Mitte der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts soll es gewesen sein: Seit Wochen sind Robert Pershing Wadlow und sein Vater schon in den Vereinigten Staaten unterwegs. Auf der Suche nach einem geeigneten Hersteller für Schuhe haben sie mehr als 300.000 Meilen zurückgelegt. Robert sitzt im hinteren Teil des Autos. Sein Vater hat den Beifahrersitz entfernen lassen, so dass sein Sohn während der Fahrt die Beine ausstrecken kann. In Batesville finden sie endlich, wonach sie suchen: ein Paar Schuhe, einen guten halben Meter lang.
Bis heute ist Robert der größte Mensch, der in der Medizingeschichte dokumentiert wurde. Während seine vier Geschwister normal groß waren, trug Robert mit fünf Jahren die Kleidung eines 17-Jährigen, mit 22. Jahren war er bereits 2,72 Meter groß. Jeder seiner Füße maß 47 Zentimeter, und in seinen Händen, die vom Handgelenk bis zur Spitze des Mittelfingers jeweils 32,3 Zentimeter lang waren, erschien eine Teetasse wie zierliches Puppengeschirr.
Die Ärzte diagnostizierten bei Robert den seltenen Riesenwuchs, dessen Ursache in der Hirnanhangsdrüse an der Schädelbasis lag. Dort hatte sich bei Robert ein Hypophysenadenom, ein gutartiger Tumor, gebildet, der das Wachstumshormon Somatotropin im Überfluss produzierte. Dieses Hormon ist für das normale Längenwachstum des Menschen unbedingt notwendig.
Roberts Knochen wuchsen durch den hormonellen Überschuss jedoch so rasant, dass sie die Last seines Körpers von einer bestimmten Größe ab nicht mehr stützen konnten – er musste Beinschienen tragen. Als Robert 22 Jahre alt war, verursachte die Schiene an einem seiner Knöchel eine schwerwiegende Entzündung, an der er wenige Tage später, am 15. Juli 1940, starb. Heutzutage korrigieren Mediziner solche Wachstumsfehler, indem die Betroffenen Hormonpräparate einnehmen, die dem überproportionalen Wachstum entgegensteuern.
Katja Reuter / einblick – Die Zeitschrift des Deutschen Krebsforschungszentrums
Stand: 31.07.2009