Den genauen Mechanismus der Sonneneruptionen haben die Wissenschaftler bisher noch nicht enträtselt. Bei einer typischen Eruption wird die enorme Energie von 1014 Terwattstunden (TWh) innerhalb von nur wenigen Minuten freigesetzt – zum Vergleich: der weltweite Primärenergieverbrauch lag 2001 bei etwa 105 TWh. Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass das Magnetfeld der Sonnenatmosphäre eine entscheidende Rolle spielt. Denn die Energiedichte dieses Felds übersteigt die thermische und die Strömungsenergie in der Sonnenkorona um mehrere Zehnerpotenzen, daher stellt das Magnetfeld dort für dynamische Prozesse ein fast unbegrenztes Energiereservoir dar.
Gleichgewicht verhindert Eruption
Da das Magnetfeld elektrisch geladenes Gas einschließt, behindert es Plasmabewegungen in der Korona, solange sich das Feld in einem Gleichgewichtszustand befindet. Zu bestimmten Zeitpunkten scheint die magnetische Konfiguration jedoch das Gleichgewicht zu verlieren und sie ändert sich abrupt durch Feldlinienverschmelzung. Die dabei freigesetzte Energie kann das Plasma sowohl aufheizen als auch in Form einer Eruption beschleunigen. Die Aufheizung ist als Röntgen-Flare beobachtbar, während die Eruption bei hinreichender Energie einen koronalen Massenauswurf zur Folge hat.
Eine genaue Kenntnis des Magnetfeldes ist daher ein Schlüssel zum Verständnis der Eruptionen und Massenauswürfe. Weltweit werden große Anstrengungen unternommen, die Struktur des koronalen Magnetfeldes zu ermitteln. Bislang ist jedoch nur das Feld der untersten Atmosphärenschichten einer Messung zugänglich. Das Feld in den höheren Schichten muss dagegen über Extrapolationsrechnungen bestimmt werden.
Berechnungen für obere Magnetfeldschichten
Die Forscher am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung entwickeln numerische Codes für die Lösung dieser Berechnungen, einem so genannten nichtlinearen Randwertproblem. Gegenwärtig beschränken sich diese Rechnungen noch auf begrenzte Gebiete der Sonnenoberfläche, meist auf isolierte aktive Regionen, in denen sich ein großer Teil des magnetischen Flusses aus dem Sonneninneren konzentriert.
Die Rechnungen gestatten es, die Veränderungen der magnetischen Konfiguration einer aktiven Region zu verfolgen, insbesondere das Anwachsen der Energie und der Helizität, einer Zahl, die die Ausrichtung von Spin und Impuls eines Teilchens beschreibt. Auf diese Weise hoffen die Wissenschaftler, kritische Werte dieser Größen zu bestimmen, mit deren Hilfe sich die koronalen Eruptionen vorhersagen lassen.
Aus dem Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft; Bernd Inhester, Thomas Wiegelmann / Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Stand: 05.12.2008