Wir machen einen Zeitsprung von mehreren 100 Millionen Jahren. Aus dem Urahn gingen verschiedene Mikroorganismen hervor, noch klein und einzellig, aber doch schon erstaunlich vielfältig in ihrer Form und chemischen Zusammensetzung. So besaßen einige bereits zwei Membranen; andere hatten nur eine Membran, aber dafür eine dichte, aus verschiedenen Zuckern aufgebaute Schutzhülle. Die meisten gaben Kohlendioxid ab.
Einige von ihnen erwiesen sich als besonders fortschrittlich und machten sich diesen Umstand zunutze, indem sie „lernten“, Kohlendioxid und die durch Chlorophyll eingesammelte Lichtenergie in Sauerstoff und Energie umzuwandeln. Dies geschah in kleinen molekularen Maschinen, die in die Membran eingelagert sind. Unsere heutigen Sauerstoffkraftwerke waren geboren! Doch wie kam dieses Kraftwerk aus dem Meer in die Pflanze?
Membran umschlossene Reaktionsräume
Der Ursprung aller höheren Lebensformen – charakterisiert durch eine Unterteilung der Zelle in membranumschlossene Reaktionsräume mit verschiedensten Funktionen – ist das Ergebnis einer Art Raubfeldzugs vor etwa 2,5 bis 2 Milliarden Jahren. Zu dieser Zeit wurde der Wasserstoff in der Atmosphäre knapp, weil er sich in die Stratosphäre verflüchtigte.
Um den Mangel auszugleichen, verleibte sich ein wasserstoffabhängiges Archaebakterium einen anderen Wasserstoff produzierenden Mikroorganismus ein: das von einer doppelten Membran umgebene α-Proteobakterium. Das war möglich, weil die „Beute“ mit dem „Räuber“ in der sogenannten „mikrobischen Matte“ auf dem Meeresboden in einer Gemeinschaft lebte.
Immer neue Probleme
Den heute akzeptierten Theorien zufolge handelte es sich um einen passiven, zufälligen Vorgang, der durch die hohe Konzentration von Mikroorganismen in der Matte und durch die Artenvielfalt darin begünstigt wurde. Aus dem aufgenommenen α-Proteobakterium entstand im Laufe der Zeit die Organelle, die heute als Mitochondrium in unseren Körpern Energie in Form von Adenosintriphosphat, kurz ATP, produziert.
Der Raubzug – Endosymbiose genannt – bildete somit den Grundstein für das tierische Leben, wie wir es heute kennen. Es stellte die Archaebakterien aber vor eine neue Schwierigkeit: Ihr Symbiont produzierte nicht nur den gewünschten Wasserstoff, sondern benötigte auch Sauerstoff – und der war bis vor 2,2 Milliarden Jahren nur in geringer Konzentration in der Atmosphäre vorhanden, wie man aus geologischen Untersuchungen weiß.
Gemeinschaft mit beiderseitigem Vorteil
Daher verleibte sich das Archaebakterium ein weiteres Bakterium ein: das von Photosynthese lebende Cyanobakterium. Diese Symbiose nutzte beiden Reaktionssystemen, denn das α-Proteobakterium bekam Sauerstoff aus dem Stoffwechsel des Cyanobakteriums, das umgekehrt abfallendes Kohlendioxid für die Photosynthese verwendete.
Der evolutionäre Vorteil dieses gekoppelten Systems lässt sich durch den darauffolgenden drastischen Anstieg der Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre belegen. Und doch war es noch ein weiter Weg bis zu dem Leben, das wir heute finden.
Enrico Schleiff / Forschung Frankfurt
Stand: 18.06.2009