Erdrosselte Robben, Schildkröten mit tödlicher Verstopfung und jede Menge Umweltgifte in der Nahrungskette: Der Plastik-Boom in den Meeren hat sich längst zu einem ökologischen Dilemma für Mensch und Natur entwickelt. Doch was kann man tun, damit der Zivilisationsmüll dort wieder verschwindet? Und wie verhindert man, dass anschließend immer neues Plastik in den Ozeanen landet? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Wissenschaftler und Umweltschützer schon seit längerem – bisher allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.
Abschöpfen oder absperren?
Denn klar ist: Einfache und schnelle Patentlösungen gibt es nicht. So ist ein simples Abschöpfen der Plastiksuppe etwa mit extrem feinmaschigen Netzen heute nicht einmal ansatzweise möglich. Dazu sind die Müllmengen in den Ozeanen nicht nur viel zu groß, es würden dabei auch unzählige Tiere wie Krebse oder Plankton mit entsorgt, die längst die neue Plastikwelt im Meer als Lebensraum erobert haben. Und die Kapazitäten den geborgenen Abfall fachmännisch zu entsorgen existieren auch nicht.
Als ebenso wenig realisierbar gilt unter Experten auch ein anderer Vorschlag: „Sperren“ oder andere Rückhaltemethoden an den Flussmündungen, die den im Wasser mitgeführten Plastikmüll abfangen. Dies scheitert nicht nur an der notwendigen Technik, sondern auch an den Behinderungen, die das für den internationalen Schifffahrtsverkehr mit sich bringen würde.
Kleinvieh macht auch Mist
Doch was dann? Zunächst einmal müssten nach Ansicht vieler Experten die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Meere konsequenter überwacht und Zuwiderhandlungen drastisch bestraft werden. Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ werden in vielen Ozeananrainerstaaten zudem regelmäßig Strandsäuberungen durchgeführt.
Auf ein ähnliches Prinzip mit Hilfe von Fischern setzt ein Pilotprojekt der Meeresschutzorganisation GreenOcean. Sie kauft in den italienischen Städten Calambrone und Livorno Fischern ihren „Plastik-Beifang“ ab, der dann anschließend ordnungsgemäß entsorgt wird. Die Naturschützer wollen so verhindern, dass die Fischer Kunststoffabfälle, die sich in ihren Netzen befinden, noch auf hoher See wieder über Bord werfen.
Nicht mehr als der „Tropfen auf den heißen Stein“
Doch solche Maßnahmen wie von GreenOcean erscheinen vielen zwar sinnvoll und hilfreich, aber sie sind bei den im Meer vorhandenen Müllmengen eben doch nur der berühmte „Tropfen auf den heißen Stein“. Sie packen zudem das Übel nicht bei der Wurzel, sondern doktern lediglich an den Symptomen herum. Viel wichtiger wäre es die Kunststoffproduktion nachhaltiger zu gestalten und parallel dazu das Plastikrecycling weltweit zu fördern.
Hoffnungsträger biologisch abbaubare Kunststoffe
Viele Hoffnungen ruhen beispielsweise auf biologisch abbaubaren Kunststoffen. Babyschnuller, Spoiler, Zahnbürsten, Plastiktüten oder Tupperdosen, die relativ schnell von selber verrotten oder kompostierbar sind: Das hätte was und würde auch das Müllproblem in die Meeren sicher gravierend verringern. Doch noch sind bei der Herstellung von leistungsfähigen umweltfreundlichen Kunststoffen zahlreiche Hindernisse zu überwinden.
Zwar gibt es beispielsweise längst Mulchfolien aus bioabbaubarem so genannten PLA-Blend Bio-Flex, bei vielen anderen Plastikerzeugnissen muss die Umweltfreundlichkeit jedoch mit schlechteren Materialeigenschaften erkauft werden. Auch deshalb hinkt die Weltproduktion an biologisch abbaubaren Kunststoffen hinter der von Standardkunststoffen hinterher. Gerade mal 300.000 Tonnen waren es beispielsweise im Jahr 2007. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum wurden 240 Millionen Tonnen herkömmliche Plastikprodukte erzeugt.
Moore als Vorkämpfer
Bis das Müllproblem in den Meeren gelöst werden kann, wird es deshalb wohl noch eine Weile dauern. Noch hapert es in der Industrie und bei vielen Politikern an der nötigen Einsicht und dem Willen. Vielleicht helfen ja Apelle wie die von Charles J. Moore dabei, die Menschheit wachzurütteln: “Nur die Beseitigung der Quelle des Problems kann zu einem Ozean frei von Plastik führen. […] Der Kampf, die Art und Weise zu verändern wie wir Plastik produzieren und konsumieren, hat gerade erst begonnen, doch ich glaube es ist wichtig ihn jetzt zu führen.”
Und er sagt auch warum: „Die Mengen an Plastikteilen beispielweise im Pazifik haben sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht und eine zehnfache Steigerung in der nächsten Dekade ist nicht unwahrscheinlich. Dann würde 60 Mal so viel Kunststoffmüll wie Plankton im Meer treiben.“
Dieter Lohmann
Stand: 19.03.2010