Bei der Vermessung des Baikalsees kommt es jedoch nicht nur auf Rekorde und Extremtiefen an. Vielmehr interessiert Wissenschaftler auch der Gesamtüberblick über den Seeboden des Baikals. Denn nur wenn man auch die unter Wasser liegende Morphologie kennt, können letztlich Strömungsverhältnisse, Wasseraustauschprozesse und mit ihnen die Entwicklung der Lebensformen im Baikal verstanden werden.
Vorreiter im 18 Jahrhundert
Schon im Jahr 1798 begannen die Bergbau-Ingenieure Jegor Kopylow und Sergej Smetanin den Seeboden des Baikals zu vermessen. Zwischen der Stelle, an der die Angara den Baikalsee wieder verlässt, und dem Serenga-Delta am gegenüberliegenden Ufer sammelten sie an 28 Messstellen Daten von der Tiefe des Seebodens. Eine dieser Messungen ergab die Tiefe von 1.238 Metern, was den Baikalsee zur damaligen Zeit zum zweittiefsten Gewässer der Erde machte.
1925 initiierte die Russische Akademie der Wissenschaften ein Langzeit-Projekt, bei dem der Boden des Baikals komplett vermessen werden sollte. Bei dieser Messreihe wurde auch der unterseeische Bergrücken „Akademicheskij krebet“ entdeckt, der sich von der Insel Olchon am Westufer weiter in Richtung Nordosten zieht und eine vom Wasser überdeckte Fortsetzung der an der Bruchzone entstandenen Berge rund um den Baikalsee darstellt.
Außerdem legten die Forscher damals den mit 1.637 Metern tiefsten Punkt des Seebodens fest. Auf dem Limnologischen Kongress in Rom im Jahr 1934 konnte aufgrund dieser Daten erstmals eine bathymetrische Karte des Baikalsees veröffentlicht werden.
Grundlage der Karte sind Tiefenmessungen mit Echoloten, Geräten, die Schallwellen von Schiffen aussenden und registrieren, wie lange es dauert, bis der Schall „zurückkommt“, also vom Seeboden reflektiert wird. Aus dieser Zeit können die Wissenschaftler dann errechnen, wie weit der Seeboden an dieser Stelle vom Wasserspiegel entfernt und damit, wie tief der See ist.
Geheime Daten für die Wissenschaft
Noch heute bedienen sich Geologen dieser Methode, so auch ein Team von Hydrologen, Geophysikern und Geologen, das im Jahr 2002 die bis heute aktuellste bathymetrische Karte des Baikals veröffentlichte. Federführend war das belgische Renard Centre of Marine Geology in Gent. Doch die Daten stammten aus Messungen des Sowjetischen Verteidigungsministeriums, das zwischen 1979 und 1985 eine neue Messkampagne am Baikal koordiniert hatte. Alle 100 bis 250 Meter in den flacheren Bereichen und mit 1.000 Metern Abstand in den tieferen Gebieten wurden damals Messungen durchgeführt.
Nach zweieinhalb Jahren, in denen tausende von Messpunkten per Computer zusammengetragen, miteinander verbunden und korrigiert wurden, konnten die belgischen Wissenschaftler faszinierende dreidimensionale Profile des Baikalsees vorstellen und den Seeboden des Baikals somit erstmals digital visualisieren.
Edda Schlager
Stand: 10.07.2009