Die Erdkruste erscheint uns oft als Inbegriff der Stabilität, als der sprichwörtliche Boden unter unseren Füßen. Doch gemessen am Gesamtvolumen unseres Planeten ist sie nur eine dünne Haut über dem Rest, etwa vergleichbar mit der Schale eines Apfels.
Wie dünn die Erdkruste wirklich ist, wissen wir seit Mohorovicic und seinen Nachfolgern. Denn sie stellten unter anderem fest, dass sich „Land“ und „Meer“ auch in geologischer Hinsicht deutlich unterscheiden: So liegt die Untergrenze der Erdkruste, zu Ehren des kroatischen Seismologen heute Mohorovicic-Diskontinuität (oder kurz Moho) genannt, unter den Kontinenten mit 30 bis 80 Kilometern deutlich tiefer als unter der ozeanischen Kruste. Dort reicht sie nur fünf bis sieben Kilometer tief.
Und dies, obwohl die ozeanische Kruste eigentlich viel dichter und damit schwerer ist als die kontinentale: Während erstere hauptsächlich aus dichteren basaltischen Gesteinen besteht, die von Tiefseesedimenten überlagert werden, setzen sich die Festlandssockel vorwiegend aus den weniger dichten Graniten zusammen.
Tiefster Punkt der Erdkruste unter dem Himalaya
Die Lage der Mohorovicic-Diskontinuität ist nicht überall gleich, sie wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst – und sie verändert sich auch im Laufe der Zeit. Die Erdkrustenplatten sind in dieser Hinsicht mit Eisschollen vergleichbar, die in einem Meer schwimmen: Je nach aufliegendem Gewicht liegen sie mal tiefer, mal höher im Wasser.
So drückt beispielsweise die gewaltige Masse der Hochgebirge die Kruste stärker in die Tiefe, dadurch markiert die Moho unter dem Himalaya mit gut 80 Kilometern Tiefe ihren tiefsten Punkt. In Küstengebieten, wie beispielsweise an der deutschen Nordseeküste, liegt sie dagegen nur rund 20 Kilometer unter der Erdoberfläche. Aber nicht nur Landschaftsformen wie Gebirge oder Flachland beeinflussen die Tiefe der Kruste-Mantel-Grenze, auch temporäre Faktoren wie eine Eisbedeckung können die Lage der „Schollen“ der Erdkruste verändern.
Hebung durch Eisschmelze
Im Mai 2010 stellten Wissenschaftler der Universität von Miami beispielsweise fest, dass sich die Erdkruste unter Grönland allmählich hebt. Für ihre Studie werteten die Forscher Daten von speziellen GPS-Empfängern aus, die seit 1995 entlang der Küsten Grönlands postiert waren. Die Positionsdaten enthüllten für einige Küstengebiete aufgrund der massiven Eisschmelze bereits eine Hebungsrate von zurzeit fast zweieinhalb Zentimeter pro Jahr. Wenn dieser Trend anhält, könnte sich dies bis 2025 auf bis zu fünf Zentimeter pro Jahr beschleunigen, so der Geophysiker Tim Dixon.
Um solche lokalen und regionalen Veränderungen der Krustendicke zu erfassen, sammeln beispielsweise Forscher des U.S. Geological Survey (USGS) seismische Profile aus aller Welt in einer mehr als 5.000 Einträge fassenden Datenbank. Auf dieser Basis erstellen sie Modelle und Karten, an denen sich die Dicke der Erdkruste an verschiedenen Orten auf der Welt ablesen lässt.
Uralte Festlandssockel – junge Ozeankruste
Die Analyse verschiedener Gesteine, aber auch Bohrungen in tiefere Gesteinsschichten enthüllten allerdings noch weitere Unterschiede zwischen Festlandssockeln und der Basis der Meere. So zeigte sich, dass die ozeanische Kruste deutlich jünger ist als die kontinentale. Während letztere bis zu vier Milliarden Jahre alt ist und damit aus der frühesten Ära der Erde stammt, wird ozeanische Kruste gerade einmal 200 Millionen Jahre alt, bevor sie in einer Art fortwährenden Recyclingprozess wieder in die Tiefe sinkt und eingeschmolzen wird.
Das bisher älteste Krustengestein der Erde entdeckten Wissenschaftler im September 2008 im Norden Kanadas, an der Küste der Hudson Bay. Hier, in einem als Nuvvuagittuq Grünsteingürtel bekannten Gebiet, fanden sie ein als „falscher Amphibolit“ bezeichnetes Gestein, dass sich bei Datierung mit Hilfe des Isotops Neodymium als 4,28 Milliarden Jahre alter „Methusalem“ entpuppte.
Nadja Podbregar
Stand: 06.08.2010