Tiger sind es. Jaguare und Pumas auch. Und der in Europa heimische Luchs und die Hauskatzen sowieso: Alle diese Tiere sind Einzelgänger und leben ihr Dasein über weite Strecken des Jahres allein. Nur zur Paarungszeit suchen sie den Kontakt zu ihren Artgenossen – meist nur für wenige Tage oder Wochen.
Ausnahmen von dieser Regel sind bei den Katzen relativ selten: Vor allem Löwen sind dafür bekannt in Rudeln zusammen zu leben und gemeinsam auf Jagd zu gehen oder in „Gangs“ die Gegend unsicher zu machen.
Hilfe oder Toleranz?
Doch wie war das bei den Säbelzahnkatzen? Gab es auch bei ihnen innerartliche Rudel oder strichen sie bis zu ihrem Aussterben vor rund 10.000 Jahren allein durch die Wälder und Steppen? Lange Zeit waren diese Fragen unter Wissenschaftlern heftig umstritten. Für die Gruppentheorie sprachen unter anderem zahlreiche Smilodon-Skelette, die in den kalifornischen Teergruben von Rancho La Brea gefunden wurden.
„Viele dieser Fossilien tragen Spuren einer Krankheit oder sogar Lahmheit, was belegt, dass es unwahrscheinlich ist, dass diese Tiere selbst aktiv gejagt haben. Dass Krankheiten oder Verletzungen verheilt sind, belegt, dass kranke oder verletzte Dolchzahnkatzen von ihrer Gruppe unterstützt oder dass sie beim Fressen an der Beute geduldet wurden“, erklärt der Niederländer Kees van Hooijdonk. Aber konkrete Beweise für diese Theorie gab es bis vor kurzem nicht.
Smilodons lebten und starben in Gruppen
Doch seit dem Jahr 2008 sehen Paläontologen und Biologen endlich klarer. Verantwortlich dafür sind Forscher um Blaire Van Valkenburgh, Professorin für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Universität von Kalifornien und Chris Carbone von der Zoologischen Gesellschaft London. Sie konnten zeigen: Zumindest Smilodons waren vermutlich tatsächlich soziale Tiere.
Statt fossiler Zähne und Knochen nutzten die Wissenschaftler eine ungewöhnliche neue Technik, um auf das Verhalten der Säbelzahnkatzen rückzuschließen. Sie verglichen die Daten von den uralten Fossilfunden in Rancho La Brea mit den Ergebnissen von neuen „Playback Experimenten“, die das Forscherteam extra für die Studie in Afrika durchführte.
Ungewöhnliche Soundexperimente
Bei letzteren simulierten sie zunächst das Eiszeitszenario an den Teerlöchern in der Savanne: Über Lautsprecher beschallten die Wissenschaftler die Landschaft mit den zuvor aufgenommenen Lauten von in Not geratenen und verendenden Tieren. Ergänzend dazu spielten sie aber auch das Brüllen von Löwen sowie die Geräusche von anderen Fleischfressern wie Hyänen ein. Ziel des Experiments war es herauszufinden, ob durch diesen ohrenbetäubenden Soundmix überproportional viele soziale Raubtiere angelockt werden. Und genau dies war nach Angaben der Forscher auch der Fall.
In einem zweiten Schritt wurden die ermittelten Zahlen dann mit den vorliegenden Fossiliendaten aus La Brea verglichen. Ergebnis: Es gab verblüffende Übereinstimmungen, was das Verhältnis von sozialen zu anderen Raubtieren betraf. Aber es passte nur unter einer Bedingung: Wenn man davon ausging, dass die Smilodons keine Einzelgänger waren, sondern in Gruppen auf Beutejagd gingen.
Arbeitsteilung am Kadaver?
„Es macht absolut Sinn, dass soziale Arten an Kadavern überwiegen – heute und in der Vergangenheit“, so Van Valkenburgh. „Warum sollte man sich freiwillig einer Situation aussetzen, in der man wahrscheinlich auf gefährliche Konkurrenten trifft, ohne ein paar ‚Freunde‘ an seiner Seite zu haben?“
Den gleichen Gruppenvorteil hätten auch alle anderen Aasfresser einschließlich der frühen Menschen gehabt, so die Forscherin weiter. Letztere begannen, soweit man heute weiß, vor rund zwei Millionen Jahren mehr Fleisch zu essen, einiges davon stammte höchstwahrscheinlich von verendeten Lebewesen.
Mysterium enträtselt
Carbone ergänzt: „Die ausgestorbene Säbelzahnkatze Smilodon fatalis war ein einziges Mysterium, so gut wie nichts wusste man über ihr Verhalten. Unsere Forschung erlaubt es uns, aus dem Verhalten ihrer heute lebenden Verwandten zu schlussfolgern, dass die ausgestorbene Katze eher in beeindruckenden Banden herum streiften, als als geheimnisvolle Einzelwesen.“
Diese neue Erkenntnis haben die Macher der Ice Age-Filme offenbar unbewusst vorweg genommen. Denn auch die Säbelzahnkatze Diego ist zumindest im ersten Teil der Ice Age-Trilogie Teil eines Rudels, das es auf das von Sid und Manni beschützte Menschenkind abgesehen hat – vergeblich, auch dank Diegos Wandel vom Bösewicht zum Guten.
Stand: 07.08.2009