Zoologie

Gene oder Umwelt?

Mütterliche Effekte im Verdacht

Das Zebrafinken-Männchen schüttelt sich, nachdem es aus der Hand des Forschers in den Käfig entlassen wurde – aber es lässt sich nichts anmerken von dieser unfreiwilligen Versetzung, sondern plustert sein Kopf- und Nackengefieder und balzt sogleich das einzige Weibchen im Käfig an. Sie reagiert eher schüchtern, zurückhaltend, er ist ganz der Draufgänger.

Vermessen der Zebrafinken-Eier © Felix Brandl / Wolfgang Forstmeier

„Zebrafinken zeigen bemerkenswerte Unterschiede in ihrem individuellen Sexualverhalten“, erklärt Wolfgang Forstmeier. „Manche Männchen beginnen gleich und mit großer Ausdauer, das Weibchen anzubalzen, andere verhalten sich erstaunlich scheu. Und auch die Weibchen reagieren höchst unterschiedlich: Einige sind sofort bereit, mit einem oder auch mehreren Männchen zu kopulieren, während andere alle Annäherungsversuche strikt abwehren.“

„Schon frühzeitig werden diese Persönlichkeitsmerkmale bei Zebrafinken sichtbar und sind auch Jahre später noch vorhanden“, so Forstmeier. Den Biologen faszinieren die persönlichen Eigenarten seiner Schützlinge allerdings aus einem ganz bestimmten Grund: Er möchte herausfinden, warum es diese individuelle Vielfalt an Verhaltensweisen gibt. Bringt es möglicherweise einen evolutionären Vorteil, anders zu sein als die anderen?

Nichtgenetische Faktoren beteiligt?

Der junge Biologe möchte herausfinden, welche Rolle die Gene, welche die Umwelt – und welche insbesondere die Mütter bei der Festlegung des Verhaltens spielen. So können Mütter ihren Nachkommen nichtgenetische Faktoren, wie etwa Sexualhormone, im Eidotter mitgeben und auf diese Weise den Verhaltenstypus beeinflussen.

Die Wissenschaftler sprechen dann von maternalen (mütterlichen) Effekten. Da die Embryonalentwicklung – anders als bei Säugern – im Ei und damit räumlich getrennt von der Mutter stattfindet, können die Forscher die Eier auch an Zieheltern weitergeben (experimentelles Fostern) und so die verhaltensbestimmenden Faktoren weiter auftrennen als dies bei Säugern möglich wäre.

Ein Labor voller Zebrafinken

Um mit quantitativen genetischen Analysen die Erblichkeit eines Verhaltensmerkmals festzustellen, benötigen sie allerdings sehr große Stichproben sowie gut standardisierte Testbedingungen. Bei Freilanduntersuchungen ist das kaum zu erreichen. Anders sieht das im Labor aus, wo sich der Zebrafink prächtig vermehrt – zwar nicht gerade so wie die Taufliege, aber im Laufe weniger Jahre lassen sich doch mehrere Generationen von Zebrafinken heranzüchten, was den Forschern wertvolle Einblicke in die Vererbung von Persönlichkeitsunterschieden erlaubt.

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. weiter


Stand: 16.03.2007

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Sind Vögel auch nur Menschen?
Den individuellen Unterschieden im Sexualverhalten von Zebrafinken auf der Spur

Gene oder Umwelt?
Mütterliche Effekte im Verdacht

„Big Brother“ im Vogelkäfig
Verhaltensforschung per Videoüberwachung

Peergroups - kein Zugang für Erwachsene
Vom Teenager zur Partnerwahl

Treuere Weibchen bevorzugt?
„Strategische Programmierung“ der Töchter möglich

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Buntbarsche lieben lieber in Inzucht
Keine Hinweise auf genetische Nachteile für den Nachwuchs

Schimpansen: Reifere Weibchen bevorzugt
Deutliche Unterschiede in der Partnerwahl zwischen Affe und Mensch

Gegensätze ziehen sich (nicht) an
Wellensititiche bevorzugen gleich rufende Partner

Wählerischstes Weibchen des Tierreichs entdeckt
Winkerkrabben-Weibchen prüft bis zu hundert Bewerber

Gen-Duftbotschaft beeinflusst Partnerwahl
Geruchs-Attraktivität entscheidet über passenden „Immun-Partner“

Dossiers zum Thema

Schönheit - Symmetrie, Kindchenschema und Proportionen

Zugvögel - Von Interkontinentalflügen und Weltenbummlern

Schneekristall

Symmetrie - Geheimnisvolle Formensprache der Natur