Der Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik ist einzigartig, er ist aber beileibe kein Einzelfall. Dies hat sich spätestens im Februar 2010 gezeigt. Denn auf dem Ocean Sciences Meeting in Portland im US-Bundesstaat Oregon meldeten sich Wissenschaftler um Kara Lavender Law von der Sea Education Association (SEA) mit neuen Erkenntnissen zu Wort.
Neue Müllkippe in der Sargassosee
Und diese haben es in sich. In einer seit 20 Jahren laufenden Studie konnten sie einen Müllstrudel im Atlantik identifizieren, der dem Great Pacific Garbage Patch verblüffend ähnelt – sowohl was seine Größe als auch die Zusammensetzung betrifft. Von den insgesamt 6.100 Proben, die mithilfe von feinmaschigen Schleppnetzen in der Karibik und im Nordatlantik gewonnen wurden, war nach Angaben der Forscher mehr als der Hälfte mit Plastikteilen verunreinigt – vor allem winzige Partikel von bis zu einem Zentimeter Größe.
Doch das war noch längst nicht alles. Wie Law weiter berichtete, stießen die Forscher ziemlich weit nördlich im Atlantik auf eine Region, in der der Abfall nicht nur hochkonzentriert, sondern auch zeitlich sehr beständig zu finden ist. „Mehr als 80 Prozent des Plastiks, die wir bei den Schleppnetzaktionen gesammelt haben, fanden wir zwischen 22° und 38° nördlicher Breite“, erläutert Law.
200.000 Plastikteile pro Quadratkilometer
Das Gebiet gehört zur Sargasso-See, einem Areal, das nordatlantische Meeresströmungen wie Kanarenstrom, Nordatlantikstrom oder Golfstrom im Uhrzeigersinn umkreisen. Relativ windstill ist es hier und es gibt nur schwache Wasserbewegungen – perfekt für die Bildung eines Müllteppichs.
Die höchste Kunststoffdichte betrug nach Angaben der Meeresforscher erstaunliche 200.000 Plastikteile pro Quadratkilometer – von der weggeworfenen Folie oder Tupperdose bis hin zu den kleinen Plastikkügelchen, den Grundbausteinen vieler Kunststoffprodukte.
Müll-Mahlstrom gibt Rätsel auf
Doch noch gibt es – ähnlich wie beim Great Pacific Garbage Patch – auch viele Rätsel um den „neuen“ Müll-Mahlstrom zu lösen. So können die Forscher heute die tatsächliche Ausdehnung auch hier nur ansatzweise schätzen. Und auch die Wege des Abfalls in den Strudel sind nicht im Detail bekannt. Ebenfalls noch klären müssen die Ozeanografen, welche Auswirkungen der Plastikmüll auf die Ökosysteme des Meeresgebiets hat.
Aber vielleicht sehen die Wissenschaftler schon bald ein bisschen klarer. Denn die nächste Expedition in das Krisengebiet ist längst geplant. Losgehen soll es voraussichtlich im Juni 2010. Auf der rund fünfwöchigen Fahrt mit dem Forschungsschiff Corwith Cramer soll es dann in eine bisher nicht untersuchte Region südöstlich der Bermuda-Inseln gehen.
Law und ihre Kollegen glauben, dass dieses Gebiet ebenfalls stark mit Plastikmüll verseucht ist. Beweise dafür, dass diese These stimmt, wollen sie auf ihrem mehrere tausend Kilometer langen Trip finden, der sie auch ins berüchtigte Bermuda-Dreieck führt.
Schwarze Löcher der Ozeane
Doch gibt es in den Weltmeeren noch mehr solcher Flecken, in denen sich längst Müllstrudel gebildet haben könnten? Ja, sagen Wissenschaftler um Nikolai Maximenko von der Universität von Manoa.
Mithilfe von Computersimulationen basierend auf einem Modell der Meeresströmungen haben sie mittlerweile weitere potenzielle Krisengebiete identifiziert. Alle befinden sich in Regionen, wo die Meeresströmungen ausgesprochen schwach sind. „Einige dieser Flächen sind vermutlich wie Schwarze Löcher“, so Maximenko im Jahr 2009. „Was einmal darin gefangen ist, wird niemals wieder entkommen.“
Zwei der Müllstrudel-Kandidaten liegen in der Nähe von Südamerika. Einer könnte sich westlich von Zentralchile im Pazifik drehen, der andere erstreckt sich vielleicht von Argentinien quer über den Atlantik bis fast nach Südafrika hin. Bisher jedoch liegen nach Angaben von Maximenko noch keine gesicherten Untersuchungen zu den Abfallmengen in diesen Regionen vor.
Dieter Lohmann
Stand: 19.03.2010