„Aale sind Zwitter, haben weder Spermien noch Eierstöcke und entstehen im fauligen Erdschlamm.“ Diese Meinung vertrat der griechische Philosoph und Wissenschaftler Aristoteles, wenn es um die Fortpflanzung der Aale ging. Lebendige Brut, die manch einer seiner Kollegen bei Aalen gefunden haben wollte, hielt Aristoteles für „Eingeweidewürmer“.
Geheimnisvolles Liebesleben
Diese Fortpflanzungstheorie der Aale, die heute ausgesprochen merkwürdig anmutet – Aale sind wie andere Fische auch zweigeschlechtlich und laichen – war dennoch bis weit ins 19. Jahrhundert umstritten. Erst 1922 kam der dänische Zoologe Johannes Schmidt dem Liebesleben der Aale endgültig auf die Spur und entdeckte, dass ihre Fortpflanzung zu den ungewöhnlichsten überhaupt gehört. Weitab von den Flüssen des europäischen Binnenlandes, in der Sargasso-See nördlich der Bermuda-Inseln fand er winzige Aal-Larven.
Bis dahin hatte man die jungen Aale, die die Form von Weidenblättern haben, für eine eigene Spezies gehalten. Doch Schmidt deckte auf, dass jeder Aal in seinem bis zu 20-jährigen Leben zwei große Reisen auf sich nimmt, um sich lediglich ein einziges Mal fortzupflanzen.
Erwachsene Aale, die in Europa lange Zeit für Schlangen gehalten wurden, weil sie sich schlängelnd auch über feuchte Wiesen oder Schotter zwischen Bachläufen bewegen können, leben in Süßwasser. Sobald sie geschlechtsreif sind, begeben sich die Aale flussabwärts auf Wanderschaft, durchqueren Europa bis zu den Flussmündungen, schwimmen hinaus in den Atlantik, um anderthalb bis zwei Jahre später in der Sargasso-See anzukommen.
Kinderstube südlich der Bermudas
Hier legen die Aale ihre Eier ab – und sterben. Aus den Eiern schlüpfen wenig später die von Johannes Schmidt entdeckten Weidenblattlarven und lassen sich vom Golfstrom bis vor die atlantischen Küstenregionen Europas treiben. Etwa drei Jahre dauert diese Reise. In Europa angekommen und mittlerweile rund sieben Zentimeter lang, beginnen sie nun den Aufstieg durch die Flüsse ins Landesinnere. Hier wachsen die Aale bis zu 1,50 Metern Länge heran, bis sie die Rückreise antreten, zurück in die heimatliche Sargasso-See.
Auch der amerikanische Aal, der in den See und Flüssen Nordamerikas zuhause ist, hat seine Kinderstube in der Sargasso-See. Warum die Aale, die europäischen wie die amerikanischen, ausgerechnet hierher kommen, ist bis heute ungeklärt.
Die Jahr Millionen lange Geschichte der Aale, die es, wie Wissenschaftler der US-amerikanischen Meeresforschungsbehörde, bereits seit 125 Millionen Jahre gibt, könnte allerdings ein unrühmliches Ende nehmen.
Rückgang der Bestände
Bereits seit Jahren gehen die Bestände der Aale in Nordamerika und in Europa gleichermaßen zurück. Seit den 1970er Jahren, so die Behörde, sei die Anzahl der europäischen Aale um 90 Prozent zurückgegangen.
Ein Grund für die rapide Abnahme ist zum einen die Tatsache, dass die als beliebte Speisefische geltenden Aale in nahezu allen Lebenszyklen gefangen werden. Insbesondere die jungen, noch wenig Fett enthaltenden Glasaale, die aus dem Meer kommend die Flüssen hinaufschwimmen, gelten als Delikatesse. Auch Aale sind somit ein Opfer der weltweiten Überfischung der Meere.
Doch jetzt haben die Wissenschaftler von NOAA herausgefunden, dass auch veränderte Umweltbedingungen in der Sargasso-See für den rapiden Rückgang verantwortlich sein könnten.
Sinkende Geburtenraten durch Klimawandel
In einer Studie haben Wissenschaftler vom NOAA Daten über den Aalfang und Klimadaten aus der Sargasso-See seit dem Jahr 1938 miteinander verglichen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die nordatlantische Oszillation – die Schwankung des Luftdrucks zwischen nordatlantischen Hoch- und Tiefdruckgebieten – einen Einfluss hat auf Wassertemperatur, Windrichtungen und die Art und Weise, wie sich obere und tiefer gelegene Wasserschichten in der Sargasso-See miteinander vermischen. Dies wiederum beeinflusse die Reproduktions-Aktivität der Aale, so der NOAA-Biologe Kevin Friedland. „Unsere Erkenntnisse beweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen abnehmenden Fortpflanzungsraten und speziellen Umweltveränderungen während der Laichzeit und dem frühen Entwicklungsstadium der Aal-Larven gibt.“
In den letzten Jahren hat die nordatlantische Oszillation zu einer Erwärmung des Golfstroms und einer Abkühlung der äquatorialen Meeresströmungen im Atlantik geführt. Dies jedoch könne zu erheblichen Veränderungen in der Sargasso-See führen, so die NOAA-Wissenschaftler, und dies wiederum wirke sich auf die Aale aus, „die bisher ganz speziell an die nährstoffarmen Gewässer der Sargasso-See südlich der Bermuda-Inseln angepasst sind.“
Stand: 26.06.2009