„Die Gruppe der Paviane (Cynocephalus) ist zwar eine der merkwürdigsten, nicht aber auch eine der anziehendsten und angenehmsten. Wir finden in ihr vielmehr die häßlichsten, rüdesten, flegelhaftesten und deshalb widerwärtigsten Mitglieder der ganzen Ordnung; wir sehen in ihnen den Affen gleichsam auf der tiefsten Stufe, welche er einnehmen kann.“ – mit solch einer blumigen, bildhaften Sprache beschrieb der deutsche Zoologe und Schriftsteller Alfred Edmund Brehm in seinem „Thierleben“ nicht nur die Paviane, sondern auch die meisten anderen bekannten Tiere auf der Erde. Mit dem 1863 erstmals erschienenen Nachschlagewerk legte Brehm nicht nur eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Arten vor, sondern er brachte auch das damals vorhandene Wissen leicht verständlich auf den Punkt.
Eisiges Stammzellarchiv
Doch Brehms Thierleben war gestern. Die moderne Form, den weltweiten Tierbestand zu dokumentieren und für die Nachwelt festzuhalten, heißt „CRYO-BREHM“. Dabei handelt es um nichts anderes als einen eisigen „Zoo“ für Wildtiere, den Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Biomedizinische Technik IBMT und für Marine Biotechnologie EMB in Kooperation mit mehreren normalen Zoologischen Gärten angelegt haben. Der Clou an der Sache: Die Forscher sammeln nicht die Tiere selbst, sondern ihre tiefgefrorenen Stammzellen, die mit neu entwickelten Methoden gewonnen wurden.
„Das Tieffrieren ist die einzige Möglichkeit, Zellen lebend und dauerhaft aufzubewahren. Ganze Tiere, die größer sind als ein Stecknadelkopf, kann man bisher nicht lebend einfrieren und auftauen. Das ist auch nicht nötig, da sich in jeder Zelle die gesamte Information sowohl über die Art als auch das Individuum befindet“, erklärt der IBMT-Direktor Professor Günter R. Fuhr.
Tief gekühlt bei minus 145 Grad
Tief gekühlt mit flüssigem Stickstoff auf minus 145 Grad Celsius bleiben die isolierten Stammzellen in diesem Archiv tausende von Jahren lebensfähig. Stammzellen eignen sich für diesen Zweck besonders gut, so die Fraunhofer Forscher, weil sie nicht nur alle Erbinformationen der jeweiligen Art enthalten, sondern sich auch vermehren und in andere Zelltypen umwandeln lassen.
Seit dem Startschuss für das Projekt im Jahr 2005 haben die Wissenschaftler bereits hunderte Gewebeproben von Fischen, Vögeln, aber auch von Säugetieren gesammelt und eingefroren. Und zwar ohne dass dafür unnötig Blut fließt oder ein Tier extra sterben muss. Denn die isolierten Stammzellen stammen ausschließlich von Zoo- oder Wildtieren, die auf natürlichem Wege verendet sind – etwa bei der Geburt oder bei einem Autounfall.
Geht es um eine vom Aussterben bedrohte Art oder eine, bei der noch nie eine Stammzellpräparation durchgeführt wurde, schickt das Fraunhofer-IBMT sogar ein speziell dafür eingerichtetes mobiles Labor auf die Reise. Neben den Forschern ist dann auch das notwendige Handwerkszeug, beispielsweise Brutschränke und Kryotanks, mit im Gepäck.
Archiv und Forschungsreservoir
Die so oder so ähnlich gewonnenen Stammzellen werden anschließend nach dem Prinzip „doppelt hält besser“ gelagert: Ein Teil des Materials landet in der Kryobank des IBMT im saarländischen Sulzbach, ein Duplikat wird am EMB in Lübeck sicher aufbewahrt.
Im Laufe der nächsten Jahre soll CRYO-BREHM nach dem Wunsch der Forscher beständig weiter wachsen und so mit der Zeit ein möglichst umfangreiches Zell-Archiv der wildlebenden Tiere. Doch das ist noch längst nicht alles: Die Kryo-Datenbank ist auch ein wertvolles Reservoir für Stammzell- und andere Forscher weltweit. Besteht irgendwo Bedarf, tauen die Fraunhofer-Wissenschaftler das benötigte Muster auf, duplizieren die Stammzellen und schicken sie dann auf die Reise zum Zielort.
„CRYO-BREHM“ kein Einzelfall
Obwohl deutsche Forscher als weltweit führend auf dem Gebiet der Kryokonservierung gelten, ist CRYO-BREHM weltweit keineswegs einzigartig. So versuchen beispielsweise auch Forscher in Großbritannien seit einigen Jahren, auf ähnliche Weise eine „Sicherheitskopie“ der Tierwelt des blauen Planeten zu erstellen.
Stand: 30.05.2008