Obwohl es wohl nie gelingen wird, jede lebende Kreatur zu zählen, werden möglichst genaue Daten dringend gebraucht. Denn der Schutz von Tierarten oder Meeresökosystemen und das effektive Management von Schutzgebieten sind auf verlässliche Daten angewiesen. Im Rahmen des Census wurden neue Technologien entwickelt und eingesetzt, die das globale Netzwerk zukünftig in Richtung auf eine verlässliche Zählung hin verbessern können. Mit ihnne könnnen nicht nur inselgroße Schulen von Heringen beobachtet und dokumentiert, sondern auch historische Daten und Archive ausgewertet werden.
Lücken im Korallenschutz
Forscher, die im Census-Netzwerk mit der Zukunft von Meerestierpopulationen befasst sind, stellten die weltweit erste Übersicht über die Ausdehnung, Effektivität und Lücken in geschützten Riffgebietenzusammen. In diesem Rahmen fanden sie auch heraus, dass weniger als zwei Prozent der Korallenriffe weltweit vor Wilderei und anderen Bedrohungen geschützt sind. Alle anderen sind solchen Bedrohungen nahzu schutzlos ausgesetzt. Mithilfe von Satellitenfotos der Riffe haben die Forscher jetzt ihre weltweite Datenbank geschützter Gebieter auf 102 Länder erweitert.
Historische Daten zu Verfall und Erholung
Doch das Augenmerk der Forscher galt nicht nur demheutigen Bestand der Meerestiere, auch die Änderungen in der Vergangenheit waren Teil der Untersuchungen. So rekonstruierten Historiker die Veränderungen des Lebens im Meer in zwölf Ästuaren und küstennahen Meeren weltweit. Daten aus Archiven aus römischer Zeit von der Adria, aus dem Mittelalter Nordeuropas, bis zu kolonialen Zeiten Nordamerikas und Australiens bestätigten die Befürchtungen, dass Nutzung und Zerstörung von Lebensraum 90 Prozent der Arten bereits haben verschwinden lassen.
Die Ergebnisse zeigten auch den Verlust von 65 Prozent der Seegraswiesen und Feuchtgebiete, eine zehn- bis 1.000-fache Verschlechterung der Wasserqualität und erhöhte Einwanderungen von fremden Arten. Glücklicherweise fanden sie aber auch Anzeichen für den Übergang vom Verfall zu einer Erholung überall dort, wo im 20. Jahrhundert Schutzmaßnahmen ergriffen worden waren.
Abwesenheit ist auch ein Ergebnis
Im Census ging es nicht nur darum, festzustellen, was da ist, sondern auch wo etwas nicht vorhanden ist. So fanden die Forscher beispielweise heraus, dass 70 Prozent der Weltmeere frei von Haien sind – nämlich genau die Meeresbereiche unterhalb einer tiefe von 3.000 Metern. Hier ergaben auch sorgfältige Untersuchungen kaum eine Spur der Meeresräuber. Obwohl viele Haie bis in Tiefen von 1.500 Meter leben, haben sie offenbar – vielleicht aus physiologischen Gründen – größere Tiefen
nicht besiedelt. Das allerdings macht sie leichter zugänglich für die Fischerei und damit auch gegenüber der Bedrohung anfälliger.
Stand: 12.01.2007