Stahl besteht zum großen Teil aus Eisen. Seine unterschiedlichen Eigenschaften erhält er unter anderem durch Zugabe, Legieren, verschiedener Metalle wie Mangan, Nickel und Chrom. So
entstehen rostfreie Stähle, hoch- oder gar höchstfeste Stähle – der richtige Werkstoff je nach Anwendung.
Doch noch nicht ausgereizt
An Stähle für Karosserien stellen die Autohersteller besondere Anforderungen. Sie sollen stabil genug sein, um das Gewicht des Fahrzeugs zu tragen, ohne sich zu verformen oder zu schwingen. Sie sollen starr genug sein, um die Insassen bei einer Kollision wie eine Schutzhülle zu umgeben, zugleich sollen sie sich beim Unfall kalkulierbar verformen, um die Aufprallenergie zu schlucken. Zwar lassen sich nicht alle Eigenschaften mit einem einzigen Werkstoff erreichen, aber die Stähle aus den Düsseldorfer Max-Planck-Laboren sind wahre Multifunktionswerkstoffe, die immerhin einige Funktionen übernehmen.
„Vor wenigen Jahren noch ging die Fachwelt davon aus, dass die Eigenschaften von Stählen bereits weitgehend ausgereizt sind“, sagt Frommeyer. „Durch Zulegieren anderer Elemente ließen sich bereits eine Vielzahl von Funktionen einstellen.“ Die Max- Planck-Forscher waren aber davon überzeugt, dass sich aus dem altbewährten Werkstoff noch mehr herausholen lässt – zunächst nur aufgrund theoretischer Überlegungen und ihrer
langjährigen Erfahrung.
Kristallgitterstrukturen entscheidend
Die Eigenschaften verschiedener Stähle hängen zum einen von ihren Kristallgitterstrukturen ab, also der räumlichen Anordnung der Atome in den winzigen Kristallen, dich sich beim Abkühlen einer Schmelze bilden. Zum anderen werden die Qualitäten von dem Gefüge bestimmt, das die Kristalle bilden und das seinerseits von deren Struktur abhängt. Durch Zugabe der Legierungselemente bilden sich bestimmte Kristallstrukturen bevorzugt aus. Werkstoffforscher sprechen von energetisch begünstigten Kristallgitterstrukturen. So lässt sich der Charakter des Stahls feinjustieren.
Welche Kristallstrukturen energetisch günstig sind, verraten den Forschern thermodynamische Berechnungen. Daraus folgerten sie, dass sich für die Entwicklung der neuen Leichtbaustähle vor allem eine Kombination aus Mangan, Silizium und Aluminium eignen müsste. Zum einen sind diese Elemente leichter als Eisen, zum anderen zwingen sie das Kristallgitter in bestimmte Strukturen: Eisen kann zwischen verschiedenen Kristallanordnungen wechseln.
Kuben, Würfel und Hexagone
So gibt es eine kubisch flächenzentrierte Anordnung – die von Fachleuten auch als Austenit bezeichnet wird. Die Eisenatome sitzen hier auf den Ecken des Kristallgitterwürfels, und zusätzlich besetzt je ein Atom die Mitte jeder Würfelfläche. Des Weiteren existiert die kubisch raumzentrierte Variante. Hier ordnen sich die Eisenatome wiederum auf den Würfelecken an. Zusätzlich findet eines im Zentrum des Würfels Platz. Im hexagonalen Typ verteilen sich die Eisenatome in Sechseck-Form.
Sowohl die kubisch raumzentrierte als auch die hexagonale Form werden auch als Martensit bezeichnet. Je nachdem wie groß die Gehalte der einzelnen Legierungselemente – der fremden Atome im Kristallgitter – sind, verändert sich das Kristallgitter und somit der Charakter des Stahls.
Tim Schröder/ MaxPlanckForschung
Stand: 06.11.2009