19. September 1991. In einer Gletscherrinne am Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen entdecken die deutschen Bergwanderer Erika und Helmut Simon eine mysteriöse Mumie im Gletschereis. Nach der Bergung aus 3.210 Meter Höhe sofort durchgeführte Untersuchungen sorgen für eine Sensation: Es handelt sich nicht um einen verunglückten Bergsteiger, sondern um eine 5.300 Jahre alte Leiche aus der Steinzeit. Ötzi, wie der Mann sofort von der Presse getauft wird, ist mit insgesamt 47 Tätowierungen übersät und auch sonst gut erhalten.
Neben dem nackten Körper, von dem im Laufe der Jahrtausende sämtliche Kleidung abgefallen ist, spüren eilig herbei gerufene Experten am Fundort schon bald die Überreste eines Hemdes, eines Grasmantels sowie von Leggings, Armlingen und eines Lendenschurzes auf – alles gefertigt aus Fell und Leder verschiedener Haus- und Wildtiere wie Rind, Ziege, Hirsch oder Braunbär.
Streit um Ötzi
Nicht weit entfernt von der letzten Ruhestätte des Mannes stoßen die Wissenschaftler auf einen Bogen sowie einen Köcher mit 14 Pfeilen. Auch ein wertvolles Kupferbeil gehörte zur Ausrüstung von Ötzi. Die meisten Utensilien sind sorgfältig abgestellt, nichts deutet am Ort des Geschehens zunächst auf einen Kampf oder einen Überfall hin.
Dafür entwickelt sich die Zufallsentdeckung im Eis schon bald zu einer Staatsaffäre. Denn Ötzis Fundort liegt unmittelbar an der Grenze zwischen Italien und Österreich – und beide Länder beanspruchen die medienwirksame und wissenschaftlich sehr bedeutende Gletschermumie für sich. Erst nach langem hin und her und einer Neuvermessung der Lage des Leichnams im Oktober 1991 steht fest: Der Mann aus dem Eis starb exakt 92,56 Meter weit auf Südtiroler Gebiet und „gehört“ damit der Regierung in Rom.
Tatort Steinzeit
Dennoch bleibt Ötzi lange am Institut für Anatomie der Universität Innsbruck, wo er nicht nur eingehend untersucht und beschrieben, sondern auch konserviert wird. Erst 1998 kommen die Mumie und die übrigen Fundstücke schließlich nach Bozen ins Südtiroler Archäologie-Museum. Dort wird der weltberühmte „Iceman“ seitdem mithilfe von eigens dafür entwickelten neuen Kühltechniken der staunenden Öffentlichkeit präsentiert.
Für Spekulationen unter Wissenschaftlern und Hobbyarchäologen sorgte von Anfang an die ungewöhnliche Lage, in der man Ötzi entdeckt hatte: Das Gesicht nach unten und ein Arm unnatürlich über die Brust gedreht. Woran war der Mann gestorben? Hatte man ihn möglicherweise sogar ermordet? Dutzende von Theorien dazu wurden in der Folge aufgestellt – und anschließend widerlegt. Klar war bis vor kurzem lediglich, dass Ötzi zunächst von einem Pfeil an der Schulter getroffen wurde.
Stand: 30.11.2007