Bartók, Beethoven oder Brahms? Der Computer von Wolfram Bunk kennt die Antwort – denn der Physiker vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München hat gemeinsam mit einigen Kollegen aus einem gewöhnlichen Apple-Notebook einen Experten für Musik gemacht.
Audio-Fingerprinting heißt die Technologie, der man sogar bei der Arbeit zusehen kann: Sobald Wolfram Bunk ein Musikstück aus dem Speicher des Computers abruft, startet die Analyse, und der Bildschirm füllt sich mit Leben. Farbflächen in verschiedenen Rottönen auf dem Monitor stehen dabei für klassische Komponisten wie Beethoven, Mozart und Vivaldi, aber auch Rockmusiker wie Peter Gabriel und Bands wie Genesis und Pink Floyd.
Vom Farbenspiel zum Erkennen
Kaum hat die Musik begonnen, beginnen weiße Balken über den roten Flächen ihren analytischen Tanz: Je höher der Ausschlag ist, desto typischer ist ein Stück für einen bestimmten Künstler. Es dauert nicht lange, bis ein Balken dominiert und die anderen immer kleiner werden – der Computer ist offensichtlich fündig geworden. „Nach einer etwa 30-sekündigen Hörprobe erkennt das System den Komponisten in rund 90 Prozent der Fälle“, erklärt Bunk. In diesem Fall lautet seine Diagnose: Beethoven. Stimmt genau!
Beim Audio-Fingerprinting spielen Musik und Mathematik zusammen, die ja schon seit Pythagoras als eng miteinander verwandt gelten. Der griechische Philosoph dachte über musikalische Intervalle und einfache Zahlenverhältnisse nach. Bunk hat mit seinen Kollegen Thomas Aschenbrenner und Roberto Monetti vom Garchinger Max-Planck-Institut eine Methode entwickelt, mit der sich aus Musikstücken charakteristische Eigenschaften extrahieren lassen – ähnlich den Fingerabdrücken, die typisch für einen Menschen sind. Für die Analyse werden 0,1 Sekunden lange Abschnitte der Musikstücke in ihre Frequenzen – ihr Spektrum – zerlegt und auf typische Merkmale hin untersucht.
Spektren als „Fingerabdruck“
„Als Ergebnis werden jedem Stück bis zu zehn repräsentative Spektren zugeordnet“, so Bunk. „Soll das System nun eine neue Komposition erkennen, berechnet der Computer auch für dieses Werk die Klangmerkmale in Echtzeit.“ Gleichzeitig werden in der Datenbank des Computers Ähnlichkeiten gesucht, mit dem das System ein unbekanntes Stück einem Komponisten zuordnet. Wegen der Kürze der prototypischen Spektren fallen nur geringe Datenmengen an, und der Computer braucht nur sehr wenig Zeit, um den Komponisten zu erkennen.
„Dass das System verschiedene Komponisten auseinanderhalten kann, liegt wahrscheinlich an der typischen Instrumentierung und anderen Klangmerkmalen der einzelnen Komponisten“, glaubt Bunk. „Melodien spielen hierbei keine Rolle, da die Analyse auf einer Zeitskala unterhalb der Melodiebildung aufsetzt.“ Die analysierten Audio-Schnipsel sind schlicht zu kurz, um Rückschlüsse auf die Melodie zuzulassen.
Die große Kunst besteht darin, die richtigen Repräsentanten für ein Musikstück auszuwählen. „Zufällig ausgewählte Spektren enthalten in der Regel nicht die notwendige Information“, sagt Bunk. „Notwendig ist vielmehr ein Verfahren, um die besten Fingerprints zu identifizieren.“ Hier kommt die Kompetenz der Garchinger Forscher ins Spiel – denn die Astrophysik verwendet für die Interpretation von gemessenen Daten ausgeklügelte Methoden der Datenanalyse und Statistik.
Christian Buck/ MaxPlanckForschung
Stand: 20.11.2009