An die 800 Zebrafinken hat Forstmeier am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen in seiner Obhut. Die Tierhaltungsräume befinden sich im Kellergeschoss des Institutsgebäudes, Haus 5. Links und rechts an den Wänden stapeln sich Käfige mit Zebrafinken, immer acht in einer Reihe und vier übereinander. Ein unglaubliches Gezwitscher empfängt einen beim Betreten des Raumes. Verhält man sich ruhig, so lassen sich die Vögel in ihrem munteren Treiben nicht stören. Auch die gewohnten Routinearbeiten beeindrucken sie kaum.
Ein unbekannter Besucher, ein unbekanntes Geräusch jedoch bringen den gesamten Raum plötzlich zum Schweigen. Wie ein Schwarm im australischen Outback reagiert die Kolonie als geschlossene Einheit – alle Vögel sind in Habtachtstellung. Es ist jetzt so still, dass man eine Stecknadel zu Boden fallen hören könnte. Doch schon nach kurzer Zeit setzt wieder munteres Gezwitscher ein, die vermeintliche Gefahr hat sich als harmlos erwiesen.
4.000 Mal Zebrafinken im bewegten Bild
Hier unten befindet sich das eigentliche Labor des Verhaltensbiologen. Forstmeier benötigt kein aufwendiges Laborequipment, ihm genügen einige Videokameras und ein paar Computer. Mit der Videokamera zeichnet er das Verhalten seiner Schützlinge auf. 4.000 Videos mit jeweils fünf Minuten Filmsequenz haben sich inzwischen angesammelt, 300 Stunden bewegtes Bild.
Anhand dieses auf der Basis standardisierter Tests erstellten Materials kann er den individuellen Verhaltenstypus eines Vogels erkennen. Später werden diese Tiere – wiederum unter Videoüberwachung – in geräumige Zuchtvolieren entlassen. Dort will der Wissenschaftler unter anderem herausfinden, welche Männchentypen unter welchen sozialen Bedingungen (wie Variation im Geschlechterverhältnis, Häufigkeit von Kontakten mit Nachbarn) einen Konkurrenzvorteil besitzen.
„Bei ausgewogenem Geschlechterverhältnis und seltenem Nachbarkontakt sollten monogam veranlagte Männchen, die eine geringe Aggressivität und einen geringen Sexualtrieb zeigen, einen Selektionsvorteil haben, da sie all ihre Energie auf die Brutfürsorge konzentrieren können“, erklärt der Biologe. „Bei Weibchenüberschuss haben Männchen mit starkem Sexualtrieb einen Vorteil, bei Weibchenmangel setzen sich vor allem die aggressiveren Männchen durch.“
Jedes Ei zählt
Um seine Hypothesen überprüfen zu können, muss Forstmeier die Lebensgeschichte und insbesondere die Verwandtschaftsverhältnisse seiner Zöglinge genauestens dokumentieren. Und das beginnt schon mit der Eiablage: Das abgelegte Ei wird vermessen, nummeriert und dann in das Nest der Zieheltern gelegt, die leiblichen Eltern bekommen Plastikeier untergeschoben.
Sobald das Junge schlüpft, wird es mit einem wasserfesten Stift markiert, bis es dann acht bis zehn Tage später einen Ring mit seiner individuellen Kennnummer um das Fußgelenk bekommt. Über diese Nummer kann jeder Vogel eindeutig einem bestimmten Gelege und damit seiner Mutter sowie den jeweiligen Zieheltern zugeordnet werden. Mehr als 1.700 Eier von 63 Pärchen haben der Biologe und sein Team in den vergangenen anderthalb Jahren auf diese Weise registriert.
Stand: 16.03.2007