Aus dem Weltraum betrachtet, wirkt die Erde wie eine glatte, runde Kugel. Erst wenn man näher kommt, erkennt man Berge, Täler, Ozeane, Wüsten und Eisflächen. Ähnlich ist es bei einem Fußball. Denn auch der ist nicht wirklich, sondern nur scheinbar rund. Und dies liegt an seinen Grundbausteinen, seinem Bauplan und an der Verarbeitung.
Regelmäßig angeordnete Vielecke
So besteht die allseits bekannte klassische Variante eines Fußballs aus 32 zumeist schwarzen und weißen Einzelteilen, die mühsam und meist von Hand zusammengenäht werden müssen. Die zwanzig Sechsecke und zwölf Fünfecke sind dabei so regelmäßig angeordnet, dass sie einen geometrischen Körper bilden, den Mathematiker als „abgestumpften Ikosaeder“ bezeichnen. Die vielen Ecken und Kanten werden durch das Aufpumpen des Balles wenigstens zum Teil geglättet und man erhält das altbekannte „runde Leder“, das manchen Spielern magisch zu gehorchen scheint.
Dennoch ist der so erstellte Fußball nur eine Notlösung. Warum, verrät Albrecht Beutelspacher, Professor für Geometrie und Diskrete Mathematik an der der Universität Gießen, in der Tageszeitung Die Welt. „Klar: Wenn man viele sehr kleine Teile benutzen würde, könnte man eine sehr runde Form erhalten. Aber wer soll diese vielen Teile zusammennähen? Der Fußball ist deshalb ein Kompromiss zwischen einer möglichst gleichmäßigen Form und möglichst wenig Teilen.“
Mit „Jabulani“ auf dem Weg zum Ideal
Dem Ideal viel näher kommen mittlerweile jedoch die neuen Hightech-Fußbälle. Wie der „Jabulani“, der extra für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika ausgetüftelt und designt worden ist. Das Wort Jabulani stammt aus der Bantusprache isiZulu, eine der elf offiziellen Sprachen der Republik Südafrika und bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie „feiern“ oder „zelebrieren“.
Im Jabulani, der seine Premiere bereits vor einem halben Jahr im Bundesligaspiel Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach feierte, steckt viel mehr Ball-Technologie als jemals zuvor. Er besteht aus einer Konstruktion von acht thermisch verschweißten und erstmals dreidimensional gebogenen Bausteinen, so genannten Panels. Die vier Dreiecke und vier „Dreibeine“ reduzieren die Gesamtlänge der Panellinien im Vergleich zur klassischen Variante deutlich.
Diese Änderungen verleihen Jabulani „eine bisher nie dagewesene Rundheit“, wie zumindest der Hersteller Adidas schwärmt. Das so genannte „Grip’n’Groove“ Profil soll zudem „für ein außergewöhnlich stabiles Flugverhalten und eine perfekte Griffigkeit bei allen klimatischen Bedingungen“ sorgen. An der Ballentwicklung beteiligt waren nach Adidas -Angaben zahlreiche Fußballprofis von zum Teil hochklassigen Vereinen wie AC Mailand, FC Bayern München, den Orlando Pirates und Ajax Cape Town. Sie haben Jabulani schon im Jahr 2008 getestet und zur Verbesserung der Oberflächenstruktur und der Materialzusammensetzung beigetragen – angeblich.
Harsche Kritik der Torhüter
So weit so gut. Doch der Jabulani mag zwar der rundeste Ball aller Zeiten sein, der beliebteste wird er wohl mit Sicherheit nicht – zumindest bei den Torhütern. Denn die schimpfen schon bevor überhaupt das erste WM-Spiel angepfiffen wurde, massiv auf die Innovation aus dem Hause Adidas. „Er ist schrecklich, grausam“, sagt beispielweise Julio Cesar, der brasilianische Nationaltorwart. Timo Hildebrand, der ehemalige Keeper des Bundesligisten 1899 Hoffenheim findet sogar: „Wenn man ihn voll aufs Tor kriegt, kann man nur noch beten.“
Was die Torhüter irritiert und erbost ist, dass Jabulani viel schneller sein soll als alle Bälle vor ihm, dass er stärker springt, extrem in der Luft „flattert“ und seine Flugbahn deshalb selbst für Klasse-Keeper nur noch schwer zu berechnen ist. Doch ist da was Wahres dran oder suchen die Torhüter lediglich ein Alibi, wenn ihnen mal ein Fehler unterläuft?
Flattern als Prinzip
Professor Ewald Hennig von der Universität Duisburg-Essen gibt den Torhütern in einem Interview mit dem Fußball-Magazin „Rund“ recht. Und er hat gleich auch noch eine wissenschaftliche Erklärung für die ungewöhnlichen Eigenschaften der modernen Fußbälle wie Jabulani parat: „Früher, als die Bälle unebener waren, lag der Ball durch die Rotation stabiler in der Luft. […] Bei einem graden Schuss mit hoher Geschwindigkeit bekommt der Torwart mit einem perfekt runden Ball große Probleme. Der Ball flattert dann, weil er eben durch unterschiedliche Luftschichten wandert. Nur ein paar Zentimeter Ablenkung bedeuten für den Torwart, dass er ihn nicht mehr so gut vorausberechnen kann. Deswegen wird der Ball heute auch so häufig gefaustet. Die Flugbahn des Balles ist nicht mehr so berechenbar.“
Dieter Lohmann
Stand: 11.06.2010