Irak, das ist seit Jahren der Inbegriff eines andauernden Krieges, bei dem für die meisten Außenstehenden kaum noch nachzuvollziehen ist, worum es eigentlich geht. Schiiten gegen Sunniten, Kurden gegen Araber, Al-Qaida gegen US-Truppen? – Irak ist ein Krisenherd, in dem es wie so oft mehr als einen Grund für die kriegerischen Auseinandersetzungen gibt, wo sich die Gründe über die Jahre hinweg gewandelt haben. Doch ein Aspekt ist nach wie vor ausschlaggebend dafür, dass das Land nicht zur Ruhe kommt: Das Erdöl, das unterschiedliche ethnische Gruppen für sich beanspruchen.
Showdown in Basra
Mit dem Einmarsch der irakischen Armee in Basra im Frühjahr 2008 ist eines der bisher weniger bekannten, dafür aber strategisch um so wichtigeren Gebiete des Landes in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Im Südosten Iraks am Persischen Golf liegen die wichtigsten Öl-Reserven des Landes. Während im Norden bei Mossul, dem zweiten großen Fördergebiet bereits produziert wird, sind die Felder bei Basra bisher noch größtenteils unerschlossen.
Über den Hafen von Umm Kasr, nur wenige Kilometer von Basra entfernt, läuft der Handel mit irakischem Öl. Das Gebiet zwischen Basra und Umm Kasr mit seinen Pipelines und der Hafen mit Raffinerien und Pumpwerken ist einer der kostbarsten Landstriche im Land. Wenn die Ölfelder bei Basra erst einmal vollständig produzieren, werden von hier die Geschäfte und Geschicke des Landes gesteuert werden.
Die Offensive der Armee ist deshalb einerseits eine erste eigenständig durchgeführte Operation der irakischen Regierung, um gegen örtliche Milizen vorzugehen und die andauernden Tod bringenden Anschläge einzudämmen. Andererseits richtet sich der Einmarsch von 30.000 Soldaten und Polizisten in Basra vor allem gegen die, die die staatliche Kontrolle über das Öl verhindern wollen.
Gute Gegner, schlechte Gegner
Muktada al-Sadr ist derjenige, der die schiitischen Milizen in Basra dirigiert. Und er ist ein Gegenspieler von Premierminister Nuri al-Maliki, der die ebenfalls schiitische Koalition, die den Irak regiert, anführt.
So verwunderte es viele Experten auch nicht, dass sich die Aufräum-Operation der Regierungstruppen in Basra vorwiegend gegen die Männer von al-Sadr richtete. Die Partner der Regierung aber wurden verschont. So wie die Gefolgsleute der schiitischen Fadila-Partei, die den Öl-Handel und -Schmuggel kontrollieren.
Kurden im Norden zu eigenständig
Auch im Norden des Landes ist die Verteilung des Erdöls keineswegs endgültig geklärt. Das Gebiet um Mossul wird von sunnitischen Kurden bewohnt und steht unter Verwaltung der Regionalen Kurdistan-Regierung. Laut „International Crisis Group“ hat die aber bereits begonnen, unabhängig von der Regierung in Bagdad Investoren zu ermutigen, sich in der Region zu engagieren. Im Gegensatz zur irakischen Regierung halten die Kurden eine Entflechtung von Staat und Ölwirtschaft für sinnvoll und wollen den Ölsektor privatisieren.
Öl-Gesetz für stabilen Staat
Internationale Beobachter sehen die einzige Lösung für diese Probleme deshalb in einem „Hydrocarbons law“, in einem Gesetz, das die Verwendung fossiler Brennstoffe und die Verteilung der Profite offiziell regelt.
Und dabei geht es nicht nur um die wirtschaftliche Seite der Verwendung des Öls. Ein namentlich nicht genannter US-Diplomat macht in einem Interview mit der Crisis Group von einem solchen „Öl-Gesetz“ die politische Stabilität des Irak abhängig: „Ein Öl-Gesetz, wenn es denn je umgesetzt wird, würde den Streit um die Profite eindämmen und dazu beitragen, das Land zusammenzuhalten.“
Stand: 13.05.2008