Auf der Übersichtskarte der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung am Sozialwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg ist Afrika fast vollständig rot. Rot heißt Krieg, und deshalb ist es leichter, die Länder des Kontinents aufzuzählen, die seit 1945 nicht in einen Krieg verwickelt waren – so weit reicht das Kriegsarchiv der Hamburger Wissenschaftler zurück.
Mauretanien, Botswana, Gambia, Ghana, Togo, Benin, Gabun, die Republik Kongo, Swasiland, Westsahara, Libyen: Nur diese Staaten sind in den letzten Jahrzehnten verschont geblieben von Kriegen oder bewaffneten Konflikten, wobei dies nicht bedeutet, dass es dort nicht zu Streitereien zwischen verschiedenen Volksgruppen oder Regierungen und Oppositionsparteien gekommen ist.
Gleiche Akteure, unterschiedliche Beweggründe
Über 50 Kriege wurden in Afrika seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geführt. Bis zu diesem Zeitpunkt standen fast alle afrikanischen Staaten unter europäischer Kolonialherrschaft. Die bei der Unabhängigkeit erfolgte neue Grenzziehung war in den meisten Fällen willkürlich und nahm auf geographische oder ethnische Regionen keine Rücksicht. Trotzdem sind es heute kaum Grenzstreitigkeiten, die zu Blutvergießen führen.
Viele Kriege in Afrika, so stellten die Hamburger Kriegsforscher fest, haben zwar als Befreiungskriege von der Kolonisation begonnen, sich dann jedoch in Kriege zwischen unterschiedlichen Glaubensgruppen oder Angehörigen unterschiedlicher Ideologien gewandelt. Angola ist für die Kriegsforscher aus Hamburg ein typisches Beispiel eines Krieges mit sich wandelnden Kriegsgründen: „Begann der Krieg 1961 als Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft, so wurde er nach der Erlangung der Unabhängigkeit 1975 im Rahmen des Ost-West-Konflikts interpretiert, um in den 1990er Jahren zum typischen Krieg um Rohstoffe wie Diamanten und Erdöl zu werden. Die Hauptakteure blieben im Wesentlichen die gleichen.“
Brennpunkt Kongo
Zu „einer der schlimmsten, andauernden humanitären Katastrophen weltweit“, so die International Crisis Group, die sich ebenfalls mit internationalen Konflikten und Krisengebieten beschäftigt, wurde jedoch der Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo, dem früheren Zaire, in Zentralafrika.
Der Konflikt entwickelte sich in den 90er Jahren und richtete sich gegen die teilweise schon seit der Kolonialzeit in Kivu lebenden Einwanderer aus Ruanda und Burundi. Als nach dem Völkermord in Ruanda 1994 über eine Million Flüchtlinge von dort in den Kongo kamen, unter ihnen auch die für den Völkermord an Tutsi und moderaten Hutu verantwortlichen Hutu-Milizen, eskalierte der Konflikt schließlich. Kongolesische und ruandische Milizen gingen seitdem gemeinsam gegen die im Kongo lebenden ruandischen und kongolesischen Tutsi vor.
Nach Ansicht der Forscher wurden besonders im östlichen Kongo die Unterschiede zwischen einzelnen Volksgruppen im Kampf um politische und ökonomische Vorherrschaft instrumentalisiert. Denn in den Provinzen Ituri und Kivu liegen die größten Goldvorräte der Welt, aber auch Diamanten, Coltan und Erdöl.
Todesopfer durch Mangelversorgung
US-Mediziner, die die Folgen des Konflikts im Kongo untersuchten, verglichen den Bürgerkrieg im Kongo mit dem zweiten Weltkrieg. Fast vier Millionen Menschen starben in dem Konflikt. Im Zeitraum von April bis Juli 2004 registrierten die Ärzte allein 600.000 Todesfälle – und damit etwa doppelt so viele Opfer wie der Tsunami in Südasien forderte. Die meisten dieser Menschen starben nicht durch direkte Folgen der Gewalt, sondern an vermeidbaren Krankheiten, die man behandeln könne, betonten die Ärzte. Jeder zweite Tod ging auf unsauberes Trinkwasser, Mangel an Impfstoffen und angemessener Behandlung bei Fieber, Malaria, Durchfall sowie Atemwegsinfektionen zurück. Jedes zweite Kind war mangelernährt. Direkte Waffengewalt war nur die Ursache für ein Drittel der Todesfälle.
Ein Vertrag zwischen den Konfliktparteien, der im Januar 2008 durch Mithilfe der Vereinten Nationen geschlossen wurde, gibt dem Kongo nun die Möglichkeit, zu Frieden zu kommen. Ob daran wirklich ein Interesse besteht, bleibt zu bezweifeln. Die International Crisis Group weist in einem Bericht darauf hin, dass vor allem wirtschaftliche Motive eine Rolle im kongolesischen Bürgerkrieg gespielt haben und ein Teufelskreis entstanden ist: „Gewalt erlaubt die Ausbeutung von Ressourcen und ein Teil des Profits wiederum sorgt für die Weiterführung eines sich so selbst finanzierenden Krieges.“
Stand: 09.05.2008