Kinder in Deutschland sind sich einig: „Unser Charly“ ist der Beste. Sie kürten den frechen, lustigen Schimpansen zu ihrem Liebling unter den tierischen Fernsehstars. Charly, stets sportiv gekleidet, wohnt in der gleichnamigen Serie in der heilen Welt einer Tierarztfamilie. Sein liebstes Hobby: Faxen machen. Der geborene Alleinunterhalter – so scheint es. Gespielt wird Charly allerdings gleich von mehreren dressierten Schimpansen, deren Schicksal hinter den Kulissen für die jungen Zuschauer im Verborgenen bleibt.
Denn auch die Tierfilmindustrie fordert immer wieder nach „jungen Gesichtern“. Der Nachschub von studiofähigen Affenbabys kommt meist aus den USA, wo der Handel mit den tierischen Nachwuchsstars nach wie vor ein lukratives Geschäft ist. Die Schimpansenkinder werden meist noch vor der Entwöhnung von ihren Müttern getrennt. Um sie zu entwaffnen, werden ihnen die Eckzähne gezogen.
Gehalten in kleinen Käfigen, bekommen die zukünftigen Filmstars nun von Tiertrainern auf der Basis „natürlicher Verhaltensweisen“ Kunststücke beigebracht. So lernen die Stars von morgen, angeblich durch ihren „angeborenen Spieltrieb“ Autofahren, Boxen, Rauchen und sich selber an- und auszuziehen – oft unter Androhung von Schlägen, Elektroschocks und Futterentzug.
Mitte 2002 wurde das ZDF vom deutschen Tierschutzbund aufgefordert, die Serie „Unser Charly“ einzustellen. Private Videoaufnahmen dokumentierten Misshandlungen eines Charly-Darstellers durch Tritte eines Tiertrainers in den Bauch des Tieres. Am 16. März 2003 wurde die vorerst letzte Serienfolge „Unser Charly“ auf KiKa ausgestrahlt.
Verzweifelt gesucht: Neues Zuhause
Was passiert nun mit den Charly-Darstellern? Solange sie ein helles Gesicht haben, sind Schimpansen klein, süß und vermittelbar. Kommen sie in die Pubertät, verdunkelt sich ihr Gesicht und sie erlangen mit etwa sieben Jahren die mehrfache Stärke eines erwachsenen Mannes. In diesem übermütigen Alter wird es schwer, die Charly-Darsteller zu handhaben. Die Schimpansen haben dann meist „ausgedient“.
In menschlicher Obhut aufgewachsen, sind die Schimpansen im Laufe ihres Lebens so stark vermenschlicht, dass eine Resozialisierung mit Artgenossen fast unmöglich ist. Filmtiere sind daher in Zoos nicht gerade willkommen. Auswilderung kommt nicht in Frage, da die in Gefangenschaft geborenen, einstigen Wildtiere nie gelernt haben in der Wildnis zu überleben. Wohin also mit den alternden Filmdiven und -helden?
Als Versuchstiere an medizinische Labore verkaufen? In Europa keine Chance. Denn das einzige europäische Labor, in dem noch Experimente an Menschenaffen durchgeführt werden, dem Biomedical Primat Research Centre (BPRC) im niederländischen Rijswijk, ist ein Auslaufmodell. Nach Einstellung der Forschung wird man sich auch hier fragen müssen, wohin mit den Versuchstieren, rund 100 Menschenaffen und den 500 anderen Primaten?
Eine mögliche Alternative sind spezialisierte Auffangstationen. Ein Beispiel ist das Rettungs- und Pflegezentrum für exotische Tiere (AAP) nahe Almere in Holland. Hier werden Wildtiere aller Art aus Zoos, Zirkussen, Forschungslabors und privater Haltung aufgenommen und aufgepäppelt.
Ein Seniorenheim für Cheeta
Eine Tötung blieb auch dem wohl berühmtesten Filmaffen der frühen Kinogeschichte der 1930er und 1940er erspart. Cheeta lebt heute mit menschlichem Familienanschluss, wie viele alternde Kinostars im kalifornischen Palm Springs. Mit ihren 71 Jahren hat die noch agile Schimpansin die meisten Tarzandarsteller bereits überlebt. Ein Weltrekord, denn das Höchstalter freilebender Schimpansen liegt bei 40 bis 45 Jahren.
Cheetas jugendliches Geheimnis: Sie verzichtet seit kurzem auf Bier und Zigaretten und schaut ab und zu mal bei McDonald´s vorbei. Nebenbei hält sie sich „geistig“ fit durch „Klavier spielen“, „Zeitung lesen“ und ist eine echte „Couchpotatoe“ vorm Fernseher. Am allerliebsten schaut Cheeta einen der zwölf Tarzanfilme, die sie berühmt machten. Von artgerechter Haltung keine Spur. Tarzans tierische Freundin ist das lebende Resultat dessen, was geschieht, wenn Menschen Schimpansen zum „Affen“ machen.
Stand: 27.06.2003