin Auftraggeber der Untersuchungen, erfährt davon zunächst nichts. Auch nicht davon, dass eine Analyse des Fossils im Computertomografen, durchgeführt von Timothy Rowe in der Röntgenanlage der Universität von Texas in Austin, ebenfalls Hinweise auf eine möglicherweise unterschiedliche Herkunft von Oberkörper und Schwanz nebst Hinterbeinen ergibt.
Trotz dieser Zweifel reicht das Archaeoraptor-Team bei „Nature“ und später auch „Science“ eine Veröffentlichung ein. Sie wollen eine Publikation noch vor der öffentlichen Vorstellung im Oktober erreichen. „Nature“ lehnt direkt ab, mit der Begründung, es bleibe zu wenig Zeit für eine ausführliche Peer-Review. „Science“ nimmt das Manuskript an und reicht es an seine Gutachter weiter. Von diesen kommt allerdings die Rückmeldung, das Fossil sei zum einen Schmuggelware, zum anderen aber höchstwahrscheinlich manipuliert.
„Wir machen es trotzdem“
Die National Geographic Society, die das Fossil unbedingt in der November-Ausgabe ihres Magazins vorstellen will, entschließt sich, trotzdem wie geplant vorzugehen. Am 15. Oktober 1999 halten sie ihre Pressekonferenz ab und stellen das Fossil des Archaeoraptor, des Bindeglieds zwischen Vogel und Dinosaurier, erstmals der Weltöffentlichkeit vor. Wie erhofft, wird die Präsentation ein voller Erfolg. Auch das Magazin, mit einer ausführlichen Titelgeschichte zum Fund, verkauft sich bestens. Doch die Freude hält nicht lange an…
Nadja Podbregar
Stand: 13.08.2010