Zwischen Hawaii und der kalifornischen Küste liegt das „White shark café”, ein Versammlungsort der besonderen Art. Jeden Winter legen Weiße Haie aus verschiedenen Gegenden des Pazifiks lange Wanderungen zurück, um sich hier für ein halbes Jahr zu versammeln. Männchen und Weibchen schwimmen umher und tauchen dabei mehrfach, manchmal alle zehn Minuten, bis in Tiefen von 300 Metern ab – warum, weiß bisher niemand so genau. Denn eigentlich ist dieser Bereich des Pazifiks eine „blaue Wüste“, für die Haie gibt es hier so gut wie kein Futter.
Verfolgung per Satellit
Dass dieser Versammlungsort überhaupt existiert, erfuhren die Wissenschaftler des Census-Projekts „Tagging of Pacific Predators“ (TOPP) letztlich von den Haien selbst, denn diese trugen spezielle Instrumente, so genannte „Biologger“ mit sich. Sie können Daten zur Umgebung und zum Zustand des Tieres messen und sie über Funk an Satelliten weitergeben. Die so genannten SPOTs (Smart Position and Temperatur Tags) beispielsweise erfassen Wassertemperatur und die Position des Tieres. Jedesmal, wenn der Hai auftaucht, werden die Daten an einen Empfängersatelliten gesendet. Solche Biologger sind besonders gut dafür geeignet, die Wanderungsbewegungen von großen Meeressäugern oder anderen Tieren zu erforschen, die zum Atmen an die Oberfläche kommen.
Überwinternde Lachshaie und das große Schildkrötenrennen
SPOT-Tags verhalfen den Census-Wissenschaftlern beispielsweise aber auch zu der überraschenden Erkenntnis, dass Lachshaie, kleinere Verwandte der „großen Weißen“, nicht etwa im Winter aus den gefrierenden Gewässern der hohen Arktis flüchten, wie bisher angenommen. Stattdessen bleiben sie im hohen Norden des Pazifiks und jagen unter der Eisdecke nach ihrer fischigen Beute.
Ein echtes „Schildkrötenrennen“ lieferten sich elf mit Satellitensendern ausgerüstete Lederschildkröten, die die Forscher von ihren Futtergebieten im kanadischen Nordatlantik bis zu den Brutgebieten in der Karibik verfolgten. Die Kenntnis der Wanderungsbewegungen könnte sich als entscheidend erweisen, um das Überleben der vom Aussterben bedrohten Art zu sichern. Als eine der Zielstrebigsten im „Turtle-Race“ erwies sich Backspacer, ein Weibchen, das am weitesten im Norden, vor der Küste von Neufundland, startete. Innerhalb von nur 14 Tagen legte das 1,50 Meter lange und rund 375 Kilogramm schwere Tier gewaltige 6.268 Kilometer zurück.
Die Daten der Sender enthüllten aber auch, dass die Schildkröten zwischen zwei Atemzügen deutlich länger als die normalen zehn bis 15 Minuten unter Wasser bleiben können. Die Rekordhalter unter ihnen wie „Cali“ oder „Lindblad the Explorer“ tauchten im Laufe ihrer Reise sogar mehr als hundert Mal länger als eine Stunde ab. Sie erreichten dabei Tauchtiefen von mehr als 800 Metern.
Selbst auftauchende Minisender
Beim Weißen Hai allerdings funktionieren die normalen Satellitensender nur eingeschränkt. Da er mit Kiemen atmet, kommt er wesentlich seltener an die Oberfläche, entsprechend lückenhaft sind die Daten. Doch auch hier haben die Census-Forscher eine Lösung gefunden: die „Pop up Archiv Tags“ (PAT). Diese zigarrengroßen Geräte zeichnen kontinuierlich auf, in welchen Umweltbedingungen und in welcher Wassertiefe sich die Tiere bewegen, außerdem erfassen sie auch die geographischen Koordinaten und damit die ungefähre Position des Tieres. Diese gesammelten Daten werden dauerhaft gespeichert.
Der Clou jedoch: Die Geräte bleiben nur über eine bestimmte Zeit am Tier befestigt – 30, 60, 90 oder 180 Tage. Danach löst sich das Pop Up Tag und steigt zur Oberfläche auf. Hier funkt es zwei Wochen lang seine Daten und die Position an Argos-Satelliten in der Erdumlaufbahn. Erst die Kombination von SPOT- und PAT-Tags machte es schließlich möglich, die Wanderungsbewegungen und das Schwimm- und Tauchverhalten der Weißen Haie detailliert zu erkunden. Sie verrieten den Forschern auch die Lage des geheimnisvollen „White Shark Cafés“.
Tierische Helfer als Zukunftsmodell
„Wir haben jetzt nicht nur eine bessere Vorstellung der Verteilung von Arten, die an Ort und Stelle bleiben, wir nähern uns auch einem globalen Bild der Bewegungen der Tiere, ob sie in Strömungswirbeln pendeln oder 8.000 Kilometer weite Reisen über Ozeane hinweg vollführen“, erklärt Census-Forscher Ron O’Dor von der kanadischen Dalhousie Universität.
Mit den dank des technischen Fortschritts immer kleineren und leistungsfähigeren Instrumenten und ihren Batterien könnten in Zukunft auch noch viele weitere Tierarten erkundet werden. Sie leisten wertvolle Hilfe überall dort, wo die Meeresforschung durch Schiffe und Expeditionen immer nur einen zeitlich begrenzten Schnappschuss aus dem Leben der Meeresorganismen liefern kann. „Man kann sich eine ganze Armada tierischer Beobachter vorstellen, wie sie – mit den aktuellsten, am höchsten entwickelten Biologgern ausgestattet – in den Meeren herumschwimmen, ihr Leben leben und gleichzeitig passiv unser Wissen über das Meer fördern“, so die Vision der Census-Forscher um Darlene Crist im Buch „Schatzkammer Ozean“.
Nadja Podbregar
Stand: 26.02.2010