Klima

Warum ist das Eis so wichtig?

Klima, Eis und Meeresströmungen

Als das CryoSat-Projekt vor gut zehn Jahren konzipiert wurde, waren die Unsicherheiten und Wissenslücken in Bezug auf das Verhalten des polaren Eises noch sehr groß. So war beispielsweise nicht klar, wo es sich nur um die normalen Schwankungen der saisonalen Eisbedeckung von einem Jahr zum anderen handelte, und wo sich echte Anzeichen für langfristige Trends der Eisdicke manifestierten. Auch die Fakten und Trends im Klimawandel waren noch lange nicht so eindeutig wie jetzt.

Cryosat über arktischem Meereis © ESA/AOS Medialab

Die Helligkeit macht’s

Klar war aber auch damals schon, dass die eisbedeckten Regionen der Erde eine Schlüsselrolle für das Klima unseres Planeten spielen. Denn das Eis beeinflusst das Klimasystem der Erde auf vielfältige Weise. Ein bestimmter Anteil der durch die Erdatmosphäre auf die Erdoberfläche auftreffenden Sonnenstrahlung wird wieder in den Weltraum reflektiert. Wie groß dieser Anteil ist, hängt von der Helligkeit der Oberfläche ab. Schnee und Eis reflektieren rund 80 Prozent des einfallenden Sonnenlichts, sie besitzen eine hohe Albedo. Deshalb bleibt Eis, wenn es sich erst einmal gebildet hat, normalerweise bestehen. Wenn das Eis schmilzt und seine Fläche abnimmt, wird weniger Strahlung reflektiert und in der Folge an der Oberfläche mehr Wärme absorbiert. Dies führt zu einem selbstverstärkenden Effekt mit einer zunehmenden Erwärmung.

Jahr für Jahr durchlaufen die Polarmeere einen Zyklus aus Bildung und Schmelze riesiger Mengen von Meereis. Am Nordpol gefriert jeden Winter eine Fläche von der Größe Europas, um im folgenden Winter wieder zu verschwinden. Die Dicke des Meereises stellt einen zentralen Faktor für das polare

Klima dar. Das Eis isoliert das im Verhältnis warme Meerwasser gegen die kalte polare Luft und sorgt somit dafür, dass weniger Wärme aus dem Meer an die Atmosphäre abgegeben wird.

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Meereis auf dem Tiefpunkt

Seit dem Jahr 2000 ist die im Sommer mit Eis bedeckte Fläche des Nordpolarmeers drastisch zurückgegangen. Der Tiefpunkt wurde im September 2007 gemessen. Auch in den Jahren 2008 und 2009 war die Eisbedeckung sehr gering. So registrierten Satellitenaufnahmen am 12. September 2009 ein Minimum der Meereisbedeckung von 5,1 Millionen Quadratkilometern im Nordpolarmeer. Damit bestätigt sich die Entwicklung aus den letzten drei Jahren, dass die Eisausdehnung am Ende des Sommers nur noch etwa 70 Prozent des langfristigen Mittelwertes der Jahre 1979 bis 2000 beträgt.

„Der Anteil mehrjährigen dicken Eises ist inzwischen soweit zurückgegangen, dass die sommerliche arktische Meereisbedeckung sehr viel empfindlicher auf atmosphärische Anomalien reagiert als noch vor zehn oder zwanzig Jahren“, bilanziert Professor Rüdiger Gerdes, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut (AWI). Eine Rückkehr zu historischer Eisausdehnung von über sieben Millionen Quadratkilometern, wie sie bis Ende der 1990er Jahre regelmäßig auftrat, ist nicht zu erwarten.

Antrieb für die Strömungspumpe

Auch auf die Meeresströmungen haben die saisonalen Veränderungen der Meereismassen einen wesentlichen Einfluss. Wenn das Eis schmilzt, gelangt Süßwasser in das umliegende Meer und der Salzgehalt und somit die Dichte des Wassers nehmen ab. Umgekehrt nehmen Salzgehalt und Dichte des Wassers an der Meeresoberfläche zu, wenn das Meerwasser abkühlt und gefriert. Aufgrund seiner höheren Dichte sinkt das Oberflächenwasser nun ab. Wie eine Pumpe treibt es die

Strömungen in der Tiefe aus den Polargebieten in Richtung Äquator. Zum Ausgleich strömen an der Oberfläche wärmere, weniger dichte Wassermassen vom Äquator zu den Polen.

