Ende der Neunzigerjahre lieferten Martin Nowak, heute an der Harvard University, und sein Kollege Karl Sigmund den theoretischen Nachweis für die Macht des guten Rufs. Im Fachmagazin Nature beschrieben sie, wie in einer Computersimulation durch indirekte Gegenseitigkeit tatsächlich Kooperation unter Egoisten entstehen kann.
„Entscheidend war, dass jeder Teilnehmer mit einem sogenannten image score ausgestattet war, an dem die anderen ablesen konnten, wie gut er kooperierte“, sagt Manfred Milinski. Wer ein schlechtes Image hatte, fiel durch. Ein guter Ruf, die Reputation, brachte also zumindest theoretisch Kooperation durch indirekte Gegenseitigkeit hervor.
Die Arbeit fiel bei Milinski auf fruchtbaren Boden. Er hatte schon zuvor die Evolution von Kooperation auf eine Weise praktisch untersucht, wie es sonst vor allem Wirtschaftswissenschaftler machen: Sie dampfen die Welt zu einer Spielsituation ein, bei der sie die Bedingungen ganz genau kontrollieren können – und bei der es um echtes Geld geht. „Das haben wir uns abgeguckt“, sagt Milinski.
Erstsemester als optimale Testpersonen
Die Beträge belasten zwar das Budget der Abteilung, aber bei Spielgeld á la Monopoly gehen die Teilnehmer nicht mit dem nötigen Ernst an die Sache und verlieren schnell die Motivation. Damit das Institutsbudget nicht zu sehr strapaziert wird, setzen Milinski und andere Forscher gerne auf die „ständig klammen“ Erstsemester: „Die können hier so viel Geld gewinnen, dass sie abends richtig schön essen gehen können.“ Erstsemester haben aber noch andere Vorteile. Sie kennen sich noch nicht in der Wissenschaft aus, kennen also in der Regel nicht die Hintergründe der Untersuchung, und sie sind mit Computern sehr vertraut.
Good guy or bad guy?
Die Frage lautete: Würde ein Student jemanden unterstützen, von dem er weiß, dass der es ihm nicht mit gleicher Münze wird danken können? Jeder bekam ein Startkapital von fünf Euro, die er durch Kooperation oder Egoismus vervielfachen konnte.
Milinski war erstaunt, aber es trat tatsächlich ein, was Nowak und Sigmund zuvor theoretisch errechnet und virtuell durchgespielt hatten – und was auch das Bibelzitat impliziert: Wer gibt, dem wird gegeben. Es war sogar so, dass diejenigen, die viel gaben, auch viel bekamen. Entscheidend war, dass jeder erkennen konnte, ob er jemandem gegenüber saß, der hilfsbereit war oder nicht. Man muss lediglich wissen: Ist der andere ein good guy oder ein bad guy?
Marcus Anhäuser / MaxPlanckForschung
Stand: 06.06.2008