Man sitzt im Auto, hört Radio – und dann kommt dieser Song, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht, der einen verfolgt, von dem man nichts weiter im Kopf hat als eine Endlosschleife der immer gleichen, wenn auch netten Melodie. Kein Interpret. Kein Titel. Nichts. Allen, die von diesen namenlosen Ohrwürmern geplagt werden, winkt jetzt Erlösung.
High-Tech aus den Kinderschuhen
Denn die vor drei Jahren preisgekrönte Software AudioID, die am Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie IDMT zur Erkennung akustischer Fingerabdrücke entwickelt wurde, ist mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen. Der neueste Coup der Firma m2any, die die Lizenz für Nutzung und Vertrieb der Software vom IDMT erworben hat, ist die Zusammenarbeit mit BMW und die Integration der Software direkt ins Armaturenbrett.
Per Tastendruck kann ein gerade im Radio laufenden Musikstück erkannt werden, Titel, Interpret und Album-Cover sind sofort abrufbar. Wer das Lied gleich kaufen möchte, erhält auch den Link zu einem Onlineshop – und nach Bezahlung landet der Titel kurz darauf im ins Auto integrierten MP3-Player.
Eindeutige Frequenzanalyse
Die Akustik-Erkennungs-.Software AudioID, die auch für PC und Mobiltelefone angeboten wird, funktioniert nach folgendem Prinzip: Jedes Musikstück hat einen ganz individuellen Klang, den akustischen Fingerabdruck, der sich aus Melodie, Instrumentalisierung und Gesang ergibt. AudioID analysiert das Frequenzspektrum des Lieds und berechnet die so genannte „spektrale Flachheit“. Damit wird beschrieben, wie sich ein Signal innerhalb des Frequenzspektrums verhält. Harter, differenzierter Rhythmus entspricht eher einem Wert eins, gleichförmiger Singsang liegt um 0. Der Wert der spektralen Flachheit ist eindeutig und identifiziert jeden beliebigen Song.
Damit aber auch der Autofahrer von dieser Technik profitiert, muss das Auto zum Server der Firma m2any, die diesen Dienst anbietet, Verbindung aufnehmen. Denn hier liegen Tausende von akustischen Fingerabdrücken bekannter Lieder. Ist der Radiosong identifiziert, werden dem Auto die notwendigen Metadaten für den Song zugefunkt. Ähnlich der menschlichen Wahrnehmung toleriert das System auch geringe Signalstärken oder akustische Verzerrungen.
Nie wieder Daten-Chaos
Weitere Anwendungen sieht Matthias Glatschke, der Geschäftsführer von m2any, in diesen Bereichen:
„Durch die Fähigkeit der Sprach-Musikunterscheidung eignet sich die Technologie auch zur vollautomatisierten Broadcast-Protokollierung bei Radio- und im Fernsehsendern. Diese gestattet die Absicherung von Tantiemenzahlungen für gespieltes Material und eine statistische Auswertung von Programmen zur Einzeltitelerfassung oder der Chartanalyse. Selbst größte Audioarchive können klassifiziert werden. AudioID ermöglicht aber auch die Suche spezifischer Inhalte im Internet. Beschränkungen auf Dateinamen und subjektiv vergebene Schlagworte gehören damit der Vergangenheit an.“
Mit dem akustischen Fingerabdruck könnte sich also nach dem MP3-Format, das auch im IDMT entwickelt wurde, eine Erfolgsstory deutscher High-Tech-Forschung wiederholen.
Stand: 02.03.2007