Der Golfstrom, der warmes Oberflächenwasser aus dem Golf von Mexiko nach Norden in das Gebiet östlich von Grönland transportiert, hat eine wesentliche Bedeutung für das gemäßigte Klima in Europa. Die Küstengewässer Europas sind deshalb etwa 4°C wärmer als in entsprechenden Breiten im Nordpazifik. Dieses warme Wasser vermischt sich mit dem es umgebenden Wasser, kühlt ab und sinkt, wenn es die Arktis erreicht, zum Meeresboden. Eine Störung dieser Zirkulation durch den

Rückgang der Meereismassen in der Arktis kann beträchtliche Auswirkungen auf die Stärke und Richtung des Golfstroms haben. Dies verdeutlicht, wie wichtig es für Prognosen über das künftige Klima Europas ist, die Veränderungen der arktischen Meereismassen besser zu verstehen.

Mit Radar-Altimetern gemessene Veränderungen der Höhenlage des Antarktischen Eisschildes. Ein beträchtlicher Rückgang ist im Bereich der Eisströme in Küstennähe zu beobachten. Die größten Verluste weisen die Gebiete um den Thwaites- und den Pine-Island-Gletscher in der Westantarktis auf. Die weißen Flächen an den Rändern des Kontinents und um den Pol zeigen, dass von früheren Satelliten keine zuverlässigen Daten vorliegen. Die schwarzen Linien stellen die Hauptabflussbecken dar. © ESA / Bingham et al.

Eisschwund auch in der Antarktis

Auch in Grönland und der Antarktis gibt es Hinweise auf Veränderungen der Eisbedeckung. Vor dem Jahr 2000 ging man davon aus, dass die zwei großen Eiskappen der Erde zumindest in ihrem Inneren weitgehend stabil sind. Heute weiß man, dass die Eiskappen aufgrund der Erwärmung der Meere ebenfalls abschmelzen – an ihrer Basis. So nimmt die Dicke des Pine-Island-Gletschers, eines großen Gletschers an der Küste der Westantarktis, pro Jahr um etwa 16 Meter ab. Satellitenaufnahmen dokumentieren außerdem das Aufbrechen des Wilkins Eisschelfs im Südwesten der antarktischen Halbinsel. Im April 2009 führten Risse im Eisschild zum Zusammenbruch einer Eisbrücke, die den Gletscher mit der vorgelagerten Charcot-Insel verband.

Neue Daten zur Veränderung der kontinentalen Eisdecken lassen einen Anstieg des Meeresspiegels in einer Größenordnung von 1,4 Meter bis zum Jahr 2100 erwarten. Diese Zahl wurde vom

Wissenschaftlichen Ausschuss für Antarktisforschung (Scientific Committee on Antarctic Research, SCAR) im Bericht zu den Folgen des Klimawandel und Umwelt der Antarktis („Antarctic Climate

Change and the Environment“) im Jahr 2009 genannt.

Eisdicke als entscheidender Parameter

Seit dem Fehlschlag der ersten CryoSat-Mission vor fünf Jahren hat sich der Klimawandel als Realität entpuppt und an einem langfristigen Trend hin zu einem Schwund des polaren Eises besteht kein Zweifel mehr. Jetzt geht es vielmehr darum zu erfahren, wie stark und wie schnell das Eis schmilzt. Daten werden daher gebraucht sowohl über die Entwicklung des Meereises als auch über die Eisdecken der Kontinente. Ein Rückgang des Meereises lässt sich auch mit anderen Satelliten wie beispielsweise Envisat bereits im Detail beobachten. Doch wenn es darum geht, aus der Eisfläche das Volumen des Eises abzuleiten, brauchen die Glaziologen Informationen über die Eisdicke – Informationen, die nur CryoSat liefern kann.

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Nadja Podbregar
Stand: 07.04.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

CryoSat: Mission ins Eis
Ein Satellit vermisst die Eisbedeckung unseres Planeten

Facts
Cryosat-2 in Kürze

CryoSat 1: der Fehlschlag
Der erste Anlauf im Jahr 2005

Warum ist das Eis so wichtig?
Klima, Eis und Meeresströmungen

CryoSat-2: Rückwärts in die Umlaufbahn
Der Start und der Ablauf der Mission

Wie funktioniert CryoSat?
Das Prinzip der Eisdickenmessung mit dem SAR

Eine Frage der Position
Die Flugbahn und die „Eigenwahrnehmung“ des Satelliten

Diaschauen zum Thema

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