Dieses Szenario hat aber einen Haken: Die Mondkruste kann nur dann so stark schrumpfen, wenn unter ihr eine flüssige Schicht liegt – ein Ozean. Tatsächlich hatten Forscher mit Hilfe von Cassini-Daten bereits 2008 Indizien für die Existenz eines solchen Meeres aus Ammoniak und Wasser entdeckt. Sie hatten für ihre Studie die Positionen von 50 auffälligen Landmarken in Aufnahmen aus den ersten und den aktuellsten Aufnahmen der Sonde verglichen.
Wandernde Berge und Seen
Dabei zeigte sich, dass sich die Berge, Seen und Canyons nicht mehr am gleichen Platz befanden. Bis zu 25 Kilometer Versatz ergaben die Datenvergleiche. Nach Ansicht von Ralph Lorenz von der Johns Hopkins Universität in Baltimore und seinen Kollegen kann eine solche systematische Verschiebung nur erklärt werden, wenn man von einer Entkopplung der Kruste vom Kern des Himmelskörpers ausgeht – beispielsweise durch einen riesigen Ozean unter der Kruste.
Die NASA-Forscher gingen in ihrem Modell der Gebirgsbildung davon aus, dass der innere Kern des Mondes von einer sehr dichten Schicht aus hochdichtem Wassereis umgeben ist. Darauf folgt eine flüssige Schicht aus einem Wasser-Ammonium-Gemisch – der Ozean. Über diesem liegt die rund 80 Kilometer dicke Kruste aus Eis. Weil der Saturnmond sich seit seiner Entstehung vor rund vier Milliarden Jahren allmählich abkühlt, ziehen sich alle Schichten leicht zusammen. Dadurch schrumpft letztlich der gesamte Mond ganz leicht – die Wissenschaftler schätzen, dass der Titan seit seiner Bildung rund sieben Kilometer in seinem Radius und rund ein Prozent an Volumen verloren hat.
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Dieses Schrumpfen komprimiert die äußere Eiskruste und lässt Verwerfungen entstehen, die unter anderem die Gebirgszüge wie Schrumpfungsnähte aus der Landschaft heraushoben. Ein ähnlicher Mechanismus – das Schrumpfen und Einbrechen eines begrenzten Bereichs der festen Gesteinskruste der Erde – ist auf unserem Planeten für das Entstehen des Zagros-Gebirges im Iran verantwortlich.
Ungewöhnlich geneigte Rotationsachse
Weitere Hinweise auf einen flüssigen Ozean unter der Titankruste lieferte im Jahr 2011 eine weitere Studie auf Basis der Cassini-Daten. Schwerkraft- und Radarmessungen enthüllen, dass Rotation und Umlaufbahn des Titan der unseres Erdmondes zwar sehr ähneln – aber mit einem wichtigen Unterschied: Die Rotationsachse des Saturnmonds ist um 0,3 Grad geneigt – was nach Angaben der Forscher ungewöhnlich für solchen Himmelskörper ist.
Eine solche gekippte Achse entsteht meist dann, wenn es im Inneren des Objekts mindestens eine flüssige Schicht gibt. Als die Forscher ein Modell mit verschiedenen Varianten eines inneren Aufbaus des Titan fütterten, ergab die Variante mit einem Ozean unter der Kruste die beste Übereinstimmung mit den Rotations- und Trägheitsdaten des Mondes. Aber auch das war nur ein theoretisches Modell, kein echter Beweis.
Gezeiten liefern fehlenden Beweis
Näher kamen NASA-Forscher diesem dann im Jahr 2012 mit einer weiteren Beobachtung: Der den Saturn alle 16 Tage einmal umkreisende Mond hat ausgeprägte Gezeiten: Seine Oberfläche hebt und senkt sich je nach seiner Bahnposition um 30 Meter, wie Cassini-Messungen ergaben. „Die Gezeiten auf dem Titan sind nicht gerade riesig, verglichen mit denen auf einigen der Jupitermonde“, sagt Sami Asmar vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. „Aber diese Daten verraten uns einiges über die mögliche innere Struktur des Titan.“ Denn wäre der Saturnmond durchgehend fest, dann dürfte seine Oberfläche nur um rund drei Meter schwanken. Sie tut dies aber zehnfach stärker. Das aber führt die Wissenschaftler zur fast unabwendbaren Schlussfolgerung, dass der Saturnmond einen Ozean unter der Kruste besitzen muss.
Wie tief dieser Ozean liegt und wie dick die flüssige Schicht ist, darüber können die Planetenforscher bisher nur spekulieren. Um allerdings die beobachteten Gezeiteneffekte zu bewirken, würde bereits eine relativ schmale Schicht zwischen der äußeren, verformbaren Eiskruste und dem festen Mantel ausreichen. Und ein solcher Ozean könnte auch ein anderes Phänomen erklären, das Cassini auf dem Saturnmond enthüllte: Eisvulkane.
Nadja Podbregar
Stand: 10.04.2014