Die Vorgaben der Klimaforscher könnten eindeutiger und klarer nicht sein: Nur wenn es gelingt, die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre bei rund 450 parts per million (ppm) zu stabilisieren, kann die globale Erwärmung auf 2 bis 2,4°C begrenzt werden. Dieses so genannte Zwei-Grad-Ziel gilt als der Wert, bei dem es gerade noch möglich ist, die Folgen des Klimawandels wirtschaftlich und sozial abzufedern. Steigen die Temperaturen höher, werden Stürme, Dürren und Überschwemmungen viele Regionen so schädigen, dass die Kosten kaum mehr zu bezahlen sind – schon gar nicht von den Entwicklungsländern, die von den meisten Klimafolgen am stärksten betroffen sind.
Schon zwei Grad machen den Unterschied
„Zwei Grad klingt nicht viel, es ist aber der Unterschied zwischen dem mediterranen Klima in Mailand und dem Regionalklima in Berlin“, erklärte der Physiker Hans Joachim Schellnhuber, Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) dieser Tage gegenüber der dpa. „Bereits zwei Grad sind ein fauler Kompromiss mit der Natur. Die meisten Gletscher verschwinden, mächtige Flüsse werden zeitweise und möglicherweise langfristig ganz austrocknen, was Hungersnöte zur Folge hätte. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte der Meeresspiegel um einen, im ungünstigsten Fall sogar um zwei Meter ansteigen.“
Und jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass der Menschheit nur noch ein begrenztes Budget an CO2-Emissionen zur Verfügung steht, wenn die kritische Grenze von 2°C über vorindustriellem Niveau nicht überschritten werden soll. Für eine Zwei-Drittel-Chance, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten, dürften insgesamt nur noch 750 Milliarden Tonnen CO2 aus fossilen Quellen in die Atmosphäre gelangen. Ausgehend von heutigen Emissionen wäre dieses Budget bereits in 25 Jahren ausgeschöpft, angesichts weiter steigender Emissionen vermutlich noch deutlich früher. Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen muss daher bis 2050 um deutlich mehr als die Hälfte gegenüber 1990 reduziert werden, soll das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden. Die Industrieländer wären sogar gefordert, ihre Emissionen um mindestens 80 Prozent zu senken.
Zeitfenster nur noch bis 2020
Und die Zeit läuft: Wenn nicht bis 2020 eine Trendumkehr der globalen Treibhausgas-Emissionen erfolgt, schließt sich das Handlungsfenster ganz und schwerwiegende Klimafolgen lassen sich nicht mehr vermeiden. Das hat eine Studie des PIK im November 2009 erneut bestätigt. Selbst wenn die Emissionen schon ab 2015 sinken würden, bedeutet dies eine notwendige Emissionsminderung von fünf Prozent pro Jahr.
„Jetzt gilt es, eine Brandschutzmauer zu errichten“, betont dazu Schellnhuber. „Wir stehen an einer Zeitenwende, es zählt wirklich jedes einzelne Jahr.“ Ähnlich dringend machte es das Fazit des 2006 veröffentlichten Berichts des britischen Wirtschaftsexperten Nicolas Stern, der damals die Kosten für Klimawandel und Klimaschutz erstmals umfassend dargelegt hatte: „Schwaches Handeln in den nächsten zehn bis 20 Jahren könnte selbst eine Stabilisierung des CO2-Gehalts bei 550 ppm außer Reichweite bringen – und schon diese Konzentration ist mit schwerwiegenden Risiken verbunden.“
Die United Nations Convention on Climate Change (UNFCC), das Gremium der Klimarahmenkonvention und damit Veranstalter des Klimagipfels, konstatiert: „Um die Menschheit in eine tragfähige und gerechte Zukunft zu führen, muss ein ehrgeiziger neuer Vertrag in diesem Jahr beschlossen werden.“ Denn nur dann hätten die nationalen Regierungen noch genügend Zeit, um die Maßnahmen für die Zeit nach 2012 – dem Ablauf des Kyoto-Protokolls – vorzubereiten.
Nadja Podbregar
Stand: 10.12.2009